Interview mit Tessa Saueressig So wird man erfolgreicher Influencer auf Instagram

Düsseldorf · Mit dem eigenen Leben auf Instagram viel Geld verdienen: Das ist ein Traum, den vor allem viele junge Menschen leben möchten. Wir haben mit einer Expertin darüber gesprochen, was man mitbringen muss, und wie viel man als Influencer tatsächlich verdient.

 Tessa Saueressig hat sich 2018 mit einer eigenen Agentur selbstständig gemacht.

Tessa Saueressig hat sich 2018 mit einer eigenen Agentur selbstständig gemacht.

Foto: Vicky Baumann

Ein teures neues Kleid, passende Highheels dazu und eine Frisur zum Niederknien - kurz ein Foto davon gemacht, auf Instagram gepostet und zack, 700 Euro mehr auf dem Konto: So stellen sich viele den Beruf eines Influencers vor.

Influencer sind Menschen, die in sozialen Netwerken eine besonders große Fangemeinde haben. Viele nutzen diese Reichweite, um für Marken Werbung zu machen. Durch ihre „Empfehlungen“ beeinflussen sie die Kaufentscheidungen vieler Menschen.

Ein Markt, der noch erobert werden kann. Tessa Saueressig ist 34 Jahre alt, wohnt in Düsseldorf und hat sich mit ihrer Agentur für Influencer Marketing „.comTessa“ selbstständig gemacht. Ihr Job: Influencer managen, Verträge aushandeln, Events für Marken organisieren und Social-Media-Strategien entwickeln. Mit uns hat sie darüber gesprochen, wie sich das Business entwickelt und worauf man als angehender Influencer achten sollte.

Warum folgen Menschen eigentlich Influencern?

Tessa Saueressig In unserem Leben wird alles digitaler, Instagram ist mehr live, als es jemals eine Livesendung im Fernsehen sein kann. Natürlich holt man sich dann auch Mode-Tipps oder Lifestyle-Inspirationen digital. Influencer sind sozusagen die neuen Zeitschriften – ob für Mode, Sport, Beauty, Reisen oder Lifestyle. Die Leute sehen in Influencern Vorbilder und Ratgeber: Wo gehen sie einkaufen? Wo machen sie Urlaub? Was tragen sie? Was früher Mode-Zeitschriften verraten haben, machen heute die Influencer. Viele haben mehr Follower als die Zeitschriften Auflage. Das ist schon wie eine Art Freundschaft, die sich da entwickelt. Empfehlungen von seinem Lieblingsinfluencer nimmt man gerne an, weil man weiß, das trifft den eigenen Geschmack.

Wobei eine echte Freundin ja nicht dafür bezahlt wird, dass sie mir Dinge empfiehlt.

Saueressig Ja, das ist natürlich richtig. Aber häufig sind es auch unbezahlte Posts, die Follower interessieren. Es sollte halt insgesamt einfach glaubwürdig, authentisch rüberkommen. Es gibt auch Influencer, die sagen: „Ja, der Deal wäre super, aber das passt einfach nicht zu mir“. Dann werden auch bezahlte Angebote ausgeschlagen, wenn die Influencer sich nicht mit dem Produkt identifizieren können.

Zwischen „glaubwürdig rüberkommen“ und „glaubwürdig sein“ liegt aber nochmal ein Unterschied. Wie viel sollte man von sich selbst preisgeben, um authentisch zu sein?

Saueressig Das ist ein ganz schmaler Grat. Es gibt Influencer, wie zum Beispiel Stefanie Giesinger, die thematisieren auf Instagram auch ganz offen, wenn es ihnen schlecht geht oder sprechen über Krankheiten, zeigen ihre Narben. Dann gibt es welche, die ihr Privatleben, zum Beispiel ihren Partner, komplett aus Instagram raushalten – und trotzdem erfolgreich sind. Jeder muss das für sich selbst entscheiden und da sollte man auch als Manager nicht reinreden, aber beratend zur Seite stehen.

Ab welcher Anzahl Follower kann ein Influencer von seinem Instagram-Account leben?

Saueressig Es gibt Influencer, die gerade einmal 20.000 Follower haben, wo aber Postings gut und gerne mal mehr als 2000 Likes bekommen – ähnlich viel wie bei Influencern, die rund 100.000 Follower haben. Wie viel ein Influencer also „wert“ ist, kann nicht nur an seinen Followerzahlen bewertet werden, sondern es geht auch um die Zahl der Interaktionen. Trotzdem kann man pi mal Daumen sagen, dass man mit 40.000 Followern eher nicht davon komplett leben kann, mit rund 90.000 aber schon.

Und wie viel zahlen Firmen bei dieser Größenordnung für einen Beitrag? Was verdient die Agentur daran?

Saueressig Für einen Instagram Post sind es zwischen 600 und 1000 Euro, bei einer Story eher 250 bis 400. Meine Agenturprovision von 20 Prozent kommt noch on top.

Seit Beginn des Jahres werden auf Instagram viele Beiträge als Werbung oder Anzeige markiert, obwohl darunter steht, dass die Influencer angeblich selbst für die Produkte bezahlt haben. Vielleicht aus Angst vor Abmahnungen? Wann sollte man als Influencer einen Beitrag als „Anzeige“ kennzeichnen?

Saueressig Ja, das ist ein leidiges Thema, vor allem hier in Deutschland. In anderen Ländern wie Frankreich, Spanien oder den USA ist das nicht so streng. In Deutschland muss in einem Beitrag, sobald er in irgendeiner Form gesponsert oder bezahlt wurde, in den ersten drei Zeilen deutlich gemacht werden, dass es sich um Werbung handelt. Aber eben auch, wenn es nicht gesponsert wurde - sobald eine Marke verlinkt wird, die nicht dafür bezahlt hat, die die Influencerin aber gerne trägt, selbst gekauft hat und zeigen möchte, gilt es in Deutschland als Anzeige. Influencer gehen teilweise sogar aus Angst dazu über, fast alle ihre Beiträge als Werbung zu markieren. Denn: Es gilt schon als Werbung, wenn ich als Influencerin eine Freundin auf einem Bild zeige und markiere. Weil ich ja so theoretisch Werbung für sie als Person mache. Wer sich nicht auskennt, für den ist das sehr verwirrend. Die wenigsten wissen, dass die Regelungen in Deutschland so streng sind. Für Laien wirken deutsche Influencer deshalb leider nicht mehr so authentisch, eher wie eine Dauer-Werbesendung.

Und was kann man dagegen tun, dass es nicht wie eine Dauer-Werbesendung aussieht und im besten Fall auch gar keine ist?

Saueressig In den Posts darauf hinweisen, dass man sich die Produkte aus Überzeugung selbst gekauft hat. Und immer wieder auch Inspo-Bilder ohne Marken-Produkte posten, die inspirieren und zum Nachdenken anregen, somit nicht an Werbung erinnern. Das Verhältnis von gesponserten und nicht-gesponserten Posts sollte ausgeglichen sein.

Welche Tipps können Sie aufstrebenden Influencern geben?

Saueressig Es ist nicht mehr so leicht wie vielleicht vor zwei Jahren noch, erfolgreich in dem Business zu werden. Der Markt ist eigentlich gesättigt. Man muss schon eine Nische finden und darin möglichst einzigartig sein. Natürlich kann man auch beispielsweise noch mit einem Fitness-Blog erfolgreich sein, dann muss man seine Follower aber auf eine neue Art besonders motivieren. Wichtig ist vor allem, dass die Bilder von sehr guter Qualität sind, dass man einen eigenen Stil hat, der sich von anderen Influencern abhebt.

Okay, ein professionelles und individuelles Profil ist wichtig. Aber wie bekommt man bei Instagram mehr Follower? Reicht es aus, einfach hochwertige und individuelle Bilder zu posten?

Saueressig Wer viele Beiträge von anderen Influencern oder Nutzern kommentiert und liked, der bekommt generell auch mehr Aufmerksamkeit auf Instagram. Hashtags werden von Influencern immer weniger benutzt, durschnittlich posten die meisten maximal drei pro Beitrag. Tagesabhängige Hashtags wie #happymonday oder übergeordnete Hashtags wie #Love, #Girl oder #Couple funktionieren gut – damit wird man in kurzer Zeit sichtbar für andere Nutzer.

Welche Grenzen sollte man nicht überschreiten?

Saueressig Politische Themen sind schwierig. Wenn man sich dazu entschließt, sich politisch zu äußern, dann muss man damit rechnen, dass solche Themen spalten, also generell polarisieren und sich Menschen dadurch verletzt fühlen. Natürlich hat man als Influencer auch eine Verantwortung und eine Vorbildfunktion – trotzdem können sich dadurch auch Menschen auf den Schlips getreten fühlen.

Man sollte sich also eher nicht politisch äußern?

Saueressig Nein, natürlich soll man eine Meinung haben und diese auch vertreten. Sophia Thomalla (mit über 950.000 Followern) hat Angela Merkel aktiv und öffentlich im Wahlkampf unterstützt - auch auf Instagram. Viele hat es damals gewundert, dass sie sich so stark öffentlich politisch positioniert. Es gab dazu positives Feedback, aber auch negatives. Dessen sollte man sich einfach nur bewusst sein.

Ein kleiner Blick in die Zukunft: Wie wird sich die Branche entwickeln?

Saueressig Das Budget, das Firmen in Deutschland für Influencer-Marketing haben, ist in diesem Jahr um mehr als 65 Prozent auf rund 900 Millionen Euro gestiegen. Ich bin mir sicher, dass bald die Milliarden-Marke geknackt wird. Spannend bleibt aber, ob Instagram weiterhin die Plattform sein wird, auf der sich das Ganze größtenteils abspielt.

In ihrer Agentur betreut Saueressig unter anderem Mode- und Lifestyle-Influencer wie Caroline Einhoff, besser bekannt als „Caro E“ und Carina Zavline (bekannt aus „Germany’s next Topmodel“). Auch Schauspielerin Ursula Karven wird von Saueressigs Agentur gemanagt.

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