Interview Mona Neubaur Und Andreas Rimkus Rot-Grün: Zwei Kandidaten zur OB-Wahl

Düsseldorf · Inhaltlich sind die Überschneidungen zwischen SPD und Grünen laut den Düsseldorfer Parteichefs Mona Neubaur (Grüne) und Andreas Rimkus (SPD) am größten. Doch auf eine OB-Kandidatur wird der potenzielle Juniorpartner nicht verzichten.

 Die Parteichefs Mona Neubaur (Grüne) und Andreas Rimkus (SPD) beim Gespräch in der Redaktion.

Die Parteichefs Mona Neubaur (Grüne) und Andreas Rimkus (SPD) beim Gespräch in der Redaktion.

Foto: Andreas Bretz

Frau Neubaur, Herr Rimkus, noch 62 Tage bis zur Bundestagswahl. Sie sind nicht nur Parteichefs der Grünen beziehungsweise der SPD, sondern kandidieren selbst für den Bundestag. Wie ist die Stimmung?

Neubaur Wir sind hochmotiviert, haben alles durchorganisiert, um stark in den Wahlkampf zu ziehen und für den Wandel in Berlin zu kämpfen. Mein Fazit als Kandidatin ist, dass ich sehr viel positiven Zuspruch spüre.

Rimkus Wir sind bis in die Haarspitzen motiviert. Das gilt für die Partei und für mich persönlich. Wir freuen uns unbändig darauf, beide Direktmandate zurückzuholen.

Die Parteichefs von CDU und FDP sind überzeugt, dass es keine Wechselstimmung gibt. Was macht Sie so sicher, direkt zu siegen?

Rimkus Düsseldorf ist die Stadt mit den größten sozialen Unterschieden. Die Menschen haben ein Gespür für Gerechtigkeit und Solidarität. Die SPD bietet ihnen die Politik, die beides garantiert.

Aber warum sollten die Bürger Sie und nicht die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht wählen, die im selben Wahlkreis antritt?

Rimkus Es kommt auf das komplette Bild an. Sie meint, eine geläuterte Kommunistin und nun Sozialistin zu sein. Ich bin als rote Socke ein authentischer Sozialist.

Frau Neubaur, weshalb glauben Sie an einen Wechsel?

Neubaur Weil die Kanzlerin nur noch von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts abhängig ist. Der Verlust der Bürgerrechte durch das Abschöpfen von Daten interessiert sie nicht. Gleiches gilt für die Energiewende. Wir Grünen haben das richtige Rezept an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt. Deshalb kommt der Wandel.

Herr Rimkus, die CDU sieht den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück als besten Wahlhelfer. Dem müssen Sie leider zustimmen, oder?

Rimkus Ich lasse mir nicht einreden, dass wir schlecht aufgestellt sind. Steinbrück ist ein Sozialdemokrat von Schrot und Korn.

Bei der Meisterfeier der Düsseldorfer Handwerkskammer hat Gastredner Steinbrück OB Dirk Elbers (CDU) dazu gratuliert, dass Düsseldorf in der Champions League der Städte spielt. Die CDU hat diese Sequenz auf ihre Homepage gestellt ...

Rimkus Warum soll man nicht zur lebenswerten Stadt Düsseldorf gratulieren? Das bedeutet aber nicht, dass die persönliche Leistung des OB gemeint war.

Frau Neubaur, haben Sie Sorge, dass Negativ-Stimmungen gegen die SPD auf die Grünen als potenziellen Koalitionspartner abfärben könnten?

Neubaur Es ist nicht zu vermeiden, sich in einen Lager-Wahlkampf zu begeben. Das hindert uns aber nicht daran, uns eigenständig zu positionieren. Das Ziel ist, für uns eine Regierungsbeteiligung und damit einen echten Politikwechsel zu ermöglichen. Das am liebsten mit der SPD, weil es die größten inhaltlichen Überschneidungen gibt. Dennoch werden wir bei den Koalitionsvereinbarungen ringen müssen.

Und auf kommunaler Ebene?

Neubaur Seit 14 Jahren etablieren CDU und FDP Lagerpolitik im Stadtrat. Auf kommunaler Ebene ist das nicht gut. Man sollte gemeinsam die Themen angehen, die für unsere Stadtgesellschaft wichtig sind.

Rimkus Ich mag den Begriff Stadtregierung nicht. Schwarz-Gelb verhält sich aber so. Es herrscht im Rat starker Parlamentarismus. Unser Ziel ist die "Fraktion Düsseldorf" mit Thomas Geisel als OB.

Die "Fraktion Düsseldorf" bedeutete in den 1980er Jahren ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP. Die Grünen störten dabei nur. Macht Sie eine solche Aussage nervös, Frau Neubaur?

Neubaur Die Grünen vertreten längst eine sehr relevante Wählergruppe, so dass man sich mit uns wird einigen müssen.

Die SPD geht mit Thomas Geisel in die OB-Wahl. Pochen die Grünen auf eine eigene OB-Kandidatur oder werden Sie Geisel unterstützen?

Neubaur Wir werden mit einer eigenen Kandidatur antreten, weil wir unsere ganz eigenen Vorstellungen haben, was ein Grünen-Stadtoberhaupt umsetzen würde.

Die FDP wird wohl zugunsten des CDU-Kandidaten Elbers verzichten. Schwächen die Grünen dann nicht mit ihrer Kandidatur die SPD?

Rimkus Wichtig ist die Unterstützung in der Stichwahl, falls Thomas Geisel vorher nicht die absolute Mehrheit holt.

Werden Sie unterstützen?

Neubaur Wen? Herrn Elbers? (lacht)

Wen auch immer ...

Neubaur Wir werden prüfen, was Thomas Geisel inhaltlich anbietet und ob wir das mittragen können, sollte er in die Stichwahl kommen.

Was sind die Reibungspunkte zwischen Ihnen? Energiepolitik?

Neubaur Der Unterschied zwischen SPD und Grünen ist, dass wir bei Infrastruktur nicht in erster Linie in Beton denken. Auch mit der Kohle- und Atomlobby sind wir weniger verbandelt.

Rimkus Ich bin als Arbeitnehmer an einer Windkraftanlage der Stadtwerke beteiligt. Mir ist wichtig, dass nicht nur der Hauseigentümer, auch Hänschen Müller vom Erdgeschoss sich den ökologischen Umbau leisten kann. Das ist eine soziale Frage.

Ist für Sie eine rot-rot-grüne Koalition mit der Linkspartei denkbar?

Neubaur Auf Bundesebene haben die Grünen das ausgeschlossen.

Rimkus Ich persönlich würde auch Rot-Rot-Grün nicht ausschließen. Im Rat arbeiten wir punktuell manchmal zusammen. Es sind viele Gewerkschafter dabei. Ich habe wenig Berührungsängste. Im Bund sehe ich aber Probleme beim Staatsverständnis.

Düsseldorf ist schuldenfrei, Kita-Plätze für über Dreijährige sind beitragsfrei, es wird investiert. Warum sollten die Bürger 2014 den Wechsel zu SPD und Grünen wählen?

Rimkus Aus meiner Sicht wird im Rathaus mit arrogantem Gehabe gearbeitet, was die Düsseldorfer nicht mögen. Wir bieten hingegen Wirtschaftskompetenz verbunden mit sozialer Gerechtigkeit. Thomas Geisel ist ein echter Kontrapunkt zum Amtsinhaber Elbers. Nicht nur in der Länge, sondern auch in der Größe messbar.

Neubaur Wir werden die Mehrheit bekommen, weil wir nicht mit dem Blick der Lobbyvertreter und Investoren auf die Stadt blicken, sondern auf die Bedürfnisse vom Dreijährigen bis zum 70-Jährigen achten. Dazu gehört bezahlbares Wohnen. Wir orientieren uns an Gemeinwohl und Nachhaltigkeit und verbinden das mit wirtschaftlichem Erfolg.

Aber die Wähler der Grünen kommen gerade in Düsseldorf aus der Mitte des Bürgertums. Laufen Sie der FDP den Rang als Klientelpartei ab?

Neubaur Ich vertrete gerne die Klientel, die verantwortungsvoll ist, die für gute Bildung und gutes Einkommen eintritt und nicht für diese Ellbogen-raus-Mentalität.

Strengster Nichtraucherschutz, vegetarische Tage, Steuererhöhungen, vielleicht bald die Radhelmpflicht – die Grünen haben den Ruf einer Verbotspartei. Sie sind Raucherin und radeln helmlos. Hadern Sie nicht manchmal mit Ihrer Partei?

Neubaur Klar hadere ich persönlich mit manchen programmatischen Vorhaben. Ich nutze aber auch die Möglichkeit, meine Meinung im Diskurs zu sagen. Wenn dann eine Mehrheit der Basis anderer Meinung ist, muss ich das akzeptieren. Aber auch für mich endet die Freiheit des Einzelnen bei der Beschränkung des Anderen.

Ärgert es Sie, dass OB Elbers und die schwarz-gelbe Ratsmehrheit sämtliche Ihrer Themen abräumen? Von Radfahren über Klimaschutz bis zu bezahlbarem Wohnraum.

Rimkus Ich finde ärgerlich, dass im Rat ständig gegen unsere Anträge gestimmt wird, später stellt man diese Anträge in leicht anderer Form. Die Frage ist aber, wie authentisch es dann tatsächlich ist. Beim bezahlbaren Wohnraum ist es die SPD.

Neubaur Mich ärgert nicht, dass unsere Themen aufgegriffen, sondern wie sie umgesetzt werden. Das Beispiel Fahrradschnellwege zeigt, dass es CDU und FDP nicht so ernst ist mit der Fahrradfreundlichkeit.

SPD und Grüne gelten als Schuldenmacher. Welchen Wert hat für Sie die Schuldenfreiheit Düsseldorfs?

Rimkus Sie ist kein Wert an sich. Wird sie wie eine Monstranz vor sich hergetragen und an den falschen Stellen gespart, ist sie innen hohl.

Wofür lohnt es sich, die Schuldenfreiheit aufzugeben?

Rimkus Wenn dadurch Vermögen aufgebaut wird. Klug wäre, die Stadt würde bezahlbaren Wohnraum auch selber bauen. Die Kreditzinsen sind niedrig, und es bringt Wertsteigerung. Für reinen Konsum sollte man sich nicht verschulden.

Neubaur Wenn Schulden aufgenommen werden, dann für am Gemeinwohl orientierte Projekte und nicht, um Tunnel zu bauen. Ich wünsche mir übrigens, dass CDU und FDP vor der Kommunalwahl den Bürgern die Bücher öffnen und zugeben, dass die Stadt nicht mehr schuldenfrei ist.

Zum Schluss ein Bekenntnis Ihrer Bündnistreue: Herr Rimkus, werden Sie persönlich am 22. September den Grünen Ihre Zweitstimme geben?

Rimkus Der Parteichef wählt SPD.

Und Sie, Frau Neubaur, geben Sie Ihre Erststimme der SPD?

Rimkus Ich wähle mit beiden Stimmen die Grünen.

DENISA RICHTERS UND UWE-JENS RUHNAU FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(RP)
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