Lageberichte der Gestapo Protokolle des NS-Terrors

Düsseldorf · Die Mahn- und Gedenkstätte veröffentlicht im Februar ein Buch über die erste Juden-Deportation aus Düsseldorf. Dafür waren die Akten der Geheimen Staatspolizei eine wichtige Quelle. Vielen Forschern geben sie Auskunft über die Opfer – aber nur einseitig und emotionslos.

 Bastian Fleermann (31), stellvertretender Leiter der Mahn und Gedenkstätte der Gestapopoststelle Düsseldorf und eine Schreibmaschine aus dieser Zeit.

Bastian Fleermann (31), stellvertretender Leiter der Mahn und Gedenkstätte der Gestapopoststelle Düsseldorf und eine Schreibmaschine aus dieser Zeit.

Foto: Werner Gabriel

Die Mahn- und Gedenkstätte veröffentlicht im Februar ein Buch über die erste Juden-Deportation aus Düsseldorf. Dafür waren die Akten der Geheimen Staatspolizei eine wichtige Quelle. Vielen Forschern geben sie Auskunft über die Opfer — aber nur einseitig und emotionslos.

In keinem anderen Regierungsbezirk sind nach Hitlers Machtübernahme so viele Menschen verhaftet worden wie in Düsseldorf. "Das lag daran, dass die Stadt eine Hochburg der Kommunisten war und 1933 zunächst die KPD zerschlagen wurde", erklärt Bastian Fleermann, stellvertretender Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf. Er und seine Kollegen engagieren sich für das Gedenken an alle Opfer des Nationalsozialismus im Rheinland. Die Verbrechen der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) spielen dabei eine wesentliche Rolle.

Während der NS-Zeit sind insgesamt rund 6000 Juden aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf deportiert worden. Die Gestapo war für alle Gräuel der Festnahmen, für die Schikanen und den Abtransport vom Derendorfer Güterbahnhof verantwortlich. Zudem führte sie alltäglich mit den verfolgten Personengruppen entwürdigende Verhöre. Meist klingelten sie morgens um 5 Uhr an die Tür der Personen, die sie festnehmen wollten. Und nicht zuletzt war die Gestapo an den Verbrechen kurz vor Kriegsende beteiligt, als einige Häftlinge erschossen wurden.

Um dieses Unrecht aufzuarbeiten, sind die erhaltenen Lageberichte und Personenakten der Gestapo eine der wichtigsten Quellen. Die Mahn- und Gedenkstätte nutzte sie unter anderem für ein Projekt, das nun kurz vor dem Abschluss steht. Im Februar erscheint ein Buch über die erste Juden-Deportation aus Düsseldorf. Alle 1003 nach Lodz Deportierten sind darin mit Kurzbiografie zu finden. "Aus den Personenakten konnten wir entnehmen, wann jemand verhaftet wurde, ob er deportiert oder ob ihm der Prozess gemacht wurde. Auch Verhörprotokolle sind darin zu finden", erklärt Fleermann.

Wichtig zu bedenken sei jedoch immer, dass die Gestapo-Akten nur eine Seite des Verbrechens spiegeln. Sie sprechen die Sprache der Täter, frei von Emotionen und starr von bürokratischem Stil. "Wir benutzen die Berichte oft für unsere pädagogischen Projekte", erzählt Fleermann. Die Gedenkstätte legt Schülern dann beispielsweise Auszüge aus dem Tagebuch einer verfolgten Frau und gleichzeitig die Notizen der Gestapo zu ihrer Person vor. Der Vergleich hinterlasse bei vielen Besuchern Spuren.

Lebendig wird die Geschichte in der Gedenkstätte auch, weil die Gestapo einst im selben Gebäude an der Mühlenstraße saß und ihr Keller zu jener Zeit das Gefängnis der Geheimpolizei war. Dort, wo heute das Stadthaus steht, beginnt die Geschichte der Gestapo-Stelle Düsseldorf, weil dort das Polizeipräsidium ansässig war. Dessen politische Abteilung wurde 1933 umgewandelt, die Gestapo von dort aufgebaut und personell verstärkt.

Bis zum Umzug an die Cecilienallee ein knappes Jahr später leitete der Regierungsrat Rudolf Murray die Gestapo an der Mühlenstraße. Ein Bild aus jener Zeit zeigt ihn in SA-Uniform. Für die Gestapo war er jedoch wie die übrigen Mitarbeiter in Zivil tätig. Die Bevölkerung erkannte Murray auf der Straße nicht als Gestapo-Chef. "Filme, in denen Beamte mit Ledermantel und Hut gezeigt werden, entsprechen nicht den Tatsachen", sagt Fleermann. Nur bei den verfolgten Gruppen seien die Personen bekannt gewesen, weil sie zu Verhören vorsprechen mussten.

Nach Kriegsende 1945 wurden einige der Düsseldorfer Spitzenbeamten zur Rechenschaft gezogen. Sie mussten mehrjährige Haftstrafen absitzen. Die meisten Mitarbeiter jedoch blieben ungestraft. Sie wurden entlassen oder wieder in die Polizei eingegliedert.

(RP)
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