Sicherheitsparcours Risikotraining für Straßenarbeiter

Düsseldorf/Kaarst · Der Alltag für Straßenwärter an den Autobahnen in NRW ist gefährlich: Pro Jahr stirbt einer von ihnen bei schweren Unfällen. Um die Sicherheit der Arbeiter zu erhöhen, gibt es jetzt in Kaarst einen Sicherheitsparcours. Ein Ziel: das Gespür für den Abstand zwischen Fahrzeugen zu schärfen.

 Straßenwart Mike Kartheuser schaut auf einen am Lkw-Außenspiegel montierten Monitor und sucht im Film nach einer Lücke zum Aussteigen.

Straßenwart Mike Kartheuser schaut auf einen am Lkw-Außenspiegel montierten Monitor und sucht im Film nach einer Lücke zum Aussteigen.

Foto: Bretz, Andreas

Mike Kartheuser muss so schnell wie möglich aussteigen. Er schaut konzentriert aus dem Fenster des orangefarbenen Lkw. Am linken Außenspiegel hängt ein Monitor, auf dem ein Film mit heranrasendem Autobahnverkehr läuft. Dessen Lärm brüllt dem 37-jährigen Straßenwart aus aufgestellten Lautsprechern entgegen. Ein Lkw folgt auf den anderen, dazwischen Pkw. Es gibt keine Lücke für Kartheuser — in der Realität würde er sein Leben und die Tür des Fahrzeugs riskieren, wenn er jetzt aussteigt. Am unteren Bildschirmrand sieht der Mann, wie lange der Film noch läuft, der Druck wächst — ein Kollege war schon schneller draußen.

 Mike Kartheuser (5.v.r.) und Stefan Hackstein (6.v.r.) passen mit Kollegen den richtigen Moment im Film auf dem Monitor (r.) ab, um eine fiktive Autobahn zu queren

Mike Kartheuser (5.v.r.) und Stefan Hackstein (6.v.r.) passen mit Kollegen den richtigen Moment im Film auf dem Monitor (r.) ab, um eine fiktive Autobahn zu queren

Foto: Bretz, Andreas

In durchschnittlich 20 schwere Unfälle sind die rund 2000 in NRW tätigen Straßenwärter pro Jahr verwickelt — einer von ihnen verliert laut Statistik in jedem Jahr sein Leben bei der Arbeit. Um das Gefühl der Männer für die Risiken zu schärfen, haben der Landesbetrieb Straßen NRW und das Verkehrsministerium mit Partnern einen Parcours mit fünf Stationen entwickelt. Gestern hatte das Projekt bei der auch für Düsseldorf zuständigen Autobahnmeisterei Kaarst Premiere. Künftig soll der Parcours durch NRW touren, um möglichst viele Straßenwärter zu schulen.

Etwa, indem Mike Kartheuser die richtige Lücke zum Aussteigen finden muss. Vor Publikum wartet er brav. In der Realität wäre er wohl auch ausgestiegen, wenn "nur" ein Pkw auf der rechten Spur fahren würde, sagt er, nachdem er endlich aus dem Lkw klettern konnte, um die Stoppuhr anzuhalten.

Denn das größte Risiko sind nicht Pkw, sondern Lkw. Bei ihnen ist die Gefahr am größten, dass sie ins hintere Ende der Kolonne prallen oder einen Arbeiter am Rand erfassen. Schon deswegen fordern die Arbeiter, endlich in ganz Europa automatische Notbremssysteme für Lkw zur Vorschrift zu machen. Der anwesende Vertreter vom Verkehrsministerium macht ihnen dafür aber wenig Hoffnung — politisch kaum durchsetzbar, heißt es knapp.

Gleich im Anschluss muss Mike Kartheuser wieder ran, diesmal im direkten Wettbewerb mit den Kollegen. Sein Chef Stefan Hackstein, Kolonnenführer der Autobahnmeisterei Rheinberg, ist auch dabei. Die Aufgabe: Die Männer müssen wieder auf einem Monitor den fließenden Verkehr beobachten und dann eine zweispurige Autobahn überqueren — mit für sie üblichem Arbeitsgerät unterm Arm, wie einer Motorsense, einem Warnschild und dessen schwerem Fuß. Bei der erstbesten Lücke rennen Stefan Hackstein und die anderen los. Nur Mike Kartheuser bleibt stehen, schüttelt den Kopf. Er muss das sperrige Schild tragen und damit das höchste Risiko, unterwegs zu stolpern. "Ein Sturz auf der Fahrbahn ist das Todesurteil für jeden Straßenwärter", sagt Kartheuser schließlich auf der anderen Seite. Da bleibt er lieber einige Minuten länger stehen.

Am Ende aller fünf Stationen gibt Stefan Hackstein dem Parcours eine "satte Drei" als Schulnote. Vieles sei realistisch gewesen, das Aufsammeln von kleinen Gegenständen auf der Fahrbahn bei fließendem Verkehr aber nicht. Hackstein: "In solchen Fällen ist die Autobahn gesperrt — ich bin ja nicht verrückt!"

(RP/ila)
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