Thomas Jarzombek und Martin-Sebastian Abel "Schwarz-Grün ist einen Versuch wert"
Düsseldorf · Der eine sitzt für die CDU im Bundestag, der andere vertritt die Grünen im Landtag. Gemeinsam werben Thomas Jarzombek und Martin-Sebastian Abel für eine schwarz-grüne Koalition in Berlin. Sie meinen: Die Parteien und ihre Wähler verbindet viel.
Auch in Düsseldorf gab es eine kleine "Pizza Connection", so wie die berühmten Treffen zwischen Unionspolitikern und Grünen in Bonn. Vor drei Jahren verabredete sich Nachwuchs aus beiden Parteien mehrfach zum Gedankenaustausch. Thomas Jarzombek und Martin-Sebastian Abel waren dabei. Sie finden, dass CDU und Grüne mehr gemeinsam haben, als viele denken — und wollen eine Koalition.
Herr Jarzombek, die Union hat nach dem Wahlsieg mehrere Optionen. Warum halten Sie ein Bündnis mit den Grünen für attraktiv?
Jarzombek Ich glaube, ein solches Bündnis wäre überfällig, weil es große Übereinstimmungen zwischen den Parteien gibt. Bei den jetzigen Mehrheitsverhältnissen wäre diese Koalition auch besser als eine mit der SPD. Die Sozialdemokraten haben seit der Wahl nicht gezeigt, dass sie zur Selbstreflexion fähig sind. Die Grünen schon.
Im Wahlkampf hatte man nicht unbedingt das Gefühl, dass es große Übereinstimmungen gibt...
Jarzombek Da muss man jetzt mal eine kalte Dusche nehmen: Der Wahlkampf ist vorbei, und es gibt von den Grünen gute Signale. Zum Beispiel hat Cem Özdemir angekündigt, dass die Partei das Freiheitliche wieder stärker betonen und sich ein Stück weit zur neuen FDP entwickeln will.
Abel Da muss ich einhaken: Wir wollen den frei gewordenen Platz einer libertären Partei füllen, das ist was anderes. Aber richtig ist, dass es uns geschadet hat, dass die Grünen im Wahlkampf plötzlich als Verbotspartei galten. Ich glaube, in einem Bündnis mit der CDU hätten die Grünen jetzt die Chance, für die Partei wichtige Projekte durchzusetzen.
Was wäre denn so ein gemeinsames Projekt?
Abel Vor allem das grüne Kernthema Ökologie. Wir hätten in einer Koalition mit der CDU die Möglichkeit, die Energiewende und den Kampf gegen den Klimawandel selbst zu gestalten, anstatt einer großen Koalition zuschauen zu müssen. Das sollten wir uns gut überlegen.
Jarzombek In der Bedeutung des Umweltschutzes liegt auch eine wichtige Gemeinsamkeit der Parteien: Auch für die CDU als christliche Partei ist die Bewahrung der Schöpfung ein Kernthema. Mit den Grünen gibt es auch in anderen wichtigen Punkten Übereinstimmungen.
Welche?
Jarzombek Zum Beispiel der U3-Ausbau, den beide Parteien wollen. In der Familienpolitik hat sich die Union unter Angela Merkel modernisiert und ist den Grünen nähergekommen. Die Grünen unterstützen auch die Konsolidierung des Haushalts, die uns sehr wichtig ist, und sie treten ein für stabile Verhältnisse in Europa.
Es gibt aber auch Streitpunkte. Zum Beispiel lehnen die Grünen anders als die Union Steuererhöhungen nicht ab, und sie wollen den gesetzlichen Mindestlohn.
Jarzombek Das stimmt. Beim Thema Mindestlohn liegen wir aber nicht so weit auseinander: Auch die Union will in allen Branchen einen Mindestlohn erreichen. Sie will ihn nur von den Tarifparteien vereinbaren lassen. Aber natürlich gibt es Unterschiede — wir wollen auch keine Fusion der Parteien, sondern Gespräche über eine Zusammenarbeit.
Der FDP ist eine Koalition mit der CDU nicht bekommen. Müssen die Grünen sich keine Sorgen machen, dass es ihnen ähnlich geht?
Abel Sicher haben viele Grünen-Mitglieder auch deshalb Vorbehalte. Der Parteitag müsste deshalb zustimmen, damit klar ist, dass der Rückhalt in der Partei vorhanden ist. Wichtig ist dann, dass wir ein klares Profil einbringen. Bei der FDP wusste man nicht mehr, wofür sie steht. In einer Koalition muss jeder Partner seine Themen haben. Das könnte bei uns zum Beispiel die Ökologie sein.
Jarzombek Ich glaube, dass eine Koalition für alle erfolgreich ist, wenn es eine Klammer gibt, also klar erkennbare, gemeinsame Projekte. Die sehe ich mit den Grünen eher. Dass wir mit der SPD eine große Mehrheit im Bundesrat hätten, finde ich als Argument zu wenig.
Wenn Union und Grüne koalieren, treffen sich auch zwei politische Kulturen: Konservative und Alternative. Kann das klappen?
Abel Sicher ist das für manche unserer Mitglieder schwierig, vor allem für die ältere Generation. Bei den Jüngeren sehe ich keine so großen Unterschiede mehr. Unsere Themen sind in der Mitte angekommen. Die Milieus sind nicht mehr so verschieden: Fast alle meine Freunde sind zum Beispiel verheiratet und wollen eine Familie gründen.
Jarzombek Ich habe im Wahlkampf ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Unterschiede sind kleiner geworden. Ich habe Menschen getroffen, die auf den ersten Blick wie klassische Unions-Wähler aussahen, aber grün wählen. Und als ich mit der damaligen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner unterwegs war, haben uns Landwirte gesagt, dass die Grüne Bärbel Höhn gar keine so schlechte Ministerin gewesen ist. Sicher wäre ein Bündnis mit den Grünen auch für viele Unions-Wähler nicht leicht — aber es wäre einen Versuch wert.