In Düsseldorf Sexualstraftäter darf sich frei bewegen
Düsseldorf · Der 63-Jährige, der seit seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung in Düsseldorf lebt, wird weiter 24 Stunden am Tag von der Polizei überwacht. Der Mann wohnte schon früher einmal in Düsseldorf in einem Obdachlosenheim. 1976 zog er nach Bayern. Dort saß er mehrere Jahre in Haft. Nun soll für ihn eine dauerhafte Bleibe gefunden werden.
Der 63-jährige Sexualstraftäter, der nach Düsseldorf gezogen ist, darf sich frei bewegen. Zwar hat der Mann, der vom Oberlandesgericht Nürnberg aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden war, nach Informationen der RP einigen Auflagen Folge zu leisten.
Er steht jetzt unter der Führungsaufsicht des Landgerichts Düsseldorf. Ein Gebot, sich von Einrichtungen wie Kitas fernzuhalten, soll es aber nicht geben. Und auch zum Tragen einer elektronischen Fußfessel wurde der 63-Jährige nicht verpflichtet, hieß es gestern in Justizkreisen. Mit solchen Sendern, die sich noch in der Erprobungsphase befinden, kann der Aufenthaltsort von Kriminellen festgestellt werden. Für die Düsseldorfer Polizei bedeutet dies eine besondere Herausforderung. Sie hat die Aufgabe, die Bevölkerung vor dem Mann zu schützen, der weiter als ausgesprochen gefährlich gilt.
Die Beamten überwachen den 63-Jährigen deshalb 24 Stunden pro Tag. Dabei wird das Verhalten des mehrfach vorbestraften Sexualstraftäters ständig neu beurteilt, so dass die mit der Observierung beschäftigten Kräfte das eigens ausgearbeitete Einsatzkonzept bei Bedarf jederzeit anpassen können. Immerhin gehen Experten davon aus, dass die Rückfallwahrscheinlichkeit bei dem 63-Jährigen bei über 50 Prozent liegt. Zwar teilt die Polizei die Zahl der Kräfte, die den Mann überwachen, nicht mit.
"Aber wir sind sehr gut geschult", sagte gestern ein Sprecher angesichts der Überwachung des Mannes, der schon einmal, bis 1976, in Düsseldorf lebte. Seinerzeit war er in einem Obdachlosenheim in der City untergebracht. Tatsächlich hat der Fall des 63-Jährigen für die Düsseldorfer Polizei höchste Priorität. Eine Priorität jedoch, die sich auch nach anderen Ereignissen zu richten hat. Kommt es zu weiteren Einsätzen, müssen die Beamten neu aufgeteilt werden. Und genau für diese Situation sehen Experten die Polizei allgemein nicht gerüstet.
Für eine Überwachung wie in Düsseldorf fehle auf Dauer das Personal, so Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Dabei erscheint eine umfassende Beobachtung des nach Düsseldorf gezogenen Sexualstraftäters dringend geboten - und das, obwohl sich der Mann nach Informationen der RP zurzeit durchaus kooperativ verhält. Der mehrfach Verurteilte beging in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder Sexualdelikte. 1976, nach seinem Wegzug aus Düsseldorf, war er zum ersten Mal straffällig geworden.
Das Amtsgericht Neuburg an der Donau verurteilte ihn daraufhin wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnis. Doch er wurde immer wieder rückfällig, wie die RP aus sicheren Quellen erfuhr.
Wegen desselben Delikts wurde er 1980 zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Kaum auf freiem Fuß, verging sich der Mann wieder an Kindern - erneut kam er mehrere Jahre ins Gefängnis. Die nächste Verurteilung, dieses Mal wegen sexueller Nötigung, folgte 1990: Die Richter verhängten zweieinhalb Jahre. 1996 war eine 24-jährige Frau Opfer: Wegen sexueller Nötigung verbüßte der Mann eine Strafe von drei Jahren und sechs Monaten. Die Sicherungsverwahrung, die vorige Woche aufgehoben wurde, war schließlich im Jahr 2000 verhängt worden.
Grundlage war ein Paragraf, wonach Täter auch über die Haftzeit hinaus in Sicherungsverwahrung genommen werden können, wenn sie "infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten" für die Allgemeinheit gefährlich sind. Die Dauerhaft setzt eine Rückfallprognose voraus und muss im Urteil verfügt oder vorbehalten werden. Die Richter des Oberlandesgerichts Nürnberg folgten nun aber einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2009: Die auf zehn Jahre begrenzte Sicherungsverwahrung darf demnach nicht rückwirkend angewendet werden.
Das bedeutet: Schwerkriminelle, die zu Haft und Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind, müssen nach altem Recht behandelt und nach Ablauf der zehn Jahre entlassen werden. In NRW gibt es 67 solcher Fälle, 18 von ihnen sind bereits entlassen worden, der letzte Straftäter wird 2019 auf freien Fuß gesetzt. Wie der Düsseldorfer Fall zeigt, kann es aber auch passieren, dass Sexualstraftäter aus anderen Bundesländern kommen.
Ebenfalls aus einem bayrischen Gefängnis war 2009 ein anderer Mann nach NRW gekommen: Als dies bekannt wurde, protestierten in Heinsberg Bürger über ein Jahr vor dem Haus, in das Karl D. gezogen war. Danach war er zunächst in die Region Aachen übergesiedelt, Anfang 2011 teilte das Justizministerium dann mit, dass Karl D. auf freiwilliger Basis vorübergehend Aufnahme in einer Einrichtung des geschlossenen Justizvollzugs gefunden habe.
Anders als in Heinsberg wird in Düsseldorf der Wohnsitz des Sexualstraftäters geheim gehalten. Außer der Polizei weiß nur OB Dirk Elbers, wo der Mann wohnt. Weil Polizei und andere Behörden von dem Entschluss des Schwerkriminellen kurzfristig erfahren haben, soll er nach RP-Informationen nur vorübergehend in der Wohnung bleiben, in der er sich gerade befindet. Es heißt, es wird eine geeignetere Bleibe gesucht.