Platz und Berufskolleg in Düsseldorf Der Name Franz Jürgens steht in Frage

Düsseldorf · Ein Platz, eine Straße und ein Berufskolleg in Düsseldorf sind nach dem Polizisten benannt, der Widerstand gegen das NS-Regime leistete. Doch er war auch an der Deportation von Juden beteiligt. Die Jüdische Gemeinde fordert eine Umbenennung.

Eine historische Aufnahme von Franz Jürgens. Der Polizist war an der „Aktion Rheinland“, aber auch an der Deportation von Juden beteiligt.

Foto: Stadtarchiv

Die Jüdische Gemeinde in Düsseldorf fordert eine Umbenennung der Straßen und des Berufskollegs, die nach dem Polizisten Franz Jürgens benannt sind. Jürgens war Teil der Widerstandsgruppe „Aktion Rheinland“, die im April 1945 die Stadt kampflos den Amerikanern überlassen wollte, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Doch zuvor hatte Jürgens über mehrere Jahre die Schutzpolizei im hessischen Darmstadt geleitet – und dort den Transport von jüdischen Frauen, Männern und Kindern in die Vernichtungslager verantwortet.

„Eine Person, die für die Deportation von mehr als 500 Menschen verantwortlich war, kann nicht Namensgeber für Straßen und Schulen sein“, sagt Oded Horowitz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf. Er fordert, dass die Stadtverwaltung sich mit der umstrittenen Biografie auseinandersetzt, Stellung bezieht und schlussendlich den Namen ändert.

Am Jürgensplatz liegt heute das Polizeipräsidium, das Franz-Jürgens-Berufskolleg ist der Ort, an dem er hingerichtet wurde. „Wer eine Schule nach Nazis wie Franz Jürgens benennt, kann nicht glaubhaft behaupten, seine Schüler im Lichte von Prinzipien wie Menschenwürde, Wahrhaftigkeit und kritischer Auseinandersetzung mit der Geschichte zu bilden“, sagte Daniel Neumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde von Darmstadt, der Jüdischen Allgemeinen, die zuerst über die Diskussion berichtete.

Die Umbenennung sei durchaus ein Prozess, der eine Kettenreaktion auslösen und viele weitere Straßen betreffen könnte, sagt Horowitz. „Die Vergangenheit Düsseldorfs ist in Farben ausgedrückt tiefbraun.“ Es sei denkbar, dass es noch weitere Straßen und Plätze gebe, deren Namensgeber nicht geeignet seien. Doch genau diese Fragen seien über Jahrzehnte nicht allzu stark beachtet worden, sagt Horowitz. Um das aufzuarbeiten, müsse sich die Stadt ehrlich machen und die Straßen umbenennen.

Die städtische Mahn- und Gedenkstätte könne dazu einen wichtigen Beitrag leisten, sagt Oded Horowitz. Diese hat schon lange auf die Deportationen von Darmstadt aufmerksam gemacht und arbeitet seit 2019 die Ereignisse und die Biografien aller Akteure der „Aktion Rheinland“ auf. In einer Vortragsreihe, die seit April läuft, geht die wissenschaftliche Mitarbeiterin Andrea Ditchen den Hintergründen auf die Spur. Am 6. Juni widmet sie sich in einem Werkstattvortrag dem Fall Franz Jürgens und wird ihn im Licht neuerer archivarischer Quellen und Erkenntnisse vorstellen.

„Ich bin froh, dass das nun so gründlich aufgearbeitet wird“, sagt Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU). „Ich kann nur allen Interessierten empfehlen, sich diese Vorträge auf dem neuesten Stand der Forschung anzuhören, um sich dann ein Urteil zu bilden. Ich gehe davon aus, dass wir dann Franz Jürgens, den wir schon in den vergangenen Jahren nicht mehr als ‚Held‘ eingestuft, sondern sehr kritisch behandelt haben, in einem klaren Licht sehen werden.“

Man sei sich der hoch problematischen Biografie von Franz Jürgens bewusst und auf Grundlage der neuen Forschung werde man seinen Lebensweg neu bewerten müssen, heißt es von der Stadt. Die Rede ist also von Aufarbeitung, bislang aber nicht von Umbenennung. Der Oberbürgermeister bleibt allgemein: Er wünsche sich eine breite Debatte darüber, wie in Zukunft die Stadtgesellschaft, die Politik, die Polizei und andere Akteure mit der historischen Figur Franz Jürgens umgehen werden, so Keller. „Diese Diskussion zu führen, halte ich für sehr wichtig für die Stadt.“

Auch die Polizei, deren Präsidium am Jürgensplatz liegt, sei sich der Ambivalenz, die der Personalie Franz Jürgens innewohnt, bewusst und gehe seit vielen Jahren transparent damit um, heißt es. Eine Folge aus dieser Aufarbeitung: Die Gründung des Polizei-Geschichtsvereins.

Es wäre nicht die erste Straße in Düsseldorf, die aufgrund eines umstrittenen Namensgebers in Frage steht. Der Rat hat vor zwei Jahren beschlossen, zwölf belastete Straßen umzubenennen, die Namen von Kolonialisten oder Nazi-Sympathisanten tragen. Derzeit laufen die Öffentlichkeitsbeteiligungen in den Bezirken. Die Porschestraße in Flingern etwa könnte bald „Ilna-Wunderwald-Straße“ heißen, die Schlieffenstraße in Mörsenbroich könnte zum Radschlägerweg werden.

Bei weiteren 24 Straßen, deren Namensgeber diskussionswürdig sind, sollen Zusatzschilder angebracht werden, die zeigen, dass die Person auch kritisch gesehen wird. Der gesamte Prozess dauert nun schon mehrere Jahre: 2018 hatte der Kulturausschuss die Mahn- und Gedenkstätte und das Stadtarchiv beauftragt, mit einem wissenschaftlichen Beirat alle Straßen und Plätze zu untersuchen, deren Namensgeber nach 1870 gestorben sind und in der Kolonial- oder Nazizeit Verbrechen begangen haben.