Kunst in Düsseldorf Geschichten in Sepia in der Part2Gallery
Düsseldorf · Die Künstlerin Slava Seidel zeigt in der Part2Gallery in der Altstadt ihre faszinierenden, bisweilen auch verstörenden Fantasiewelten in Tusche.
Diese Bilder sind so vielschichtig, dass man sich in ihnen verlieren kann. Slava Seidel erzählt darin gerne Geschichten, die ein Vorher und ganz bestimmt auch ein Danach haben. So ist das auf der Leinwand allenfalls nur ein Augenblick, den sie festhält, denn die Geschichte geht ja weiter. Und es ist mit Sicherheit auch keine abgebildete Realität, der sich der Betrachter gegenüber sieht, das Abgebildete spiegelt eine Fantasiewelt wider, oder wie sie es gerne ausdrückt: eine geistige Landschaft – auch wenn manch einer vielleicht eher an künstlerisch verarbeitete Albträume zu denken geneigt ist, aber Slava Seidel versichert: „Ich schlafe gut.“ Sie findet ohnehin den Ansatz sympathischer, dass es sich bei ihren Motiven um Abenteuer handelt, die es zu bestehen gilt.
Jedenfalls sind ihre Bilder, die noch bis zum 12. Oktober in der Part2Gallery unter dem Titel „On View“ zu sehen sind, stets zwei- wenn nicht mehrdeutig – kann sich doch jeder selbst ausmalen, was er dabei empfindet. Einem konkreten Plot folgt sie dabei nicht, es ist ein sich entwickelnder Prozess. „Ich arbeite ohne Skizzen. Ich kann auch nie vertikal an der Staffelei stehen, Papier oder Leinwand liegen auf dem Boden, wenn ich male“, erzählt sie. Es ist auch mehr ein minutiöses Zeichnen, das sie praktiziert, und das ausnahmslos mit Schellacktusche. Dass dabei durch das Verdünnen mit Wasser auch mal was verwischt, ist nicht weiter schlimm.
Und dann ist da noch die Sache mit der Farbe Sepia, die in all ihren Bildern auftaucht. Das verleiht den Werken etwas Mystisches, vor allem aber Nostalgisches, „das ist so ein bisschen wie Schwarz-Weiß-Fotografie“, sagt Seidel – und natürlich ist es nicht zuletzt ein Alleinstellungsmerkmal, solche Bilder existieren so kein zweites Mal. Es gibt aber noch so viel mehr zu erzählen über die Bilder von Slava Seidel. Denn über die Kunst hinaus spielt auch die Architektur eine wichtige Rolle, all ihre fiktiven Bauten und Gebilde, die bewusst an die Barockzeit erinnern, sind so detailverliebt, dass man meinen könnte, ihnen liegt ein Bauplan zugrunde, was natürlich nicht der Fall ist – entsteht alles in ihrem Kopf. Ursprünglich hat die Meisterschülerin von Christa Näher an der State Academy of Fine Arts in Frankfurt sogar mit dem Gedanken gespielt, Architektur zu studieren, „aber ich war zu schlecht in Mathe“.
Wenn Figuren in ihren Bildern auftauchen, sind sie erstens sehr klein, weil der Mensch nun mal im großen Kosmos eine verschwindend geringe Bedeutung hat, zweitens werden sie stets skizzenhaft von hinten gezeigt, denn sie sind ja stets in Bewegung, wollen irgendwo hin, die Geschichte muss ja weitergehen. Sehr viel größer sind da die Tiere – Pferde, Elefanten, Hasen – was in einer unwirklichen Welt ja durchaus erlaubt ist. Und manchmal taucht dann doch plötzlich auch ein wenig bunte Farbe auf, was immer mit etwas Positivem, Hoffnungsvollem in Verbindung steht: Himmel, Horizont, ein Regenbogen, womöglich gar dem Paradies.
Jedenfalls muss Slava Seidel sich bisweilen ein wenig zügeln, denn sie ist schon so etwas wie ein perfektionistischer Workaholic, der nur schwer loslassen kann. Wenn sie wieder einen ihrer imaginären Schauplätze erschaffen hat, muss der auch vollendet werden, ein Aufschieben ist nicht möglich. „Ich kann aber nicht immer alles kontrollieren, die Dinge dürfen sich auch mal verselbstständigen, aber das muss ich noch lernen“, sagt die gebürtige Ukrainerin. Dem Betrachter ihrer Bilder ist das natürlich alles so nicht bewusst, er verharrt einfach sprachlos vor den Werken, saugt jedes noch so unbedeutende Detail auf, und kapituliert am Ende bei so viel Einfallsreichtum.