Rechtschreibung Das sagen zwei Düsseldorfer Schulleiter über „Schreiben nach Hören“

Düsseldorf · Die Lernmethode „Schreiben nach Hören“ ist umstritten. Ist sie die beste Methode, um schreiben zu lernen? Schulleiterin Antonietta Zeoli vom Wim-Wenders Gymnasium in Düsseldorf sagt: Ja. Schulleiter Raimund Millard vom Schloss-Gymnasium in Benrath widerspricht.

 Ein Übungsheft für Rechtschreibung (Symbol).

Ein Übungsheft für Rechtschreibung (Symbol).

Foto: dpa/Daniel Karmann

Eine Studie löst große Diskussion im Bildungswesen aus. Denn Kinder, die mit „Lesen durch Schreiben“ gelernt haben, machen demnach am Ende der vierten Klasse 55 Prozent mehr Rechtschreibfehler als jene, die das Schreiben nach der klassischen Methode gelernt haben. Der Lehrerverband fordert Konsequenzen. Die NRW-Regierung will „Lesen durch Schreiben“ aber nicht komplett verbieten. Was sagen Lehrer dazu?

„Wir machen das nicht mit“

 Raimund Millard ist Schulleiter des Schloss-Gymnasiums in Düsseldorf-Benrath.

Raimund Millard ist Schulleiter des Schloss-Gymnasiums in Düsseldorf-Benrath.

Foto: Raimund Millard

Raimund Millard, Gymnasialdirektor vom Schloss-Gymnasium in Düsseldorf-Benrath: „Ich habe vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen, mit einer Spanne von elf Jahren Unterschied. Meine Älteste kam vor 20 Jahren in die Schule, und ihre Grundschullehrerin hat von der 1. bis zu 4. Klasse mit ‚Schreiben nach Hören’ gelehrt. Es war eine Katastrophe. Die Ergebnisse waren so fatal, dass wir gesagt haben, wir machen das nicht mit. Wir üben selbst mit unserem Kind, indem wir es schreiben lassen und die Fehler direkt korrigieren. Es hat ihr nicht geschadet. Sie wird demnächst Germanistik studieren. Aber diese negative Erfahrung mache ich bis heute mit den Schülern, die zu uns kommen.

Die Schreibleistung derer, die mit ‚Schreiben durch Hören’ gelernt haben, ist im Bereich Interpunktion und Orthographie wirklich schlecht. Viele werden das auch nicht mehr los. Sie haben bis in die Oberstufe jede Menge Defizite. Es wundert nicht, dass man diese Fehler dann auch bei Referendaren sieht. Ein Referendar schrieb das Wort Hungersnot mit zwei „u“ an die Tafel. Das blieb so stehen, bis eine Fünftklässlerin ihn auf seinen Fehler hingewiesen hat. Umgekehrt müssen sich Lehrer die Texte manchmal sogar laut vorlesen, um überhaupt verstehen zu können, was die Sätze bedeuten. Das ist ein riesiges Problem, und die Leidtragenden sind die Kinder.

Meiner Meinung nach liegt das vor allem an der Lernmethode. Ein anderer Grund ist, dass die Kinder immer weniger lesen und ihnen zu Hause immer weniger vorgelesen wird. Und der dritte Punkt ist, dass die Standards für den Bereich Rechtschreibung immer mehr gesenkt worden sind. Die Noten spiegeln die Schreibkompetenz der Schüler gar nicht mehr wider. Rechtschreibung macht vielleicht noch 30 Prozent der Note aus.

Das bedeutet, die schlechte Schreibleistung der Kinder wird stillschweigend über den Anteil an der Note korrigiert – somit aber auch unterstützt.“

„Meine Erfahrungen sind sehr gut“

 Antonietta Zeoli ist Schulleiterin des Wim-Wenders Gymnasiums in Düsseldorf.

Antonietta Zeoli ist Schulleiterin des Wim-Wenders Gymnasiums in Düsseldorf.

Foto: Antonietta Zeoli

Antonietta P. Zeoli, Schulleiterin des  Wim-Wenders-Gymnasium in Düsseldorf-Oberbilk: „Ich sehe nicht, dass die Lernmethode als alleinige Erklärung für eine defizitäre Rechtschreibeleistung benannt werden kann. Diese Diskussion ist viel zu kurz gegriffen. Ich habe in 20 Jahren Schuldienst beobachtet, dass  schon immer Kinder mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in die fünfte Klasse gekommen sind. Dies ist ein Grund, warum das Deutsch-Kollegium große Teile der Grammatik und Rechtschreibung in der Erprobungsstufe wiederholt. Dazu gehören auch Diktatübungen. Meine drei Kinder haben nach dieser Methode das Lesen und Schreiben gelernt. Sie haben sehr früh angefangen zu lesen und sie haben keine Probleme mit der Rechtschreibung. Meine Erfahrungen sind also sehr gut.

Ist die Lernmethode also wirklich das Problem? Ich glaube, diese Frage greift einfach zu kurz. Wir müssten darüber reden, dass sich viele Kinder zu Hause nicht aufgehoben fühlen und eine Art Wohlstandsverwahrlosung in einigen Familien Einzug erhalten hat. Dass es zunehmend Kinderbiografien gibt, die durch sprachlose Umgebungen geprägt sind. Kinder lesen nicht nur immer weniger, es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass ihnen auch weniger vorgelesen wird.

Zudem ist es für die Methode wichtig, dass sie im Unterricht sehr konsequent zu Ende gedacht und durchgeführt wird. Der Lehrermangel an Grundschulen macht das jedoch fast unmöglich. Wird ein Lehrer krank, gibt es keine Vertretung, und der Unterricht verliert an Nachhaltigkeit. In Untersuchungen wird oft davon ausgegangen, dass alle Kinder die gleiche Lernmethode brauchen. Hier lohnt auch ein Blick auf die Lerntypen.

Es geht aber auch der Blick für die Dinge verloren, die  Kinder heute viel besser können als früher. Die Kinder haben einen besseren Zugang zu technischen Dingen. Durch die Singpausen an den Grundschulen beobachten wir, dass die Leistungen im Fach Musik deutlich besser sind als vor einigen Jahren.“

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