Kolumne Mein Düsseldorf Schwer erträglich - Menschen mit Rucksack

Düsseldorf · Immer mehr Zeitgenossen, vor allem männliche, schleppen sich ab mit diesem Gepäckteil auf dem Rücken. Zum Leid unseres Autors.

 Was steckt bloß in den stets prall gefüllten Rucksäcken? Ihre Träger sind ja nicht in der Wüste unterwegs und schleppen Wasser für ein paar Tage.

Was steckt bloß in den stets prall gefüllten Rucksäcken? Ihre Träger sind ja nicht in der Wüste unterwegs und schleppen Wasser für ein paar Tage.

Foto: Anne Orthen

Die Weisheit des Rheinländers bei der Beurteilung diffiziler Lebenslagen in seinem engeren oder weiteren Umfeld ist legendär: Ein jeder hat sein Päcksken zu tragen, stellt er bedeutungsschwer fest, wenn er Leute mit den Unbilden des irdischen Daseins kämpfen sieht.

Wohl war, kein Zweifel. Aber muss man dazu einen Rucksack benutzen? Doch wohl nicht. Immer mehr Zeitgenossen, vor allem männliche, schleppen sich dennoch ab mit diesem Gepäckteil auf dem Rücken. Und das geht uns, sorry, echt auf den Sack.

Unsere Abneigung rucksack-technisch wurde bereits bei mehreren Reisen über die griechischen Inseln in den 70er und 80er Jahren nachhaltig geprägt. Damals entstand ein Begriff, der eine spezielle Unter-Art der reisenden Spezies Mensch beschrieb: der Rucksack-Tourist. So genannt, weil er sein Gepäck nicht mit der Hand trug oder auf Rollen neben sich herzog, sondern sich - mit anhängender Wasserflasche und angeschnallter Iso-Matte - auf den Rücken schnallte. Zu Tausenden waren sie unterwegs, genügsam, nie ohne vor der Brust baumelndem Lederbeutel für Geld und Papiere, oft einen süßen Duft aus selbstgedrehten Tüten verbreitend, Vorläufer des späteren Gutmenschen und heute gewiss häufig frühpensionierte Lehrer, resigniert durch die Härten des ihnen im deutschen Schulalltag aufgepackten wahren Lebens.

Ja klar - das ist jetzt sehr polemisch. Und - Vorsicht! - es wird noch schlimmer: Sie verursachten verheerenden Schaden am Image einer tüchtigen Firma namens Birkenstock (deren Sandalen ihretwegen lange Zeit einigen als untragbar galten!) und prägten vermutlich das Bild des vermeintlich allzeit gutmütigen Deutschen bei vielen Griechen, was uns heute Milliarden kostet.

Das also zur Vorgeschichte eines mehr denn je tief sitzenden Widerwillens. Geschwunden ist er nicht, im Gegenteil - weil sie uns nach wie vor verfolgen mit ihrem Päcksken. Zombie-gleich sind sie nämlich nicht totzukriegen, geistern immer noch umher im persönlichen Umfeld, mit einem nach wie vor hohen Nervfaktor.

Der Rucksacktourist jener Zeit ist natürlich in die Jahre gekommen und urlaubt nun vermutlich auf einem vegan geprägten Bauernhof in Umbrien. Auf dem Leidensweg dahin hat er seine Gene verstreut. Und daher erleben wir seine Nachkommen auf der Straße oder in der Straßenbahn, in Kaufhäusern und Arztpraxen, im Gedränge des Carlsplatzes oder beim abendlichen Kinobesuch - Düsseldorf scheint eine Stadt von Rucksackträgern zu sein. Interessiert mussten wir feststellen, wie wenig sich sein äußeres Bild verändert hat. Allenfalls Nuancen wurden variiert: Gesundes Schuhwerk ist ein Muss geblieben, neu ist die offenbar zur Rucksackträger-Uniform mutierte Jack-Wolfskin-Jacke (ohne Reißverschluss), aber gern mit Kapuze.

Neugierig, wie wir nun mal von Berufswegen sind, stellt sich uns angesichts dieser Leute vor allem die Frage: Was steckt in diesen Beuteln? Sie hängen nämlich keineswegs halb leer schlaff herab bis zum Steiß, sondern sind offensichtlich prall gefüllt.

Aber - mit was? Denn ihre Träger sind ja nicht in der Wüste unterwegs und schleppen Wasser für ein paar Tage, auch warme Kleidung wegen arktischer Temperaturen dürften nicht unbedingt nötig sein, ebenso wenig braucht es selbst im Großstadtdschungel Überlebenspakete mit Keksen, Dörrfleisch oder ein Wasseraufbereitungs-Set für Bilharziose-verseuchte Bäche tropischer Wälder.

Es können also nur Klamotten zum Wechseln oder Regenüberzieher sein, ohne die manche womöglich das Haus nicht verlassen möchten. Man weiß ja nie, was kommt und will die Widrigkeiten des täglichen Daseins nicht unvorbereitet meistern müssen. Was einen gewissen Grundpessimismus in der Mentalstruktur, wenn nicht sogar diffuse Ängste und bei uns weitere Vorurteile bestätigt.

Ist ja am Ende auch egal.

Aber nicht egal ist, was sie allzu häufig anrichten mit ihrem Backpack - womit wir beim eigentlichen Ärgernis sind: Sie nehmen nicht wahr, wie sich der persönliche Aktionsradius aufgrund der voluminösen Zuladung vergrößert. Die Folge: Jede Drehung, die ja plötzlich sehr viel mehr Platz als normal braucht, wird so schnell zum unfreiwilligen Kontakt mit anderen - was selten als freundlicher Annäherungsversuch, sondern meist als penetrante Ignoranz und Mangel an höflichem Mindestabstand empfunden wird.

Zumal die Verursacher - eben typisch - überhaupt nicht merken, wie sie ihr Päcksken anderen aufbürden.

(RP)
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