Düsseldorf Sarrazin: Lesung unter Polizeischutz

Düsseldorf · Als der umstrittene Sozialdemokrat und Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin gestern in der Buchhandlung Mayersche Droste auftrat, war das Haus von Polizisten umstellt. Eine autonome Gruppe demonstrierte. Drinnen hatte jemand eine Knoblauch-Stinkbombe und einen Wecker hinterlassen.

Düsseldorf: Polizei sichert Sarrazin-Lesung
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Ein ungewohntes Bild am Eingang der Buchhandlung Mayersche Droste an der Ecke Königsallee: Kräftige Männer in dunklen Anzügen, kahl oder mit sehr kurzen Haaren stehen dort vor oder hinter der Tür. In den Ohren tragen sie Kopfhörer ihrer Funkgeräte, und sie mustern misstrauisch jeden, der hinein will. Kurz nach 19 Uhr hat die Buchhandlung ihre Kunden aufgefordert, das Haus um 19.30 Uhr zu verlassen, denn dann wolle man sich vorbereiten auf die Lesung und Diskussionsrunde mit Thilo Sarrazin, dessen Buch "Deutschland schafft sich ab" und die darin enthaltenen Thesen seit Monaten Schlagzeilen machen. Weil viele ihm Recht geben, ebenso viele seinen Stil kritisieren, aber alle der Meinung sind, dass er die richtigen Themen anspricht.

"Gefährliche Gegenstände sind am eingang abzugeben"

So sehen es auch rund 200 Frauen und Männer, die meisten gesetzteren Alters, die — für sie sehr ungewohnt — unter den Augen von Dutzenden Polizisten vor der Buchhandlung auf Einlass warten. Jeder von ihnen musste sich vorher eine Einlasskarte besorgen. Kaum ist die Tür geöffnet, werden sie vom stark besetzten Sicherheitsdienst in Empfang genommen. Die Männer haben die Wartenden vorher aufgeklärt: Alle Taschen werden durchsucht, mit Leibesvisitationen muss gerechnet werden, gefährliche Gegenstände sind abzugeben.

"Was sind gefährliche Gegenstände?", fragt eine Frau, sichtlich irritiert über das, was sie hier erlebt — sie wollte ja nur zu einer Lesung. Die Antwort: Flaschen, Sprühdosen, Messer, Scheren.

Wenig Minuten später sammelt sich einiges in einer Plastikkiste neben dem Eingang — auch ein Taschenmesser und eine Schere ist dabei. Einige junge Männer werden von den stämmigen Wächtern abgetastet, einer muss seine Laptop-Tasche komplett entleeren. Aus anderen Städten weiß man: Sarrazin provoziert die Leute, und manche wollen nicht nur verbal mit ihm streiten.

Das merkt man auch im fünften Stock der Buchhandlung, wo halbrund ein paar Hundert Stühle um die kleine Bühne aufgereiht sind. Ein merkwürdiger Knoblauch-Geruch liegt in der Luft, es riecht wie eine Maulwurf-Bekämpfungs-Chemikalie. Mitarbeiter der Buchhandlung entdecken ein weißes Pulver, das an mehreren Stellen ausgestreut worden ist — eine Stinkbombe gegen den Autoren. Später, während des Gesprächs, gehen — offenbar ebenfalls vorher versteckt in den Regalen — drei Wecker los — und sorgen mit ihrem schrillen Lärm für Schrecksekunden.

Sarrazin nimmt es gelassen und wirkt völlig unberührt, schließlich ist das nicht seine erste Lesung, die ohne Polizeischutz unmöglich gewesen wäre. RP-Chefredakteur Sven Gösmann führt das Gespräch mit dem umstrittenen Autoren — der einigen Gästen im Laufe des Abends eher wenig aufregend vorkommt.

(RP)
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