Schwerpunkt Forschung In Düsseldorf Raucherschutz: Alles blauer Dunst

Düsseldorf · Mediziner kritisieren, dass zu wenig gegen den Tabakkonsum unternommen wird. Bei einer Studie wurde Deutschland Vorletzter.

 Daniel Kotz und Sabrina Kastaun erforschen Suchtverhalten.

Daniel Kotz und Sabrina Kastaun erforschen Suchtverhalten.

Foto: Andreas Bretz

Wenn es ums Nichtrauchen geht, ist Deutschland ein Entwicklungsland. Während weltweit strenge Gesetze den Tabakkonsum reduzieren, Frankreich den Preis für eine Schachtel Zigaretten auf zehn Euro erhöhen will, England ein flächendeckendes Netz von Nichtraucher-Ambulanzen aufgebaut hat, in Kanada das Rauchen in der Öffentlichkeit verpönt ist, wird hierzulande - offenbar durch den Einfluss einer starken Lobby der Tabakindustrie - nicht mal die Werbung für Zigaretten verboten. "Außerdem existiert hier kein staatliches Programm, dass Menschen unterstützt, die mit dem Rauchen aufhören wollen", kritisiert Daniel Kotz, Professor am Institut für Allgemeinmedizin der Uni.

Das Institut will es wissen: Wie raucht Deutschland? Welche Rolle spielen Alter, Geschlecht und Lebenssituation, ob und wie viel geraucht wird? Auf diese Fragen soll eine große, über mehrere Jahre angelegte Studie, die vom NRW-Forschungsministerium gefördert wird, Antworten liefern. Dabei wird das Verhalten von insgesamt 36.000 Menschen, von denen 28 Prozent Raucher sind, überprüft. "Ein halbes Jahr später wollen wir wissen, ob Versuche gestartet wurden aufzuhören, welche unterstützenden Mittel wie Pflaster und Medikamente genommen wurden, und wie erfolgreich diese Versuche waren", so Daniel Kotz, der die Studie gemeinsam mit der Psychologin Sabrina Kastaun leitet.

Das Forscher-Team verweist auf die "Tabakkontrollskala", eine Untersuchung, die die Aktivitäten von 37 Ländern zum Nichtraucherschutz unter die Lupe genommen hat. Dabei landete Deutschland, wo jedes Jahr 120.000 Menschen an den direkten gesundheitlichen Folgen des Tabakkonsums sterben, auf dem vorletzten Platz. Spitzenreiter im Kampf gegen die Zigarette ist England, dort rauchen nur noch 17 Prozent, wohl auch weil dort seit vielen Jahren intensiv für ein Leben ohne blauen Dunst geworben wird. "Wer dort aufhören will, bekommt nicht nur unterstützende Mittel, sondern kann auch an Raucherentwöhnungskursen teilnehmen - beides wird flächendeckend angeboten und ist kostenlos", so Daniel Kotz. Und das ist nach Einschätzung der Experten in den meisten Fällen auch dringend notwendig, denn nur drei Prozent aller Raucher schaffen den Ausstieg aus eigener Kraft und ohne Unterstützung. Warum das so schwierig ist? "Nikotin ist eine der suchtstärksten Stoffe überhaupt, das nicht nur eine körperliche, sondern auch eine psychische Abhängigkeit verursacht." Deshalb sei die Rückfallquote extrem hoch.

Eine entscheidende Rolle dabei, Menschen zu einem rauchfreien Leben zu ermutigen, spielen die Hausärzte. Was vielen Medizinern hierzulande offenbar schwer fällt. "Nur 18 Prozent sprechen das Thema gegenüber einem rauchenden Patienten an", so Kotz. Dagegen sei das in England längst eine Selbstverständlichkeit. Soeben haben die Düsseldorfer Wissenschaftler ein erstes Zwischenergebnis ihrer Studie präsentiert. Danach begrüßen 71 Prozent der Befragten ein Rauchverbot im Auto, zumindest wenn Kinder und Jugendliche mitfahren.

(RP)
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