Projekt „Wem gehört Düsseldorf?“ Streit um Mikro-Appartements an der Grafenberger Allee

Düsseldorf · 164 Wohnungen sollen dort entstehen, wo mal das Landesamts für Statistik war. Doch die Nachbarn sind dagegen: Sie befürchten Parkplatzmangel und eine AirBnB-Klientel im Neubau. Der Entwickler widerspricht.

 Ulrich Franz, Michael Ulrich, Maria-Luise Mundt, Brigitte Ulrich, Uschi Beer und Rüdiger Wulff (von links), Anlieger der Grafenberger Allee.

Ulrich Franz, Michael Ulrich, Maria-Luise Mundt, Brigitte Ulrich, Uschi Beer und Rüdiger Wulff (von links), Anlieger der Grafenberger Allee.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Wüst sieht es aus auf dem Gelände an der Grafenberger Allee 114. Vorne geht es noch; hinten ist aus dem ehemaligen Park ein Acker mit Baumstümpfen geworden. Aber das hier ist ja auch eine Baustelle.

Die Firma Pro Urban hat das Gelände vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen ersteigert und will das alte Gebäude, in dem lange das Landesamt für Statistik untergebracht war, abreißen. An dieser Stelle sollen Wohnungen entstehen. An sich eine gute Sache für Düsseldorf, würde man meinen. Trotzdem gibt es Krach. „Diese Bebauung ist nicht das, was Düsseldorf braucht“, schimpft beispielsweise Michael Ulrich, der seit 2003 nebenan wohnt. Und Uschi Beer von der anderen Seite des Grundstücks sagt: „Ich verstehe nicht, wie eine Bezirksvertretung so etwas einfach genehmigt, ohne auf die Bürger zu achten.“

Gemeint ist die Bezirksvertretung 2. Im November 2017 hatte ein Vertreter von Pro Urban das Projekt dort vorgestellt. Am Ende stimmte die BV der sogenannten Bauvoranfrage zu. Darin waren die Dimensionen des Gebäudes festgehalten und und dass dort etwa 100 Wohnungen, davon 40 Prozent öffentlich gefördert, entstehen sollten.

Diskussionen gab es schon damals darum, dass der Investor 50 Tiefgaragenstellplätze bauen wollte – nach Ansicht mancher Anwohner viel zu wenig. „Schon jetzt ist die Parkplatzsituation hier im Viertel katastrophal“, sagt Rüdiger Wulff, der Lebensgefährte von Uschi Beer. Auch Maria-Luise Mundt und Ulrich Franz, ebenfalls Nachbarn, sind dieser Ansicht. Einige Anlieger klagten gegen den Bau-Vorbescheid, der am 15. Dezember 2017 erging. Inzwischen ist nur noch die Klage von Michael Ulrich offen. Der 65-Jährige sagt, er wolle am Ende erreichen, dass mehr Stellplätze gebaut werden. „Oder weniger Wohnungen.“ Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht noch aus.

Michael Ulrichs Frau Brigitte entdeckte nun Mitte März etwas im Internet, das die Anlieger noch mehr aufbrachte: Auf der Website von Pro Urban wird angekündigt, an der Grafenberger Allee 114 entstünden „möblierte Microappartements“ – und zwar 123 Stück „mit hochwertiger und intelligenter Möblierung“, dazu 41 Tiefgaragenstellplätze. Außerdem sollen 41 Wohnungen entstehen, die öffentlich gefördert werden und deshalb zu einem gedämpften Preis auf den Mietmarkt kommen werden.

„Das sind keine Wohnungen für Düsseldorfer“, befürchtet Brigitte Ulrich (66), „sondern für Menschen, die eigentlich woanders wohnen. Das wird den Mietmarkt nicht entlasten – schon gar nicht für Familien.“ Dass nun im Verhältnis noch weniger Stellplätze geplant sind als vorher, erzürnt die Nachbarn zusätzlich. „Das ist ein vorgeplantes Chaos – und für was? Für einen Hotelbetrieb“, sagt Rüdiger Wulff (76). Er befürchtet, dass die Appartements von den zukünftigen Eigentümern kurzfristig über Plattformen wie AirBnB vermietet werden.

Auch Bezirksbürgermeister Uwe Wagner ist irritiert – zumindest milde. „Wir haben das damals mit gutem Gefühl beschlossen“, sagt er. „Mikro-Appartements sind nicht das Angebot, was wir dort gern hätten.“ Lieber wären ihm ganz normale Wohnungen für Düsseldorfer – auch wenn er Mikro-Appartements nicht grundsätzlich verteufeln wolle.

Ist die Politik hinters Licht geführt worden? Das ist die Vermutung der Anlieger. Doch Pro Urban widerspricht – und zwar vehement. In der Bauvoranfrage sei es zunächst nur um die Dimensionen des Gebäudes gegangen – und die seien weiterhin die gleichen, sagt Vorstand Raphael Wellen. Dass nun nicht „ca. 100“, sondern insgesamt 164 Wohnungen entstehen, sei Ergebnis einer Planung, die mit der Stadt Düsseldorf abgesprochen sei. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass dort ein reines Wohngebäude entsteht, in dem 40 Prozent der Fläche öffentlich gefördert wird.“Eingerichtet werden sollen nach seiner Darstellung vollwertige Wohnungen, keine Hotelzimmer oder Montage-Appartements. „Richtig ist: Es handelt sich bei den frei finanzierten überwiegend um kleine Wohnungen zwischen 25 und 40 Quadratmetern.“ Das sei genau das richtige für Düsseldorf: „Über 50 Prozent der Düsseldorfer sind alleinstehend. Kleine Wohnungen sind daher gefragter als große.“

Die öffentlich geförderten Wohnungen seien im Übrigen in der Regel größer. Die größten Einheiten im Haus sollen 75 Quadratmeter haben.

Auch den Parkplatz-Schlüssel verteidigt Wellen. Man halte sich genau an die Vorgaben der Stadt Düsseldorf. „Viele Singles, die in der Innenstadt leben, nutzen keinen eigenen Pkw. Das Grundstück ist optimal an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen.“

Dass die Anwohner fürchten, die Wohnungen würden als Ferienwohnungen zweckentfremdet, könne er einerseits verstehen. „Aber dasThema AirBnB und Zweckentfremdung muss auf anderer Ebene verhandelt werden, nämlich mit der Politik.“ Die Wohnungen würden möbliert angeboten, so Wellen, weil viele Menschen es bequemer fänden, nicht mit Sack und Pack umziehen zu müssen. „Und wir möchten nicht, dass diese Wohnanlage durch Umzüge beschädigt wird.“

Klar ist: Noch ist das Projekt nicht in trockenen Tüchern. Im Juli 2018 beantragte Pro Urban eine Baugenehmigung. Darin ist laut Stadt die Rede von 43, nicht 41 öffentlich geförderten Wohnungen. Die Genehmigung ist noch nicht erteilt. „Der Antrag ist noch in der Prüfung“, teilte die Pressestelle der Stadt auf Anfrage mit. „Die BV wünscht vor Erteilung der Baugenehmigung eine erneute Beteiligung, da Zahl der Wohneinheiten deutlich [von der Bauvoranfrage] abweicht.“

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