Düsseldorf Seelsorge beim Gassigehen

Düsseldorf · In der Christusgemeinde bietet Pfarrer Lars Schütt an, Gespräche bei einem Spaziergang mit Hündin Lucy zu führen.

 Pfarrer Lars Schütt geht mit seinem Hund Lucy im Volksgarten spazieren. Wer mit ihm sprechen möchte, kann gerne auf eine Runde mitgehen.

Pfarrer Lars Schütt geht mit seinem Hund Lucy im Volksgarten spazieren. Wer mit ihm sprechen möchte, kann gerne auf eine Runde mitgehen.

Foto: Lisa Kreuzmann

Eine Antwort auf die eine Frage hat Pfarrer Lars Schütt auch nicht. Und Labrodoodle Lucy hält sich mit eindeutigen Aussagen ebenfalls zurück. Auf die Frage nach dem Sinn, dem Leben, der Hoffnung. Danach, ob es eine höhere Macht gibt. Auf die Frage, kann ich glauben? Und woran darf ich glauben?

So gesehen, sagt der Pfarrer der Christusgemeinde, sei er eigentlich Agnostiker. Denn ob es Gott gibt oder nicht, das weiß er eben auch nicht. Der 38-Jährige ist aber zu dem Schluss gekommen, dass es für seinen Glauben keine Rolle spielt. Und wie er zu diesem Schluss gekommen ist, davon möchte er auch anderen erzählen, die suchen, hinterfragen und zweifeln. Bei einer Runde durch den Volksgarten auf der Suche nach Gott - und ein bisschen auch nach sich selbst.

Pfarrer Lars Schütt bietet Seelsorge-Gespräche beim Gassigehen an. Wer möchte, kann seinen eigenen Hund mitbringen. Auf jeden Fall unterstützt wird das Gespräch von Hündin Lucy, die - zwar angeleint, aber trotzdem eigensinnig genug - sich ihren eigenen Weg durch den Volksgarten sucht. Wer möchte, kann mit Schütt natürlich auch im Büro sprechen. Ganz privat, geschützt, Tür zu. Aber - so die Idee des Theologen: Beim Spaziergehen sei die Hemmschwelle niedriger, über das zu sprechen, was einen bedrückt. Das, was man einem Menschen erzählen möchte, zu dem man Abstand wahren kann.

Lars Schütt ist so ein Typ. Offen, locker und vor allem: interessiert. Der nicht wertet, nicht verurteilt, oder einem zumindest das Gefühl gibt, es nicht zu tun. Denn vor Gott sind alle Menschen gleich und im Volksgarten auch. Wenn der 38-Jährige abends in der Kneipe erzähle, dass er Pfarrer ist, reagierten die Menschen meist überrascht, erzählt er. So sehe er nämlich gar nicht aus, sagen die Leute dann. Pfarrer habe er schon als Kind werden wollen, sein Vorbild war der Vater. Seit knapp zwei Jahren bietet der Pfarrer der Christusgemeinde diesen Service an. "Einzelgespräche über Gott, die Welt und was die Seele angeht, mit Pfarrer Lars Schütt und Hund. Auf Anfrage und bei jedem Wetter!", lautet die kleine Anzeige in der Gemeindezeitschrift der Evangelische Emmaus-Kirchengemeinde.

Mit einem Vergewaltiger hat Lars Schütt schon gesprochen. "Wir haben nicht über Details geredet", erzählt der Pfarrer, sondern über die theologischen Themen: Schuld, Gerechtigkeit. "Bevor ich ein Gespräch beginne, muss ich dafür sorgen, ganz bei mir anzukommen", sagt Schütt, "um dann auch präsent zu sein". Bereit, sich auf sein Gegenüber einzulassen und auch genügend Distanz zu wahren.

Etwa, wenn ein Vater zu ihm kommt, der nicht annehmen kann, dass sein Sohn schwul ist. Wenn Menschen zu ihm kommen, die augenscheinlich alkoholsüchtig sind. Aber auch wenn Christen zu ihm kommen, die ihren Glauben verloren haben, deren Gottesbild wackelt, die nicht mehr Beten können. Dann nimmt Pfarrer Schütt sie mit auf eine Runde durch den Volksgarten und spricht mit ihnen über Wahrheit, das Leben nach dem Tod und darüber, ob Jesus Messias oder Prophet ist, während Hündin Lucy Hundesachen macht: Fährte aufnehmen und in den Büschen schnüffeln.

Und darüber was Glaube eigentlich ist, redet der Pfarrer dann auch. "Glaube ist nicht Wissenwollen", sagt er. "Ich weiß es nicht, aber ich habe den starken Wunsch, dass es Gott gibt", sagt Lars Schütt. Hündin Lucy verrichtet derweil ihr Geschäft. Seinen Glaubensbegriff lehne der Pfarrer an die hebräische Übersetzung "festhalten" an. "Ich halte mich daran fest, dass es eine Wahrheit gibt, aber ich will die eine Wahrheit nicht herausfinden", sagt er. Damit versteht sich der gebürtige Neusser als liberaler Theologe, wohlwissend, dass nicht alle ihren christlichen Glauben so undogmatisch leben wollen wie er selbst. Aber wer das über sich selbst herausfinden möchte, kann mit ihm durch den Volksgarten spazieren - auf Anfrage und bei jedem Wetter. Und Pfarrer Schütt kennt schon mal den Weg.

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