Die Moderatoren ergänzten sich Raab feiert sich und "The Punktevergabe"

Im Vorfeld dieses Abends hatte es das Moderatoren-Trio nicht eben leicht. Am Samstag als es drauf ankam, waren Anke Engelke, Judith Rakers und Stefan Raab zu hundert Prozent da. Die drei hatten sich ihre Sache offensichtlich gut überlegt.

ESC 2011: Raab rockt zur Begrüßung die Arena
9 Bilder

ESC 2011: Raab rockt zur Begrüßung die Arena

9 Bilder

Nach den Proben bekam Engelke als mehrsprachige Frau mit Hang zum sympathischen Irrsinn noch das beste Echo ab. Raab und Rakers hingegen hatten frühzeitig den Stempel "farblos, dumpf und unvermittelbar" weg.

In einem der zahlreichen Interviews vor dem Beginn des Wettbewerbs, erzählte Raab einmal, dass er der Sache sehr gelassen entgegenblicke. Der Ablauf sei klar geregelt, er haben nur knapp 20 Sätze zu sprechen. Gefordert seien die drei nur, wenn etwas Unvorhergesehenes passiere und man improvisieren müsse. Davon blieb Rakers/Engelke/Raab verschont.

Bei einer so gigantischen Live-Show wie dem Song Contest in Düsseldorf sind echte Kaliber gefragt. Millionen Zuschauer, halb Europa und dann noch ein durchgeregelter Ablauf, dem ein Moderator kaum seinen eigenen Stil verleihen, wohl aber Glanzlichter setzen kann.

Raab feiert sich und seine Freude

Die Chance nutzte vor allem Raab. Was er an polyglottem Charme nicht hat, wog er mit seiner Liebe zur Musik auf. Die lässt sich dem Kölner wahrlich nicht absprechen. Schon als er sich an der Seite von ARD und ProSieben aufmachte, in einer Castingshow den Vertreter für Oslo zu finden - und Lena fand - war seine Leidenschaft nicht zu übersehen.

Nach kurzer und freudiger Begrüßung des Publikums in Europa griff Raab folgerichtig zur Gitarre. Den Vorjahressiegertitel "Satellite" gestaltete er mit Hilfe seiner Band, Bläsern und nicht zuletzt Judith Rakers und Anke Engelke zu einer knalligen Rocknummer um, die nicht nur den Leuten im Saal richtig Laune machte. Raab gab alles, suhlte mit der Gitarre, sang aus vollem Hals und das mit sichtbarer Freude. Seine Performance war eine Art Abschluss und Hymne auf das bisher Erreichte.

Spott fürs Raabsche Englisch

Dass Raab dabei auch international fähig zur Selbstironie ist, bewiesen die 43 Lena-Doubles, die ihn bei dem fulminanten Empfang mit den Flaggen der Länder begleiteten. Die Stimmung in der Düsseldorfer Arena trieb Raab damit von Anfang an nach oben. Das Publikum spürte seine Begeisterung für das Ereignis und die damit verbundene Musik. Sein deutschlastiges Englisch ("The Punktevergabe"), für das er schon so viel Spott kassiert hat, interessierte zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr.

An seiner Seite glänzte an diesem Abend eine vollends souveräne Anke Engelke. Das bemerkenswerte an dieser Frau, so zeigte sich an diesem Samstag, ist gar nicht ihre Fähigkeit unsägliche Grimassen zu schneiden und gelegentlich irrsinnig komisch sein zu können. Beim Song Contest zeigte Engelke eine mindestens ebenso wichtige Eigenschaft: Sie weiß, wann sie sich zurücknehmen muss.

Fremdschämen, warum denn nicht?

Das hatte am Samstag nahezu bizarre Folgen. Aus der Ulknudel Engelke wurde die geduldige Vermittlerin, die klaglos allerlei Unfug von Moderatoren-Kollegen über sich ergehen ließ. Das Phänomen Fremdschämen ließ sich dabei mitunter wundervoll studieren. Einer dieser wundersamen Länder-Vertreter zitierte erst Stefan Raabs Song Contest Titel "Wadde-hadde-dudedah" und schnupperte anschließend als Krake-Paul-Kopie zwischen einem deutschen Fähnchen und dem von Bosnien Herzegowina. Engelke trug es mit Fassung. Sie weiß: Auch dazu ist der Song Contest gemacht.

Erwartungsgemäß tat sich an diesem Abend lediglich Judith Rakers schwer, ein paar eigene Marken zu hinterlassen. Immer dann, wenn sie glaubte, mit Raab und Engelke fröhlich konkurrieren zu müssen, tat sie sich schwer. "Supertoll, ich freu mich", antwortete sie wenige Minuten vor Beginn der Show auf Nachfrage. Das sage sie immer, das komme immer gut an. Im Green Room bei den Kandidaten war Rakers schließlich besser aufgehoben. Ein freundliches Gesicht, das Stimmen einsammelt. Dino Merlin aus Bosnien-Herzegowina entlockte sie etwa, dass er sein Land mit einem 15 Jahre alten Jackett im Wettbewerb vertritt.

Perfekte Aufgabenverteilung

Das "Song-Contest-Rocken" hatte sie zu diesem Zeitpunkt längst klug Engelke und Raab hinterlassen. Bei Satellite hatte sie zu Beginn des Abends noch mitgesungen und dabei gar nicht mal eine schlechte Figur gemacht. Als aber Raab die gute Anke Engelke einfach mal schulterte und anschließend die Metal-Gitarre herausholte, um damit wie eine Kölner Jimi-Hendrix die Eurovisions-Hymne herunterzusuhlen, hätte sie vermutlich mehr als deplatziert gewirkt. So aber, mit einer perfekten Aufgabenverteilung, bildeten die drei eine perfekte Symbiose. Raab verkörperte die Musik und die Begeisterung dafür, Engelke die polyglotte Frau für alle Fälle und Rakers die schöne Frau für die sanfte Distanz.

Vor allem für Raab ging mit dem Abend ein beruflich wichtiger Abschnitt zuende. Dem Song Contest hat er mit seiner Liebe zur Musik spürbar frisches Leben eingehaucht. Seine einjährige Lena-Euphorie wird er nun jedoch endgültig ausgelebt haben.

Sein Schlusswort aus Düsseldorf lautete entsprechend: "Schluss, aus, Micky Maus!"

(pst/jre)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort