Notfallversorgung in Düsseldorf „Patientensicherheit hat höchste Priorität“

Düsseldorf · Die Notfallambulanzen verzeichnen steigende Fallzahlen, zudem kommen viele Patienten, die keine akuten Notfälle sind. Die Klinikärzte betonen, dass eine Neuorganisation nicht zu Lasten des Patienten gehen darf.

 Ein Rettungswagen fährt an der Zentralen Notaufnahme der Uniklinik Düsseldorf vorbei. 

Ein Rettungswagen fährt an der Zentralen Notaufnahme der Uniklinik Düsseldorf vorbei. 

Foto: dpa/Marius Becker

Steigende Patientenzahlen werden immer mehr zur Herausforderung für die Notaufnahmen der Krankenhäuser. In der Zentralen Notaufnahme (ZNA) des Evangelischen Krankenhauses (EVK) erhöhte sich die Zahl von 25.050 im Jahr 2017 auf 27.819 im Jahr 2019. In der Notaufnahme der Uniklinik wurden 2019 43.646 Patienten versorgt, sieben Prozent mehr als 2018 (das als Streikjahr aber nicht komplett repräsentativ war). An der Uniklinik gibt es zudem weitere Anlaufpunkte für spezielle Notfallpatienten wie Kinder-, Frauen- oder Augenklinik. Alleine in der Notaufnahme der Kinderklinik wurden 2019 19.000 Patienten behandelt. Das Florence-Nightingale-Krankenhaus in Kaiserswerth verzeichnete 36.000 Patienten und geht von einer Steigerung um weitere 1000 in diesem Jahr aus. Dorthin kommen einer Sprecherin zufolge viele Patienten ohne Umwege, weil ihnen der Weg zur Notfallpraxis in Bilk zu weit ist.

Ohnehin sind nicht alle Patienten, die sich in der Notaufnahme vorstellen, tatsächlich ein Fall fürs Krankenhaus. Im Marienhospital soll das sogar für die Hälfte aller Fälle gelten, die die Notaufnahme ansteuern – im vergangenen Jahr 20.100. Georg Welty ist Leiter der Notaufnahme und kommt sich manchmal vor, „als ob ich eine Hausarztpraxis leiten würde“. Eine Sprecherin des Florence-Nightingale-Krankenhauses sagt: „Das Spektrum reicht vom schweren lebensbedrohlichen Notfall über Unfallverletzte bis hin zu leichten Erkrankungen.“ In der Uniklinik wird aber betont, dass nur drei bis fünf Prozent der Patienten bei der Ersteinschätzung in die Kategorie „Nicht dringend“ eingestuft werden. „Alle anderen haben ein ernsthafteres gesundheitliches Problem, das zunächst eine entsprechende Diagnostik und Therapie in der ZNA erforderlich macht, bevor dann eine ambulante Weiterbehandlung erfolgen kann“, sagt ein Sprecher. Etwa 28 Prozent der Patienten müssten stationär aufgenommen werden.

Eine vom Bundesgesundheitsministerium geplante Reform der Notfallversorgung soll nun deren bisher weitgehend getrennte Sektoren – ambulant, stationär und rettungsdienstlich – zusammenführen. Im folgenden ein Überblick über die Situation in Düsseldorf.

Wie ist die Notfallversorgung in Düsseldorf organisiert? Die vom Verein „Notdienst Düsseldorfer Ärzte“ betriebene Notfallpraxis nutzt seit 2005 Räume am Evangelischen Krankenhaus. Sie wird von den niedergelassenen Ärzten selbst organisiert, um eine ambulante Versorgung außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten zu gewährleisten. Sie ist also für jene Fälle gedacht, mit denen man zu einem niedergelassenen Arzt gehen würde, wenn einer geöffnet hätte. Sechs Fachärzte sind in der Notfallpraxis im Einsatz: Internist, Orthopäde, Neurologe, Kinderarzt, Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Gynäkologe. (Die augenärztliche Notfallpraxis befindet sich inzwischen an der Uniklinik.)

Mit der Notfallpraxis nicht zu verwechseln ist die ambulante Notfallversorgung in den Krankenhäusern. Dorthin sollen sich nur Patienten wenden, deren Beschwerden so stark sind, dass sie im Krankenhaus versorgt werden müssen. In Düsseldorf verfügen acht Krankenhäuser über eine Zentrale Notaufnahme: Uniklinik, EVK, Marienhospital, Florence-Nightingale-Klinik, St.-Martinus-Krankenhaus, Schön-Klinik sowie die Sana-Kliniken Gerresheim und Benrath.

Zur Notfallversorgung gehören zudem die Notrufnummer 112 und die Hotline 116 117 – der kassenärztliche Bereitschaftsdienst, der Patienten an eine geöffnete Bereitschaftspraxis verweist.

Was sind die Herausforderungen? Eine große Herausforderung in der Notaufnahme sei es – insbesondere bei hohem Patientenaufkommen –, frühzeitig den Schweregrad der Erkrankung oder Verletzung zu identifizieren, heißt es im EVK. „Wir verwenden hierfür mit Erfolg ein fünfstufiges Triagesystem von rot (= sofort behandeln!) bis blau (= nicht dringend zu behandeln)“, sagt eine Sprecherin. Auch in der Zentralen Notaufnahme der Uniklinik entscheidet über die Wartezeit nicht die Reihenfolge der Ankunft, sondern die Schwere der Erkrankung. „Alle Patienten erfahren nach Ankunft in der ZNA und Abschluss des Ersteinschätzungsprozesses ihre Behandlungspriorität“, sagt ein Sprecher. „Die große Herausforderung ist, eine große Vielfalt an Patienten zu behandeln, die aktuell sonst keinen Zugang zur ambulanten Versorgung finden“, sagt Michael Bernhard, Ärztlicher Leiter der ZNA. Auch saisonale Unterschiede setzten den Mitarbeitern zu, etwa in den späten Wintermonaten, wenn es gewohnheitsgemäß eine Häufung von Erkrankungen gebe.

Was sollte sich ändern? „Ein wichtiges innovatives Konzept wäre die Einführung eines Systems, das die Behandlungskapazitäten der einzelnen Krankenhäuser zeitaktuell darstellt“, sagt der Chefarzt der Notaufnahme am Florence-Nightingale-Krankenhaus, Martin Pin. „Somit kann der Rettungsdienst immer sehen, welche Klinik gerade über die besten Behandlungsmöglichkeiten für den Notfallpatienten verfügt.“ Zudem brauche es „eine enge Verknüpfung von stationärer und ambulanter Notfallversorgung“. Ambulante Patienten würden in der Notaufnahme abschließend behandelt und stationäre Aufnahmen vermieden.

Pin weist auf die Notwendigkeit hin, eine auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmte Versorgung zu etablieren – zu der unbedingt Notfallmediziner gehören. „Die Patientensicherheit hat absolute Priorität. Wir müssen zunächst die Hochrisiko-Patienten identifizieren. Deswegen müssen Notfallpatienten von ausgewiesenen Notfallmedizinern in modernen Strukturen und nach wissenschaftlich etablierten Verfahren untersucht und behandelt werden“, sagt Pin. Erst danach könne entschieden werden, ob ein Patient stationär aufgenommen werden muss.

Das bestätigt Alexander Kleophas, Leiter der Zentralen Notaufnahme im EVK. Die „weitere und konsequente Nutzung von Triagesystemen“ sei notwendig. Im EVK ist zudem eine Aufnahmestation eingerichtet worden: „Hier können wir Patienten versorgen, bis die Diagnostik abgeschlossen ist und klar ist, ob ein Patient im Krankenhaus bleiben muss oder von dort wieder entlassen werden kann.“

Michael Bernhard, Ärztlicher Leiter der Zentralen Notaufnahme an der Uniklinik, wünscht sich einen gemeinsamen Tresen, an dem Krankenhausärzte die Entscheidung zwischen kassenärztlicher Versorgung und Notfallbehandlung treffen. Voraussetzung sei eine „gute und enge Kooperation mit den Kassenärzten – dann rund um die Uhr“. Auch „eine räumliche, personelle und apparative Weiterentwicklung der Zentralen Notaufnahmen“ sei notwendig.

Georg Welty vom Marienhospital fände es richtig, wenn die niedergelassenen Ärzte in einem bestimmten Radius um ein Krankenhaus verpflichtet würden, sich um Patienten zu kümmern, die von der Notaufnahme gezielt zu ihnen geschickt werden. Abweisen würde er Patienten aber nie. „Man muss sie untersuchen und dann entscheiden, was notwendig ist.“

Wie viele solcher gemeinsamen Tresen in Düsseldorf eingerichtet werden könnten, ist unklar. In der Vergangenheit hat es Debatten um die Einrichtung einer zweiten Notfallpraxis der niedergelassenen Ärzte gegeben. Gesundheitsdezernent Andreas Meyer-Falcke betont, der Gesetzgeber könne Zielvorgaben machen; im Detail müssten die Akteure sich miteinander einigen. Ein weiterer Standort ergebe Sinn, wenn beide nicht zu nah aneinander seien. „Zu viele Standorte sind aber natürlich nicht unbedingt nur ein Vorteil, weil man gewisse Fallzahlen braucht, um die Kompetenz zu erwerben.“ Klar sei aber, dass auch künftig keine Notaufnahme Patienten wegschicken werde, die dort Hilfe suchen.

Welche Fälle befeuerten die Debatte? Ende 2017 starb in der Düsseldorfer Uni-Klinik der siebenjährige Muhammad Elias, laut Obduktion litt der Junge an einer bakteriellen Lungenentzündung. Seine Mutter hatte das Kind zuvor mehrfach in die Notfallpraxis und schließlich in das benachbarte Evangelische Krankenhaus gebracht. Der Tod des Kindes hatte intensive Debatten um die Notfallversorgung in Düsseldorf ausgelöst.

Der Vater von Füchschen-Chef Peter König musste im Marienhospital einige Stunden warten. Der Verdacht eines Schlaganfalls stand im Raum. Vater und Sohn verließen auf eigene Verantwortung empört das Krankenhaus. Der Patient war zwar von einer erfahrenen Kraft beurteilt und ein Schlaganfall ausgeschlossen worden, ein Arzt aber kam wegen anderer dringender Fälle nicht. König machte den Fall öffentlich. Das Krankenhaus räumte später ein, dass die Kommunikation hätte besser sein können.

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