Serie Düsseldorfer Geschichte (n) Schon 100.000 sahen diese "Zauberflöte"

Düsseldorf · Zum 100. Mal ist das Werk am kommenden Freitag in der farbenprächtigen, Video-unterstützten Inszenierung in der Rheinoper zu sehen.

 Thorsten Grümbel als Sarastro, Johannes Preißinger als Monostatos und der Opernchor vor einer Flammen-Videosequenz.

Thorsten Grümbel als Sarastro, Johannes Preißinger als Monostatos und der Opernchor vor einer Flammen-Videosequenz.

Foto: Hans Jörg Michel

Viele erleben die "Zauberflöte" als ihre erste Oper überhaupt, als Zugang zu dieser Form der Musik oder frühen Schritt auf dem Weg zum Mozart-Verehrer. Was aber Barrie Kosky und die Video-Animationskünstler der Theatergruppe "1927" aus Wolfgang Amadeus Mozarts letzter Oper gemacht haben, hat mit den bekannten Ideen zu dem Klassiker in gewisser Weise alles und nichts zu tun.

 Ausdrucksvoll: Anke Krabbe agiert hier als Pamina vor einem düsteren Wald-Hintergrund.

Ausdrucksvoll: Anke Krabbe agiert hier als Pamina vor einem düsteren Wald-Hintergrund.

Foto: Hans Jörg Michel

Alles, weil die märchenhaften Inhalte in der Tradition des Alt-Wiener Zaubertheaters nun einmal verzückend und magisch zu sein haben, und das sind sie hier so üppig wie selten zuvor. Und nichts, weil die Macher mit fast 700 farbenprächtigen Videosequenzen eine bildgewaltige digitale Wunderwelt auf die Bühne bringen, die visuell kaum an das vielen so vertraute Werk erinnert. Ein verrücktes Abenteuer in Stummfilm-Optik ist daraus geworden, mit tausend Ideen (alle perfekt auf die Musik abgestimmt) und einem Papageno in Buster-Keaton-Anmutung. Die Sänger agieren im Zusammenspiel mit den flimmernden Video-Einblendungen, mit gewaltigen Hunden und riesigen Blüten und einer gruseligen "Königin der Nacht"-Spinne. Die Zwischen-Dialoge - ohnehin nicht die Stärke der "Zauberflöte" - werden als Texttafeln eingeblendet.

 Jussi Myllys als Tamino mit Sylvia Hamvasi (Erste Dame), Marta Márquez (Zweite Dame) und Katarzyna Kuncio (Dritte Dame).

Jussi Myllys als Tamino mit Sylvia Hamvasi (Erste Dame), Marta Márquez (Zweite Dame) und Katarzyna Kuncio (Dritte Dame).

Foto: Hans Jörg Michel

Bei der Premiere im Dezember 2013 (damals zunächst in der Partneroper in Duisburg) ahnte niemand, wie lang die Erfolgsgeschichte der Inszenierung dauern würde. Am kommenden Freitag, mehr als vier Jahre später, ist die "Zauberflöte" - eine Produktion der Komischen Oper Berlin - schon zum 100. Mal bei der Rheinoper zu sehen. Mehr als 100.000 Menschen haben sie besucht, einige mehrfach. Zur Generalprobe, damals, hatte die Oper zahlreiche Taxi-Fahrer mit ihren Frauen eingeladen, und kürzlich hat einer Opernintendant Christoph Meyer gefahren und ihm unterwegs erzählt, seine Frau habe die "Zauberflöte" danach noch viermal besucht. Es gibt natürlich auch die anderen, denen die Videosequenzen zu abgehoben sind, die die Dialoge vermissen. Aber neugierig sind erstmal alle.

Meyer erinnert sich an die Premiere der Inszenierung in Berlin, die er mit Generalmusikdirektor Axel Kober sah - sie wollten Mozarts letzte Oper ohnehin wieder auf den Spielplan setzen. Dass es nun unbedingt diese Inszenierung werden musste, war Meyer damals sofort klar: "Ich war völlig begeistert - und ich habe Kosky schon in der Pause gefragt: ,Kann ich das für Düsseldorf haben?'" Schon kurz danach standen die Interessenten Schlange. Bis heute war die Inszenierung unter anderem in Paris, Moskau, Helsinki, Los Angeles, Barcelona und Edinburgh zu sehen, nirgends aber so oft wie in den beiden Spielstätten der Oper am Rhein.

Einer, der häufig mit dabei ist, ist Wolfgang Wiechert, Studienleiter der Rheinoper, der sonst für die musikalische Einstudierung und pianistische Begleitung der Sänger bei szenischen Proben verantwortlich ist. Bei der "Zauberflöte" bedient er den einen Knopf (!), der nacheinander die Hunderten Video-Cues abspielt. Was nach einer schlichten Aufgabe klingt, erfordert Präzision und eine hervorragende Kenntnis der Inszenierung - denn das Timing muss genau passen, und routiniert abspulen kann man das auch nicht, denn ein Orchester spielt ja nicht immer gleich schnell: "Das wäre ja auch langweilig", sagt Wiechert. Also hält er die Musik im Ohr und die Sänger auf der Bühne stets im Blick, was übrigens in Düsseldorf schwerer sei als in Duisburg - das Licht ist anders, sagt er. Fehler auszumerzen, ist auch kaum möglich: "Man kann jede Sequenz nur genau einmal abspielen, keine überspringen, und es gibt auch keinen Zurück-Knopf." Wenn also ein Sänger mal etwas vergisst, die entsprechende Sequenz nicht abgespielt werden kann, "dann kommt man ganz schön ins Schwitzen". Wirklich schiefgegangen, fügt er hinzu, ist aber noch nichts, und satt hat er das Ganze auch nicht: "Im Gegenteil, ich bin immer wieder fasziniert." Zudem weiß der Experte, dass die besondere Technik auch für die Kollegen auf der Bühne höchste Anforderungen an die Konzentration stellt: "Sie müssen genau an der richtigen Stelle stehen, jede Bewegung muss sitzen." Von dem Film, der um sie herum abläuft, bekämen sie selbst aber kaum etwas mit.

Mit dem Doppelabend "Petruschka" (Strawinsky)/"L'Enfant et les Sortilèges" (Ravel) findet demnächst wieder eine Kombination von Animation und echten Darstellern aus dem Haus "1927" den Weg an den Rhein. Das Publikum bleibt aber auch der "Zauberflöte" treu. Im vergangenen Jahr habe es eine kleine Delle mit einigen nicht so gut besuchten Terminen gegeben, sagt Christoph Meyer: "Aber am 2. Februar sind wir wieder ausverkauft, und bei den Terminen danach gibt es auch nicht mehr viele Karten." So darf der Dauerbrenner bleiben: "Es gibt schließlich immer noch eine Menge Leute, die sie noch nicht gesehen haben." Wer weiß? Vielleicht hat sie die Chance, irgendwann "Hänsel und Gretel" einzuholen. Mit mehr als 600 Vorstellungen seit 1969 ist Andreas Meyer-Hannos Inszenierung allerdings bisher einsamer Spitzenreiter der Rheinoper.

(RP)
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