Interview "Runder Tisch für Arbeitgeber"

Düsseldorf · Unternehmensberaterin Eva-Miriam Böttcher der Firma Natales über den Bedeutungsverlust des Modestandortes, den Fachkräftemangel und die Notwendigkeit eines runden Tisches für Arbeitgeber. Sie sagt: "Unsere Kinder werden sich ihre Jobs wieder aussuchen können."

 Eva-Miriam Böttcher ist Senior Partner bei der Unternehmensberatung Netales, die ihren Sitz in Düsseldorf und Neuss hat.

Eva-Miriam Böttcher ist Senior Partner bei der Unternehmensberatung Netales, die ihren Sitz in Düsseldorf und Neuss hat.

Foto: Endermann, Andreas

Frau Böttcher, es vergeht keine Woche, in der sich Düsseldorf nicht selbst als Wirtschaftsstandort lobt. Als Unternehmensberaterin beraten Sie Firmen in der Landeshauptstadt und der Region. Wie viel Wahrheit ist dran am guten Ruf?

Böttcher Düsseldorf ist nicht nur auf der Gewinnerseite. Die Messe Bread & Butter zum Beispiel hat sich für Berlin entschieden und nicht für die Modestadt Düsseldorf. Igedo und CPD erleben einen Bedeutungsverlust. Auch der Finanzstandort hat massiv an Boden verloren. Die WestLB, einst eine Vorzeigebank aus Düsseldorf, wird zerschlagen. Das Drama um die IKB war ein Trauerspiel.

Was ist schief gelaufen?

Böttcher Wir haben große Unternehmen mit starken Marken in der Stadt. Etwa L'Oréal oder Eon. Aber die Verantwortlichen haben es versäumt, über den Tellerrand zu blicken. Die großen Arbeitgeber Düsseldorfs waren offenbar nicht aufmerksam genug, die Attraktivität des Standorts für Arbeitnehmer gemeinsam zu steigern. Düsseldorf hat sich zurückgelehnt. Ein fataler Fehler.

Wie äußern sich die Fehler bei der Personalplanung der Firmen? Haben Sie aus ihrem beruflichen Alltag praktische Beispiele?

Böttcher Es gibt da ein ganz einfaches Beispiel. Versuchen Sie doch einmal, eine Führungskraft aus München nach Düsseldorf zu locken. Das ist, je nach Branche, fast nicht machbar.

Was wäre aus Ihrer Sicht in Düsseldorf ein Lösungsansatz für das Problem?

Böttcher Die unternehmerischen Diamanten — Konzerne wie Mittelständler — der Stadt sollten sich an einen Tisch setzen. Die Düsseldorfer Arbeitgeber müssen eine gemeinsame Strategie entwickeln und sich konkrete Ziele für den Standort Düsseldorf setzen. Diese mögliche Institution, eine Art runder Tisch, soll feste Strukturen bekommen. Auch eine Schirmherrschaft, etwa von Oberbürgermeister Dirk Elbers, würde der Einrichtung das entsprechende Gewicht und die nötige Stimme verleihen.

Wo steht die Arbeitgeber-Marke als Standort Düsseldorf heute? Was raten Sie den Firmen der Stadt?

Böttcher Bevor ein Arbeitnehmer aus einer Metropole nach Düsseldorf zieht, überlegt er sich das ganz genau. Das hat nicht unbedingt was mit Düsseldorf zu tun. Ein räumlicher Wechsel ist für Arbeitskräfte immer eine Hürde, ganz besonders für Berufserfahrene. Aber die Marke Düsseldorf polarisiert. Sie hat die Sprache zum Volk verloren. Ich wünsche mir in der Stadt mehr Ehrlichkeit und weniger Glanz.

Was machen Düsseldorfs große Firmen häufig falsch?

Böttcher Viele große Unternehmen in der Stadt verlassen sich beim Arbeitsmarkt viel zu sehr auf ihren etablierten Namen und ihr Image. Doch da gibt es eine Erosion. Die Marke wird für Arbeitnehmer an Glanz verlieren. Die Firmen müssen, um das auszugleichen, früher und systematischer anfangen. Und das fängt schon in den Schulen an. Arbeitgeber müssen den Jugendlichen schon früh bei der Entscheidung helfen, denn hier herrscht oft die große Ratlosigkeit über Berufsbilder: Wer bin ich, was kann ich, was will ich werden? Wo gibt es für mich sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Und wo suchen Unternehmen händeringend nach Personal?

Was können Arbeitgeber heute tun, um Führungskräfte und qualifizierte Arbeitnehmer anzulocken und an den Standort Düsseldorf nachhaltig zu binden?

Böttcher Der Glaube, einfach mehr Geld auf den Tisch zu legen, ist aus Arbeitgebersicht ein Trugschluss. Und sehr teuer. Damit lockt man zwar Leute, kann sie aber langfristig vielleicht nicht halten, nicht motivieren. Die Mitarbeiter brauchen mehr als früher andere inhaltliche Anreize. Das kann eine klare Karriereperspektive sein, mehr Verantwortung, Flexibilität oder Gestaltungsspielräume. Aber auch kleinere Dinge, etwa eine Karte für das Fitnesscenter in der Mittagspause, ein Firmen-Fitnesstrainer oder die klassische Betriebssportgruppe. Man darf nicht außer Acht lassen: Wer mit 50 Jahren vom Beruf ausgepowert ist, muss trotzdem noch fast 20 Jahre arbeiten. Die Arbeitgeber müssen auch im eigenen Interesse an der Gesundheit und Perspektive ihrer Mitarbeiter arbeiten. Die "richtigen" Talente — und damit meine ich nicht nur die Besten — an das eigene Unternehmen nachhaltig zu binden ist viel günstiger, als am Arbeitsmarkt immer wieder neu zu rekrutieren.

Die Bedeutung der Gehälter kleinzureden hört sich an wie eine Rechtfertigung der niedrigen Tarifabschlüsse. . .

Böttcher . . . auf keinen Fall. Die niedrigen Tarifabschlüsse sind ein eklatant falsches Signal an den Arbeitsmarkt. Arbeit muss sich lohnen und wir brauchen Menschen, die konsumieren. Man braucht kein Mathematiker zu sein, um auszurechnen, wie groß der Fachkräftemangel noch werden wird. Es ist naiv zu glauben, dies im Zweifel durch ausländische Arbeitskräfte auffangen zu können. Diese Rechnung geht nicht auf. Doch wird der demografische Wandel wird eines bringen: Unsere Kinder werden sich ihre Jobs wieder aussuchen können. Jeder, der einigermaßen qualifiziert ist, wird eine Stelle finden. Und die Arbeitgeber werden sich daran gewöhnen müssen nicht immer nur die "Besten" haben zu wollen. Hier sind gute Aus- und Weiterbildungskonzepte und Flexibilität von Arbeitgeber wie Arbeitnehmer gefragt.

Sie sind Experte bezogen auf Personalthemen und beraten Firmen bei Fragen der Mitarbeiterführung und Arbeitgeberattraktivität. Was sind die klassischen Fehler? Woran merken Sie, was nicht rund läuft?

Böttcher Ein einfacher Indikator ist bereits die Freundlichkeit beim Empfang. Sie gibt einen ersten Eindruck vom Betriebsklima im Unternehmen. Wenn Sie schon im Sekretariat nicht begrüßt werden oder man dort nicht weiß, wer Sie sind und zu wem Sie möchten, könnte das zwar an der Sekretärin liegen. Es ist aber vor allem ein Indikator dafür, dass weitaus mehr im Unternehmen nicht stimmt. Ein Arbeitgeber, der glaubwürdig zeigen möchte, dass die Mitarbeiter das wichtigste Kapital sind, der lässt Sie an jedem Kontaktpunkt spüren, wie das menschliche Miteinander gelebt wird.

Thorsten Breitkopf führte das Gespräch

(RP)
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