Düsseldorf Schüler erinnern an deportierte Juden

Düsseldorf · Jüdische Religionsschüler lasen am Gedenktag "Jom Hashoa" die Namen der NS-Opfer vor.

 Unter anderem lasen Schüler der Religionsschule der Jüdischen Gemeinde die Namen von mehr als 2400 Düsseldorfer Juden vor, die der Barbarei der NS-Diktatur zum Opfer fielen. Nach der Deportation starben die meisten in den Konzentrationslagern des Ostens.

Unter anderem lasen Schüler der Religionsschule der Jüdischen Gemeinde die Namen von mehr als 2400 Düsseldorfer Juden vor, die der Barbarei der NS-Diktatur zum Opfer fielen. Nach der Deportation starben die meisten in den Konzentrationslagern des Ostens.

Foto: Bernd Schaller

Auf Ziporas Zettel stehen Namen. Jüdische Namen. Von Menschen, die die 13-Jährige nicht kennt. Und die ihr doch wichtig sind. "Diese Menschen darf man nicht vergessen", sagt die Schülerin des Görres-Gymnasiums. Und dass sie das heute vor dem Carsch-Haus auch für ihre Oma im Altenheim tut. "Sie ist 92 Jahre alt, hat den Holocaust überlebt. Manche ihrer Mitbewohner haben noch die Nummer auf dem Arm. Wenn die über diese Zeit reden, müssen sie oft weinen. Das berührt mich", sagt Zipora.

Mit dem lauten Vorlesen der Vor- und Zunamen gedachten mehr als 100 Jungen und Mädchen der Religionsschule der Jüdischen Gemeinde, Politiker und Gäste am gestrigen Gedenktag "Jom Hashoa" den fast 2500 deportierten Düsseldorfer Juden.

Viele Passanten sind in Eile, manche wissen nicht, worum es bei der fast zweistündigen Zeremonie geht. Zu denen, die etwas länger stehenbleiben, gehört Hans Scholz. 58 Jahre ist er alt, kennt die menschenverachtende Barbarei der NS-Diktatur nur aus Erzählungen und dem Geschichtsunterricht. "Bei diesem Gedenken darf es kein Ende geben. Jede Generation ist gefordert, für stets aufs Neue gefährdete Werte wie Toleranz einzustehen", sagt er.

Wer anderer Meinung ist, will seinen Namen lieber nicht sagen. "Irgendwann muss doch mal Schluss sein", murmelt ein Senior, der wohl auf die 80 zugeht. Der Widerspruch der meisten Teilnehmer wäre ihm gewiss. Doch auf eine Diskussion will er sich nicht einlassen. "Keine Zeit", ruft er und eilt schnellen Schrittes davon. Ganz zufällig ist Max Wurdack in der Nähe des Heinrich-Heine-Platzes. Der 15-Jährige findet es "gut, den vielen Ermordeten nach all den Jahren wieder einen Namen zu geben." Allerdings wünscht sich der Schüler "mehr Unterbrechungen für kurze Erklärungen und geschichtliche Hintergründe" .

"Die Nennung der Namen ist eine sehr jüdische Form des Gedenkens. Wir machen das ganz bewusst so. Es steht unserer Tradition näher als beispielsweise die Stolpersteine, die auch an Verstorbene erinnern", sagt Tamara Guggenheim, die als Lehrerin an der Religionsschule arbeitet.

Zu den Vorlesern gehört an diesem Nachmittag auch Bürgermeisterin Marie-Agnes Strack Zimmermann. Namenlosigkeit, Anonymität und die Degradierung von Persönlichkeiten zu nichtssagenden Nummern seien zentrale Kategorien der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gewesen, sagt sie in ihrer kurzen Ansprache zum Gedenktag. "Dieser Brutalität treten wir entschieden entgegen, wenn wir die Menschen in Erinnerung rufen." Zu denen, die sich unauffällig unter die Zuhörer mischen, zählt auch Burkhard Hirsch. Der liberale Bürgerrechtler, der unter anderem NRW-Innenminister und Vizepräsident des Deutschen Bundestages war, findet Tage wie den "Jom Hashoa" unverzichtbar. "Ich bin Jahrgang 1930 und habe die Diktatur selbst noch erlebt. Man darf nichts vergessen oder verdrängen." Künftig werde das Gedenken eher noch wichtiger, "weil es immer weniger Augenzeugen gibt".

(RP)
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