Düsseldorf Rotlicht-Affäre: Bricht die Anklage zusammen?

Düsseldorf · Der Hauptzeuge im Verfahren gegen die Betreiber des Bordells an der Rethelstraße ist als Kokain-Konsument überführt worden. Folglich kann er nicht im Bordell betäubt worden sein.

Prozess um Düsseldorfer Bordell-Abzocke gestartet
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Foto: dpa, Rolf Vennenbernd

Mit einer überraschenden Entwicklung steht die Anklage im Rethelstraßen-Prozess gegen neun Tatverdächtige, darunter vier Frauen, angeblich kurz vor dem Zusammenbruch. Davon geht die Verteidiger-Riege nach einer aktuell vorgelegten Haar-Analyse eines Belastungszeugen aus.

Der Mann aus Norddeutschland hatte beteuert, er sei beim Bordellbesuch an der Rethelstraße vermutlich mit Kokain betäubt, dann sei sein Konto heimlich leer geräumt worden. Kokain habe er nie konsumiert. Nun ergab eine Haar-Analyse der Gerichtsmedizin, dass der Zeuge Mitte 2013 mindestens einmal Kokain genommen haben müsse. Hauptverteidiger Benedikt Pauka wertet das als Falschaussage des Zeugen und folgert: Die Indizienkette der Anklage sei nach 38 Verhandlungstagen beim Landgericht jetzt schwer erschüttert.

Rotlicht-Razzia Düsseldorf – die Beweismittel
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Foto: dpa, Daniel Naupold

In dem Mammutprozess sind fünf Männer und vier Frauen angeklagt. Sie stehen unter Verdacht, bandenmäßig nach einem Tatplan von Bordell-Boss Thomas M. (46) etliche Besucher in Etablissements an der Rethelstraße und einem Erotik-Hotel in Bahnhofsnähe mit Kokain, mit K.o.-Tropfen oder Alkohol betäubt, die Konten der Freier dann mit deren Kreditkarten leergeräumt zu haben. Die Anklage spricht von 300 000 Euro Schaden und (gescheiterten) Abhebe-Versuchen von weiteren 300 000 Euro.

Alle Angeklagten haben seit Prozessbeginn im Juli zu den Vorwürfen keine Aussagen gemacht. Als einer der ersten Zeugen der Anklage trat ein 45 Jahre alter Versicherungsmakler aus Norddeutschland auf. Er gab an, in seiner Heimat diverse Bordellbesuche erlebt zu haben. Mit Kokain habe er nichts zu tun.

Doch beim Besuch in einem Rethelstraßen-Bordell sei er plötzlich besinnungslos geworden. Später hätten einige der jetzt angeklagten Bordellmitarbeiter ihn dazu gezwungen, bei der Bank weiteres Bargeld zu holen, da sein Kreditkartenlimit ausgeschöpft, seine Bordellrechnung aber noch nicht bezahlt sei. Die Anklage geht in diesem Fall von zweifacher, räuberischer Erpressung aus.

Doch die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen und seine Aussage im Prozess sehen die Verteidiger durch eine durchgeführte Haar-Analyse nun massiv erschüttert. Sogar der damals ermittlungsführende Polizeibeamte habe im Zeugenstand auf Nachfrage der Verteidiger erklärt, es gäbe keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge aus Norddeutschland bei seiner Düsseldorf-Visite überhaupt Opfer einer Straftat geworden sei.

Anwalt Pauka sieht damit gleich das gesamte Anklage-Konstrukt einstürzen: "Ich bin die einseitige und verzerrende Darstellung des Sachverhalts durch die Staatsanwaltschaft und Polizei sowie die Falschaussagen der Belastungszeugen jetzt leid!" Die Ermittler hätten in der Rotlicht-Affäre "mit riesigem finanziellen Aufwand einen Popanz aufgebaut", der nun "zusammenbricht", so Pauka. Der Anwalt des norddeutschen Zeugen hält das für übertrieben. Er will die jetzt vorliegende Haar-Analyse keineswegs als Beleg dafür werten, dass der Bordell-Kunde tatsächlich Kokain-Konsument sei. Die Staatsanwaltschaft will auf das gestern bekannt gewordene Haar-Gutachten erst reagieren, wenn es offiziell im Prozess besprochen wird.

(RP)
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