Entlarvendes Spiel "Revisor" im Schauspielhaus

Düsseldorf · Die Zuschauer in der ersten Reihe müssen die Hälse recken. Direkt vor ihren Füßen beginnt der Aufstieg, der bekanntlich sehr schnell in einen Abstieg münden kann. Eine raumgreifende Treppe füllt theatralisch die Bühne des Schauspielhauses für Gogols Komödie von 1835, "Der Revisor". 30 Stufen, steil gebaut, bilden den imposanten Ort, an dem eine einzige Nachricht eine ganze Schar Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Riege der Kommunalbeamten

Auf diesen Stufen werden gestandene Mannsbilder bald umfallen wie die Kegel. Es ist immerhin eine Riege aus Kommunalbeamten: Richter, Schulleiter, Krankenhauschef, Postbeamter, Gutsbesitzer und der Bürgermeister - der verschlagenste von allen. Sie biedern sich an, lügen, buckeln, schmeicheln und bestechen, was das Zeug hält. Jedermann, der es in der russischen Kleinstadt zu etwas gebracht hat, hat auch Dreck am Stecken. Und dabei selbstverständlich ein gutes Gewissen.

Das ganze Sündenregister, die Schlampereien, die Lügen - dies alles wäre weiter sicherlich nie aufgefallen, stünde nicht die Ankunft eines Revisors aus Petersburg bevor. Die Überprüfung der Amtsgeschäfte droht - das könnte ins Auge gehen. Der Schrecken, der in die Männer fährt, lässt sich in ihren fratzenhaften Gesichtern ablesen. Verschlagene Blicke aus weit aufgerissenen Augen blitzen aus den grell-weiß geschminkten Gesichtern.

Und so nimmt die bitterböse satirische Analyse einer korrupten Gesellschaft ihren Lauf. Ein verarmter Beamter auf der Durchreise wird für den Revisor gehalten, ihm dient man sich an, überhäuft ihn mit "freiwilligen Zahlungen". Die Frauen, Gattin und Tochter des Bürgermeisters, kitzeln dem vermeintlichen Revisor sogar ein Verlobungsversprechen heraus. Dieser spielt das verlogene Spiel bis zu seiner Flucht mit, saniert dadurch seine Finanzen und lernt allerlei über die Tiefen der menschlichen Seele.

Wie Marionetten führt Regisseur Thomas Schulte-Michels seine glänzenden Schauspieler an unsichtbaren Fäden und lotet die einzige Spielfläche in allen Dimensionen perfekt aus. Er setzt die fünf Akte nahtlos und ohne Pause aneinander, schafft keine Räume, sondern bildet Orte auf der Treppe, an denen er sein Personal gruppiert. Die Regie setzt auf Tempo bei dem gar nicht angestaubten Thema, das ungeachtet von Ort und Zeit auch heute in vielerlei Städten - überall auf der Welt - eine Neuauflage feiern könnte. Hervorragende Darsteller

"Der Revisor" ist in der Düsseldorfer Inszenierung hochaktuell und lebt von den hervorragenden Darstellern. Bis in die kleinste Rolle erleben die Zuschauer virtuoses Sprechen, exzellente Körperstudien und ansteckende Spielfreude. Rainer Galke läuft als Bürgemeister zur Hochform auf, Susanne Tremper steht ihm in nichts nach. Cathleen Baumann, Peter Niemeyer, Michael Abendroth, Winfried Küppers, dem herrlich stotternden Horst Mendroch, Pierre Siegenthaler, Jean-Luc Bubert, Felix Klare (der vermeintliche Revisor), Michel Cuciuffo - ihnen allen gilt der langanhaltende Applaus.

Der Revisor tritt in diesem Stück übrigens gar nicht auf. Für die Entlarvung der Gesellschaft reicht die im Raum stehende Drohung.

Termine im Düsseldorfer Schauspielhaus,Gustaf-Gründgens-Platz: 11., 13., 19., 29. Dezember. Karten per Telefon: 0211.369911; Fax : 0211.8523439

(RP)
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