Menschen aus Düsseldorf „Ich mache sonst nicht nur Unsinniges“
Düsseldorf · Seit mehr als einem Jahrzehnt bietet Jobst-Rüdiger Barnikol unter dem Dach der Caritas ein Internetcafé an. Das wird gerne von älteren Menschen angenommen, denn der Ehrenamtler bringt jede Menge Geduld mit.
Frau Hillen beugt sich über das Smartphone ihres Sitznachbarn. „Der rote Punkt da will Ihnen wahrscheinlich etwas sagen“, sagt sie und lacht. „Was will er denn?“, fragt sie und hat mit Jobst-Rüdiger Barnikol den richtigen Ansprechpartner. Der 70-jährige Düsseldorfer hilft seit über einem Jahrzehnt Menschen in Sachen Technik. Das macht er ehrenamtlich und wurde dafür jetzt mit dem Martinstaler der Stadt Düsseldorf ausgezeichnet – eine Auszeichnung für Düsseldorferinnen und Düsseldorfer, die sich in besonderer Weise in der Stadt engagieren.
Barnikol macht das, indem er Menschen bei grundlegenden Problemen mit dem Smartphone, dem Laptop und insgesamt der Orientierung im Internet hilft. Das bietet er in einem sogenannten Internetcafé an, das vor elf Jahren unter dem Dach des Caritas Zentrum International gegründet wurde. Oder sind es schon zwölf? Ganz sicher sind sich Barnikol und Imma Schneider nicht. Schneider arbeitet für das Caritas Zentrum International und ist begeistert von ihrem Kooperationspartner und Ehrenamtler. Er habe sich alles selbst beigebracht und sei immer offen für Neues, sagt sie.
Die Idee, sich ehrenamtlich zu engagieren, hatte Barnikol kurz vor seiner Pensionierung. Er hatte sich in den letzten 20 Jahren seines Berufslebens einiges an Computerkenntnissen angeeignet. Der studierte Betriebswirt arbeitete bei einem Unternehmen, das in der Edelmetallveredelung tätig ist. „Als ich angefangen habe, haben wir noch mit Karteikarten gearbeitet“, sagt er. Von den Karteikarten ist die technische Entwicklung bis heute einen weiten Weg gegangen. Erst verbreiteten sich Computer und Laptops rasant, dann Smartphones, Tablets und ähnliches. Und Jobst-Rüdiger Barnikol ist die technische Entwicklung mitgegangen. „Als ich in den Ruhestand ging, wollte ich das nicht brachliegen lassen und Wissen weitergeben“, sagt er. Er habe etwas Sinnvolles machen wollen. Als er das sagt, stutzt er kurz und fügt hinzu: „Also, es ist jetzt nicht so, dass ich sonst nur Unsinniges tue.“
Barnikol hat ein freundliches und offenes Lächeln, er wirkt aufrichtig interessiert an dem, was andere sagen und hört aufmerksam zu. Er erzählt auch gerne aus seinem Leben. Er ist in Kaiserswerth geboren und aufgewachsen, lebte berufsbedingt in Hilden, arbeitete in Wuppertal und Solingen.
Jetzt ist er wieder in Kaiserswerth, in seinem Elternhaus, das bis unters Dach gefüllt ist mit Musik. „Ich bin leidenschaftlicher Plattensammler“, sagt er. Rock- und Popmusik der 60er und 70er-Jahre ist ihm die liebste. „Ich bin aber auch Neuem gegenüber aufgeschlossen“, betont der Fortuna-Fan, der gerne mit dem Rad zum Stadion fährt und jahrelang eine Dauerkarte hatte. Hinter dem Ehrenamt steht immer auch ein Mensch.
Zu der Offenheit, die die Caritas-Mitarbeiterin so an ihm schätzt, gehört nicht nur die Offenheit technischen Neuerungen – und offenbar auch der Musik – gegenüber. Auch die gegenüber Menschen, die bei seiner Tätigkeit unabdingbar sei. Das Caritas Zentrum International ist in erster Linie eine Anlaufstelle für Menschen, die nach Deutschland eingewandert sind. So auch das angeschlossene Internetcafé. Barnikol hat dort Männer und Frauen aus der ganzen Welt begrüßt, die aus allen Himmelsrichtungen nach Deutschland geflohen, oder aus sonstigen Gründen eingewandert sind. „Für mich ist das Entscheidende nicht, woher jemand kommt, sondern wie der Mensch an sich ist“, sagt er.
Im Unterricht spricht Barnikol meistens Deutsch mit den Teilnehmenden. Sein Englisch sei zwar gut, doch helfe es beim Erwerb der deutschen Sprache, sie auch im Internetcafé zu verwenden. Die Lernwilligen kommen aus ungezählten Erdregionen: Afghanistan, Syrien, Italien, Rumänien und Ruanda sind nur einige Beispiele. Doch auch Deutsche nehmen Barnikols helfende Hand in Anspruch. Diese seien dann meist schon etwas älter, nicht mit der ganzen Technik aufgewachsen und versuchten, sich in dem Wirrwarr zurechtzufinden.
Frau Hillen ist eine von ihnen. Die 72-Jährige schätzt die Hilfe, die ihr bei der Caritas angeboten werden, sehr – besonders die Art ihres „Lehrers“ Barnikol. Er sei sehr geduldig, sagt sie. „Ich kann auch vier oder fünfmal nachfragen, wenn ich etwas nicht gleich verstehe.“ Wenn sie mit ihrem Smartphone zur Beratung in entsprechende Geschäfte gehe, fühle sie sich dagegen nicht ernst genommen, gar abschätzig behandelt. „Ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass ich keine Ahnung habe, oder etwas älter bin – oder eine Frau“, sagt sie. Gut, dass sie das Angebot von Herrn Barnikol nutzen kann, seit nun elf Jahren. Oder zwölf. Lange jedenfalls; und auch die Frage nach dem roten Punkt konnte beantwortet werden. Eine Aufforderung der Dropbox, erklärt Barnikol. Frau Hillen versteht das jetzt und verabschiedet sich: „Bis nächste Woche dann.“