Düsseldorf Schauspielhaus bringt Politiker auf die Theaterbühne

Düsseldorf · Für ein Stück im Central treffen Kommunalpolitiker auf Verdrossene. Ein Probenbesuch.

 Ratsherr Andreas-Paul Stieber bei den Proben im Schauspielhaus. Im Hintergrund Britta Kollmann und Heiner Geldermann.

Ratsherr Andreas-Paul Stieber bei den Proben im Schauspielhaus. Im Hintergrund Britta Kollmann und Heiner Geldermann.

Foto: Thomas Rabsch

Die Premiere ist noch in weiter Ferne, und schon schimpft das Publikum. Genauer gesagt ist es ein Pärchen, das zu den 20 Testzuschauern gehört. Die dürfen sich die Probe zu "Düsseldorf first" anschauen - und sollen die Geräte testen, mit denen die Zuschauer später abstimmen werden. Das Test-Pärchen findet es ungerecht, dass in der Auswertung nicht erfasst wird, ob es sich enthalten hat. Es werden nämlich nur die gültigen Stimmen gezählt. "Publikumsverarsche", schimpft der Mann auf einmal los. "Total unglaubwürdig", sekundiert die Frau. Regisseurin Miriam Tscholl unterbricht die Aufführung, es wird diskutiert, wenig später gehen die beiden unzufriedenen Zuschauer.

Tscholl will nun vielleicht noch einen Hinweis in die Inszenierung einfügen. Und die Laiendarsteller auf der Bühne haben eine erste Ahnung davon bekommen, was ihnen blühen könnte, wenn bald ein echtes Publikum vor ihnen sitzt.

Über Politik lässt sich eben immer streiten - und sei es nur ein Experiment im Theater. Die Bürgerbühne des Schauspielhauses widmet sich in dem Stück, das am Samstag seine Premiere feiert, der Kommunalpolitik, also jenem Feld, das manchmal belächelt wird, weil oft um Kleinigkeiten wie Fahrradständer oder Gänsekot gestritten wird. Und doch ist sie der Ort, an dem die Bürger am unmittelbarsten erleben, wie und ob Demokratie funktioniert. Regisseurin Tscholl hat sich gefragt, warum ihr Vater oder ihre Lehrer noch in einer Partei waren, sie und ihre Freunde dafür aber nicht mehr die Zeit oder die Muße finden. Und ob in Zeiten von Donald Trump und Brexit die Auseinandersetzung im eigenen Umfeld vielleicht die beste Chance ist, sich sinnvoll zu engagieren. Eben "Düsseldorf first" - in Anspielung auf Trumps Diktum, dass die USA zuerst kommen sollen.

Rund 50 Menschen hatten Interesse mitzuwirken, am Ende hat sich eine Gruppe aus elf Darstellern gebildet. Die bringen Praxis-Erfahrungen aus Parteien und Gremien mit - das ist der Vorteil der Laien. Da ist etwa Stephan, der sich mit Elan im BV2-Ortsverband der FDP engagiert, oder Heiner, der CDU-Mitglied ist, allerdings nur als Karteileiche, weil er nach dem Bürojob nicht weiter in Sitzungen gefangen sein will. Marvin ist bei den Jusos und im Jugendrat, Britta in keiner Partei, weil sie als Sozialarbeiterin zwar ständig für ihre Berufswahl gelobt wird, sich die Mieten in Düsseldorf aber bald nicht mehr leisten kann - und nicht glaubt, dass eine Partei das wirklich ändern will. Und dann ist da noch Aljoscha. Der ist überzeugter Anarchosyndikalist.

Sozusagen als Star-Gäste in antiker Toga treten vier Politiker auf, die zumindest auf kommunaler Ebene zum Spitzenpersonal gehören: Je ein Ratsherr oder eine Ratsfrau pro Abend berichtet in einem Monolog von den eigenen Erfahrungen. Es handelt sich um ein Destillat aus einem Interview mit der Regisseurin. Die Abende sind - streng auf Fairness bedacht - zwischen den größten Fraktionen CDU, SPD, Grüne und FDP aufgeteilt. Die Linke ist per Video dabei, die AfD wollte nicht.

Von einer flüssigen Aufführung ist das Ensemble am Montag noch entfernt - kein Grund zur Sorge, meint die Regisseurin. Die Texte sitzen noch nicht, das Licht ist nicht eingestellt. Und die Abstimmungs-geräte funktionieren nur mäßig.

Man spürt aber schon die Chancen des Theaterblicks. Die Akteure öffnen sich für Innenansichten, die im Tagesgeschäft nicht gefragt sind. Edith, Geschäftsführerin bei den Landesgrünen, ist frustriert über Männer, die sich immer wieder auf die Redeliste setzen lassen, obwohl sie nichts zu sagen haben. Tobi, auch Grüner, ist stolz, dass er eine Babyschaukel durchgekämpft hat. Die SPD-Jungs wundern sich über den Duz-Zwang der Genossen, FDP-Mitglied Marie-Catherine über das Streberproblem der männlichen Parteifreunde.

Einen bemerkenswerten Auftritt hat CDU-Ratsherr Andreas-Paul Stieber, der heute mit der Probe dran ist. Auch er zeigt sich von einer nachdenklichen, verletzlichen Seite, die man auf seiner üblichen Bühne, dem Rednerpult des Rats, nicht erlebt. Er erzählt von der Konkurrenz um Posten und von verletzendem Gerede. "Wenn ich mich selbst nicht kennen würde, würde ich manchmal auch an meiner Glaubwürdigkeit zweifeln." 15 bis 20 Stunden die Woche gingen für die Politik drauf, dazu komme das - so Stieber - "Relationship Management".

Auf der anderen Seite stünden die Erfolge: die Weihnachtsmarktverlängerung, die Verhinderung von Kita-Gebühren. Schön auch, so Stieber, wenn "irgendwas geteert wird". Und natürlich, sagt er, gehe es am Ende um Anerkennung.

Er bekommt eine gute Bewertung vom Testpublikum, überhaupt sollen sich die Ratsleute gut auf der Bühne schlagen. Kein Zufall. Auf die Frage nach seiner schauspielerischen Erfahrung sagt Stieber: "Ich sitze schon lange im Rat."

(arl)
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