Diskussion im Schauspielhaus Ein Blick auf Düsseldorf in 50 Jahren

Düsseldorf · Wie bleibt die Stadt auch in ferner Zukunft attraktiv? Was muss sie bieten? Das waren die Fragen beim Podium „Düsseldorf 2070“ im Schauspielhaus.

Hier diskutiert Düsseldorf über die Zukunft
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Foto: Anne Orthen (ort)

50 Jahre geschafft – das ist ein guter Anlass, dieselbe Zeitspanne in die Zukunft zu spiegeln und zu überlegen, wie sich das Leben in der Stadt in den kommenden fünf Jahrzehnten entwickeln wird. Dazu hatte das Schauspielhaus jetzt eingeladen mit der Podiumsdiskussion „Düsseldorf 2070“ – Teil des Programms zum Jubiläum des Theaters.

Über das Zusammenleben in einer ferneren Zukunft, die wohl noch viel deutlicher von der Digitalisierung geprägt sein wird als die Gegenwart, diskutierten Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung NRW, und Shaylin Shahinzad, früher Mitglied im Düsseldorfer Jugendrat, mit Moritz Döbler, Chefredakteur der Rheinischen Post, Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE), sowie Thorsten Nolting, Vorstand der Diakonie. Sie alle gingen mit nachdenklichen, aber durchaus optimistischen Positionen in diesen Abend. Gefragt nach der Zukunft der Zeitung in einer digitalen Welt, sagte etwa Döbler: „Zeitung wird sich verändern, aber das ist keine schlechte Nachricht.“ Es gebe weiter ein Bedürfnis nach handwerklich gut recherchierten Inhalten. Darum werde es auch in 50 Jahren noch ein Bedürfnis nach journalistischen Angeboten geben, in welcher technologischen Form auch immer. „Unser Job ist es nicht, Menschen dazu zu erziehen, gedruckte Zeitung zu lesen, sondern ihnen relevante Inhalte zu bieten.“

Auch Museumschefin Gaensheimer geht davon aus, dass sich die Stadtgesellschaft getrieben von der Digitalisierung stark wandeln wird. „Wahrnehmungsstrukturen verändern sich, digitale Kommunikation dominiert, doch das steigert das Interesse an direkter Begegnung, an originalen Kunstwerken und die Aufmerksamkeit für die Präsenz des Körpers“, sagte sie. Das sei natürlich auch für Theater spannend.

Die Frage des Intendanten Wilfried Schulz, der den Abend zusammen mit Theaterpädagogin Saliha Shagasi moderierte, ob damit auch die Differenz zwischen Produzent und Publikum schwinde, bejahte Gaensheimer. „Wir wissen spätestens seit Beuys, dass die Grenzen fließend sind, und beziehen die Sichtweisen unseres Publikums ein.“

Prognosen sind immer ein Wagnis, noch dazu, wenn sie so weit in die Zukunft greifen, wie es an diesem Abend verlangt war. Doch der Wettbewerbsökonom Justus Haucap hält es für einigermaßen sicher, dass Städte wie Düsseldorf weiter wachsen. „Die Urbanisierung wird weiter voranschreiten, mit all ihren Herausforderungen insbesondere in den Bereichen Wohnen und Verkehr“, lautete seine These. Zugleich werde die Gesellschaft viel älter sein, ältere Menschen aber seien weniger mobil. „Darum werden die Städte wahrscheinlich eher in die Höhe wachsen, das spart Platz und verkürzt die Wege“, so Haucap.

Dass es für ein lebendiges, urbanes Miteinander frei zugängliche Orte geben muss, war Diakonie-Chef Thorsten Nolting wichtig. Düsseldorf sei nicht nur Kö, sondern auch Kölner Straße, es seien also alle sozialen Schichten vertreten. „Ich wünsche mir, dass die Durchlässigkeit in Zukunft noch größer wird, Unterschiede weniger spürbar“, sagte Nolting. Doch gebe es natürlich Tendenzen, die dem entgegenwirken. Eine Gefahr sieht er etwa, wenn Wohnraum in der Stadt nur noch für wohlhabende Menschen gebaut werde. „Es wird darauf ankommen, dass es genug konsumfreie öffentliche Räume und Plätze im Herzen der Stadt gibt“, so Nolting, „nur das kann dem Auseinanderdriften von Arm und Reich entgegenwirken.“

Vielfalt im öffentlichen Raum verlangt auch respektvollen Umgang miteinander und eine gewisse Neugier auf alles Unbekannte. Auch Shaylin Shahinzad, die als Medizinstudentin in einer Initiative zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen mitarbeitet, betont diesen Toleranzaspekt: „Ich war sechs Jahre Mitglied im Jugendrat, das war natürlich ein großes Privileg. Andere junge Leute haben das nicht, sie sind vielleicht talentiert, etwa im Tanz, finden aber keine Räume, um zu trainieren.“ Eine Stadt wie Düsseldorf müsse daher offene Räume für diverse gesellschaftliche Gruppen bieten, um auch in Zukunft ein respektvolles Miteinander zu unterstützen.

Bei der Frage nach der Zukunft des demokratischen Systems gab es die größte Reibung auf dem Podium. Teilhabe, auch für benachteiligte Menschen, sei eine wichtige Voraussetzung für Demokratie. Demokratie dürfe nicht nur auf ihre moralische Überlegenheit pochen, sondern müsse auch beweisen, dass sie Nutzen stifte, sagte Döbler.

Auf die abschließende Frage, ob sie mit Blick auf 2070 eher auf Utopie oder Dystopie setzen, überwog am Ende das Votum für die Utopie.

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