Wahlabend Parteien zwischen Frust und Freude

Düsseldorf · Das war ein langer Abend im Rathaus. SPD und CDU bangten um die Prozentpunkte, verglichen dauernd Stadt- und Landesergebnisse. Für beide blieb es ein Wechselbad der Gefühle. Nur die Grünen und die Linkspartei hatten konsequent Grund zur Freude. Und bei der FDP war die Stimmung tief im Keller.

 FDP-Ratsfrau Gerhild Kocks (l.) und Landtagskandidat Rainer Matheisen (dahinter) sind wie ihre Parteifreunde entsetzt über das Ergebnis.

FDP-Ratsfrau Gerhild Kocks (l.) und Landtagskandidat Rainer Matheisen (dahinter) sind wie ihre Parteifreunde entsetzt über das Ergebnis.

Foto: RP, Achim Hüskes

17.30 Uhr im Rathaus Es sickert eine Prognose der Wahlergebnisse durch, die auch in Berlin und in der Staatskanzlei kursiert. Danach liegen CDU und SPD gleichauf, die Linke ist im neuen NRW-Landtag vertreten, die FDP hat sich gehalten, die Grünen legen deutlich zu. Ganz klar: Das Ende der schwarz-gelben Koalititon zeichnet sich ab. Entsetzte Gesichter bei der CDU, sie muss offenbar einen Verlust von zehn Prozentpunkten hinnehmen. Betretene Mienen bei der FDP. Frust macht sich breit. Nur wenige Meter entfernt, in der kleinen Cafeteria des Rates, trifft sich — traditionell — die SPD. Rappelvoll ist es dort, und die Stimmung verhalten euphorisch. Die SPD liegt im Land überraschend nah bei der CDU.

18.05 Uhr Tosender Jubel dröhnt durchs Rathaus. Die Grünen haben gerade ihre Erfolgszahlen gesehen und freuen sich bei Obstsalat, Bier und Erdbeertorte. Ein Stockwerk höher gucken die Liberalen voller Unglauben auf den kleinen TV-Schirm. Sie haben ihr Ergebnis im Vergleich zu Landtagswahl 2005 zwar leicht verbessert. Aber man hatte schon auf mehr gehofft, insgeheim an einen Erfolg wie bei der Bundestagswahl 2009 gedacht, als man bei knapp 18 Prozent lag. Aber das spricht keiner aus, denn davon ist man sehr weit entfernt.

18.06 Uhr Bei der CDU herrscht Schweigen. Von SPD und Grünen hallt der Jubel herüber. Peter Preuß, der im Süden der Stadt für die CDU kandidiert, hat Tränen in den Augen. Sein Wiedereinzug in das Landesparlament wackelt.

18.07 Uhr Bei der Linken, die sich in einer Nische des Rathaus-Treppenhauses eingerichtet haben, umarmt man sich. Linken-Fraktions-Chef Frank Laubenburg triumphiert, hat angeblich mit diesem Ergebnis gerechnet.

18.10 Uhr Im Fernsehen spricht eine euphorische Sylvia Löhrmann, Chefin der Grünen. Jetzt werde es in NRW endlich eine gerechtere Schulpolitik geben. Die Liberalen stöhnen kollektiv auf: Ein Einheitsschule ist für sie des Teufels. Löhrmann: "Wir haben unser Ziel erreicht!" Als sie das sagt, nickt FDP-Chefin Gisela Piltz mit düsterer Miene. Die Düsseldorfer Grünen bejubeln ihre Landeschefin mit stehendem Applaus. Es scheint klar, dass sie mit zwei Sitzen im Landtag vertreten sein werden. "Jetzt stellt sich nur noch die Machtfrage", sagt die Landtagsabgeordnete Monika Düker und hofft, dass es für Rot-Grün reichen wird.

18.30 Uhr Die SPD jubelt, als sich die Hochrechnungen stabilisieren. Eine rot-grüne Mehrheit im Landtag, obwohl auch die Linke es geschafft hat, damit hatten die Genossen in ihren schönsten Träumen nicht gerechnet. Und in Anlehnung an das Fortuna-Ergebnis tönt es: Wir holen 3:1 Wahlkreise in Düsseldorf. Bei den Liberalen schwankt die Stimmung zwischen Nervosität und Sarkasmus. "Was wollt ihr denn — immerhin sind wir drin!" meint einer und erinnert an Zeiten, als die FDP aus dem Landtag katapultiert wurde. Nebenan geraten sich FDP-Chefin Gisela Piltz und die Ratsfrau Monika Lehmhaus aneinander. Lehmhaus, sichtlich gefrustet, sieht auch Verantwortung beim FDP-Bundes-Chef Guido Westerwelle. Dafür muss sie sich von der stellvertretenden Bundesvorsitzenden einen heftigen Rüffel gefallen lassen. Der Frust bei der CDU ist groß. "Dass es so desaströs wird, hätte ich nicht gedacht", sagt Ratsherr Stephan Friedel. "Wir werden uns kritische Fragen stellen müssen", sagt sein Fraktionskollege Andreas Hartnigk.

18.40 Uhr Auf dem TV-Bildschirm spricht eine sichtlich aufgekratzte Hannelore Kraft. Der Frau ist der Triumph anzusehen — und dann sagt sie diesen Satz: "In NRW regiert jetzt Rot-Rot-Grün!" Stille im Raum, dann: "Hat sie Rot-Rot-Grün gesagt?" Ja, hat sie. Ein Versprecher? Die Liberalen sind sich einig: Wenn es sein muss, wird die SPD die Linke mit einbinden. "Jetzt wird Düsseldorf geschröpft!" sagt FDP-Bürgermeisterin Marie-Agnes Strack-Zimmerman. "Schöner Mist", sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Olaf Lehne. "Wir haben doch gute Arbeit gemacht." Die Nervosität steigt. Werden es die CDU-Kandidaten schaffen? OB Dirk Elbers (CDU) glaubt fest daran. "Das macht uns doch die Arbeit leichter, wenn alle vier Jungs drin bleiben."

19.10 Uhr Vor der Cafeteria hält SPD-Chefin Karin Kortmann eine improvisierte Rede vor den jubelnden Parteifreunden, dankt der Basis für den Einsatz und bescheinigt der Partei, dass sie Vertrauen zurückgewonnen hat und in Düsseldorf wieder von sich reden macht.

Ab 19.20 Uhr "Wahnsinn, das hätte ich nicht gedacht", jubelt Stefan Engstfeld von den Grünen. Der 40-Jährige hat gleich auf Anhieb den Einzug in den Landtag geschafft. Die Düsseldorfer SPD ist niedergeschmettert, je mehr sich die Düsseldorfer Wahlergebnisse stabilisieren. Keiner ihrer Kandidaten wird einen Wahlkreis geholt haben. Die Trauer nach dem Jubel ist groß. Tröstende Umarmungen gibt es für die Kandidaten und aufmunternde Streicheleinheiten. In die Stille klingt diesmal der dröhnende Beifall aus dem Sitzungssaal der CDU für ihre erfolgreichen Kandidaten herüber.

19.40 Uhr Jetzt steht fest: Alle vier CDU-Kandidaten haben ihre Wahlkreise erneut direkt gewonnen. "Fleiß wird eben doch belohnt", sagt Olaf Lehne und erntet spontanes Gelächter. Dennoch ist die Freude groß: "In solch einer schwierigen Situation alle Wahlkreise geholt zu haben, ist ein echter Erfolg", sagt Jens Petersen.

(RP)
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