Rückblick auf das Wetter-Jahr 2018 in Düsseldorf Der wärmste Sommer aller Zeiten

Düsseldorf · Nur den Rekord an Sonnenstunden hat das Jahr 2018 knapp verpasst. Wir haben mit Menschen gesprochen, für die dieser Sommer Licht- aber auch Schattenseiten hatte.

Sommer 2018 in NRW - zwischen Hitze, Dürre, Bränden und Unwetter
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Sommer 2018 in NRW - zwischen Hitze und Unwettern

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Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Das Quartett war zäh und unbeweglich: Gottfried, Helmut, Ingolf und Johannes hießen die vier Hochdruckgebiete, die sich lange nicht vom Himmel vertreiben ließen und uns schließlich das Wort des Jahres bescherten: Heißzeit. Düsseldorf schwitzte wochenlang, das Gartenamt verschenkte Gießkannen, damit Bürger für Bäume sorgten.

Die Rheinbahn ließ ihre Fahrer in Bermuda-Shorts ans Steuer. Der Wald durfte wegen der Brandgefahr nur noch auf befestigten Wegen betreten werden. Klimaanlagenbauer machten das Geschäft ihres Lebens, Eisdielenbesitzer schufteten im Akkord. Und meine kleine Nachbarin schaute sehr besorgt, nachdem ihre Mama verkündet hatte: „Ich zerfließe!“ Das kollektive Gefühl: Ein Jahrhundertsommer, der alle Rekorde schlägt! Tatsächlich?

„Nicht ganz“, meint der Meterologe Jürgen Schmidt, Geschäftsführer des WetterKontors, der für Rheinische Post die Wetterdaten dieses Jahres analysiert hat. Er begegnet der allgemeinen Erinnerung mit Daten, Zahlen, Fakten. „Zwar schien die Sonne in diesem Jahr an 1921 Stunden (Stichtag 18. Dezember), aber im legendären Sommer 2003 war es dann doch noch ein bisschen sonniger mit 2070 Stunden.“ Damals fühlte sich das permanente Schönwetter an, als fließe der Rhein durch Rimini.

Auch wenn der dieser Sommer den Sonnenrekord knapp verfehlt hat, der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnung war er allemal – eine warme Wucht mit lauen Abenden und Eiswürfeln im Glas. Ferienstimmung legte sich über die Rheinufer und die Terrassencafés. „Es war eine grandiose Atmosphäre mit wunderbaren Sonnenuntergängen“, erinnert sich Achim Spyra, Wirt des KIT-Cafés auf der Rheinuferpromenade.

 "Es war eine grandiose Atmosphäre mit wunderbaren Sonnenuntergängen", erinnert sich Achim Spyra, Wirt des KIT-Cafés auf der Rheinuferpromenade.

"Es war eine grandiose Atmosphäre mit wunderbaren Sonnenuntergängen", erinnert sich Achim Spyra, Wirt des KIT-Cafés auf der Rheinuferpromenade.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

In Zahlen aber habe sich der Supersommer nicht so gravierend niedergeschlagen, wie man meinen könnte. „Gefühlt haben wir hundert Prozent mehr Umsatz gemacht als sonst, aber unterm Strich waren es wohl nicht mehr als 15 Prozent.“ Auch deshalb: Das KIT hat nur Sonnenschirme, tagsüber aber war es oft so heiß, dass die Düsseldorfer eindeutige Schattenplätze suchten. Das lässt Achim Spyra für die Zukunft planen: „Wenn wir im nächsten Jahr wieder so einen Supersommer bekommen, sollten wir vielleicht Wasserfässer aufstellen.“

Zwei Seiten des Sommers erlebte auch ein Mann mit Seeblick: Peter von Rappard, Geschäftsführer des Zweckverbandes Unterbacher See. Einerseits konnte er sich über fast 193.000 Besucher in beiden Strandbädern freuen („nur im Sommer 2003 hatten wir noch mehr: über 300.000“), allerdings schätzten nicht nur Menschen die ungewöhnlich hohe Wassertemperatur von fast 28 Grad: Blaualgen-Alarm! hieß es ab Ende Juli, das Strandbad Nord musste für zwei Wochen mitten in der Hochsaison geschlossen werden. In Kooperation mit dem Gesundheitsamt, das mehrfach Wasserproben nahm und Wissenschaftlern der RWTH Aachen, stand bald fest: Die Algenart im See war nicht giftig, „unangenehm war sie allemal“, so Peter von Rappard.

Auch andere Lebewesen profitierten von den Top-Temperaturen: „Das war das beste Meisen-Jahr seit langem“, meint Tobias Krause, Wildtier-Experte beim Naturschutzbund. „Keine Schafskälte, keine Eisheiligen, es war zu Beginn des Sommers so warm, dass die Vögel ihre Jungen optimal mit Futter versorgen konnten.“

 „Das war das beste Meisen-Jahr seit langem", sagt Tobias Krause, Wildtier-Experte beim Naturschutzbund.

„Das war das beste Meisen-Jahr seit langem", sagt Tobias Krause, Wildtier-Experte beim Naturschutzbund.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Perfekte Startbedingungen ins Leben hatten auch – allen Unkenrufen zum Trotz – die Schmetterlinge, denen weder Sturm noch Regen zusetzte. Anderen Tieren aber entzog die andauernde Dürre ihre Lebensgrundlage. Etliche Düsseldorfer Bäche wurden zum Rinnsal oder trockneten völlig aus. „Fische wie die Stichlinge mussten in die Düssel ausweichen, viele sind vertrocknet“, so Krause. Auch die Schwäne, die sich hauptsächlich von Ufergräsern und Wasserpflanzen ernähren, standen auf dem Trockenen: „Viele waren unterernährt und haben nicht überlebt.“

„Wasser marsch!“ Das Gartenamt beauftragte im Spätsommer 20 zusätzliche Mitarbeiter mit einer Sonderaufgabe: Sie mussten über 450 Bäume und Hecken in den Düsseldorfer Parks mit Wasser versorgen - zusätzlich zu den 3000 Straßenbäumen. Welche Schäden die andauernde Trockenheit in der Natur angerichtet hat, ließe sich zurzeit noch nicht sagen, meinte ein Stadtsprecher, „das wird sich erst im nächsten Frühjahr ermitteln lassen, wenn die Bäume wieder austreiben.“ Nur so viel ist sicher: Der Düsseldorfer Stadtwald war durch den ausbleibenden Regen weit weniger gefährdet als die Wälder im Norden und Osten von NRW mit ihren sandigen Böden.

Der Bedarf ließ sich auch am Verbrauch ablesen: An Spitzentagen (Anfang Juli) flossen in Düsseldorf knapp 189.000 Kubikmeter Wasser durch die Leitungen, rund 20 Prozent mehr als im Durchschnitt. Allerdings sei Düsseldorf, so die Stadtwerke, trotz des niedrigen Rheinpegels zu keinem Zeitpunkt von Wasserknappheit bedroht gewesen, da das Trinkwasser aus einem Gemisch aus Rheinuferfiltration und Grundwasser bestehe.

Einen erhöhten Wasserverbrauch dürfte in diesem Sommer auch Joachim von Holtum gehabt haben - wie alle Landwirte der Region. Dabei hatte das Jahr zunächst vielversprechend begonnen: „Der lange Winter hatte dem Boden gutgetan, hatte Bakterien und Läuse vernichtet.“ Der Frühling begann dann mit drei Wochen Verspätung, doch die Natur habe diese Verzögerung locker wettmachen können. Im Mai und Juni habe es dann zur genau richtigen Zeit geregnet, „dadurch konnten sich die Getreidekörner mit Wasser füllen“, so der Besitzer von Gut Holtum.

 "Wir haben weniger Kartoffeln und Gemüse geerntet", sagt Landwirt Joachim von Holtum.

"Wir haben weniger Kartoffeln und Gemüse geerntet", sagt Landwirt Joachim von Holtum.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Aber dann erwischte ihn die Trockenheit der Sommermonate: „Wir haben weniger Kartoffeln und Gemüse geerntet.“ Die Zuckerrüben seien in der Hitze regelrecht verbrannt, der Mais hat allenfalls die Hälfte des üblichen Ertrags gebracht, die zweite Heuernte im September „hat das Spritgeld der Erntefahrzeuge nicht eingebracht.“

Auch Bernd Schumacher, Chef des Apfelparadieses in Wittlaer, hat das extreme Wetter wohl schlaflose Nächte bereitet. Am 17. Mai wurde innerhalb von 15 Minuten etwa 70 Prozent seiner Apfelplantage bei Thönisvorst zerstört. „Weder mein Vater noch mein Opa haben je einen solchen Hagel erlebt.“ Und der Rest? Viele seiner Äpfel waren in diesem Jahr von geringerer Qualität, mussten zu Saft, Gelee und Trockenfrüchten verarbeitet werden.

Außerdem musste er trotz der geringeren Einnahmen höhere Personalkosten verkraften, denn Schumacher heuerte mehr Leute an, um die Bäume zu wässern. Sein Blick in die Zukunft: „Wir müssen uns dem Klimawandel anpassen.“ Heißt: Er wird mehr Netze anschaffen, die seine Früchte gleichzeitig vor Hagelkörnern, aber auch vor Sonnenbrand schützen. Für manche Sorten wie Cox Orange sei es mittlerweile in Düsseldorf zu warm. „Dafür gedeihen jetzt bei uns die Aprikosen einfach super.“

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