Prozess in Düsseldorf Sprayer Naegeli wehrt sich gegen Strafgeld wegen Flamingo-Graffiti

Düsseldorf · Der international bekannte Sprayer hat ungebeten Flamingo-Figuren auf Wände gesprüht. Am Dienstag soll er vor dem Amtsgericht darlegen, warum er 600 Euro Strafe dafür für unangemessen hält.

Harald Naegeli sitzt in einem Atelier (Archivfoto).

Harald Naegeli sitzt in einem Atelier (Archivfoto).

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Für die einen sind es lästige Farbschmierereien, andere halten es für hohe Kunst im Gegenwartsraum: An den grazilen Strich-Werken von Spraykünstler Harald Naegeli (79) scheiden sich seit Jahrzehnten die Geister. Am morgigen Dienstag (9.45 Uhr, Saal 1104) soll eine Amtsrichterin jetzt klären, ob vier unerlaubt aufgesprühte Flamingos des weltbekannten Graffiti-Künstlers als Schandmal und damit als Sachbeschädigung zu werten sind.

Die stilisierten Vogelfiguren soll Naegeli im Oktober 2016 auf Privathäusern und sogar an der Fassade der NRW-Akademie der Wissenschaft und Künste aufgesprayt haben. Gegen 600 Euro Strafe dafür legte er jedoch Widerspruch ein. Also wird jetzt darüber verhandelt, mit der Anwesenheit des Künstlers wird gerechnet.

Wie die Akademie mitteilte, habe man die Anzeige gegen Naegeli jedoch am Freitag zurückgezogen. Wegen der übrigen Fälle findet der Prozess dennoch statt.

Als „Sprayer von Zürich“, der das triste Beton-Einerlei der Großstadt ebenso heimlich wie flink mit charakteristischen Strichfiguren besprayte, wurde Naegeli in der Schweiz schon in den 1970er Jahren berüchtigt, später dann international dafür berühmt. Lange hatte die dortige Polizei vergebens versucht, die Identität des Graffiti-Urhebers zu ermitteln, bis Naegeli seine Brille an einem der Tatorte verlor.

Vor den Schweizer Behörden flüchtend, rettete er sich damals nach Düsseldorf. Und hier soll er kurz vor seinem 76. Geburtstag wieder zugeschlagen haben. An einem Privathaus an der Volmerswerther Straße, an einer Tankstelle an der Bachstraße – und eben an der NRW-Akademie am Rande des Floraparks soll er fast mannshohe Flamingos hinterlassen haben. Was der Tankstellen-Pächter allerdings mit Humor nahm (weil das nicht bestellte Werk bei seinen Kunden immerhin auf ein positives Echo gestoßen sei), brachte die Eigner der anderen beiden Gebäude aber eher in Rage.

Die Eigentümer haben Anzeige erstattet – und weil ein Zeuge den Sprayer beobachtet und dabei Harald Naegeli erkannt haben will, reagierte die Justiz mit einem schriftlichen Strafbefehl über 600 Euro. Dagegen hatte der jetzt 79-Jährige schon vor mehr als einem Jahr Einspruch erhoben, doch zum Prozesstermin konnte er dann nicht kommen: Von den Folgen einer Krankheit musste er sich damals in einer Reha-Klinik bei Davos erholen. Jetzt aber sei er wieder fit, heißt es, und wolle sich persönlich gegen den Vorwurf der Sachbeschädigung wehren.

In der vergangenen Jahren sind an weiteren Stellen Werke aufgetaucht, die Naegeli zugerechnet werden. Seine Strichzeichnungen verzieren Mauern beziehungsweise Brückenpfeiler rund um das Apollo-Varieté. Am Alten Hafen wurde eine Figur am Aufgang entdeckt, die dann aber entfernt wurde. Ebenso gab es Funde am Ehrenhof und im K20 am Grabbeplatz, wo ein kleines Männchen an der Beleuchtung eines Treppenaufgangs dargestellt ist, das in die Tiefe zu stürzen droht. Die Autorschaft ist hier klar, aber dies ist nicht immer so, da der Künstler seine Werke nicht signiert.

Das Werk am Alten Hafen jedoch tauchte sogar in einem Ausstellungskatalog auf. Kulturpolitiker der Ampel-Kooperation aus SPD, Grünen und FDP wollten es erhalten und dauerhaft schützen, so ist man mit Naegeli-Werken unter anderem in Köln vorgegangen. Als die Spray-Kunst durch Graffiti-Gegener jedoch plötzlich entfernt worden war, forderte Naegeli die Stadt auf, zu klagen. Dazu kam es aber nicht. Naegeli ist vom Freiheitsgedanke beseelt und sieht seine Kunst als Geschenk an die Gesellschaft. „Der Künstler hat nur die Freiheit, etwas herzustellen, aber ob es dann akzeptiert wird, ist eine Frage für die Gesellschaft.“

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