Gründer in Düsseldorf „Deutsche haben alles mindestens dreimal durchdacht“
Düsseldorf · Auch in Düsseldorf gibt es viele Migranten, die Firmen gründen. Orhan Tançgil von „Koch dich türkisch“ tauschte sich mit Thomas Jarzombek (CDU) aus.
„Türk gibi başla – alman gibi bitir“ ist türkisch und heißt übersetzt: „Starte wie ein Türke – beende es wie ein Deutscher.“ Damit sind die unterschiedliche Mentalität und Vorgehensweise bei Firmenneugründungen gemeint. „Wir rennen schnell los, gründen schnell, und während wir rennen, reparieren wir bereits“, sagt Orhan Tançgil. „Deutsche hingegen überlegen, fragen drei Rechtsanwälte, vier Steuerberater und fünf Freunde, bevor es zu einer Firmengründung kommt. Deutsche haben alles mindestens dreimal bis zum Ende durchdacht. Wir machen einfach.“
So wie es eben auch Orhan und Orkide Tançgil vor einigen Jahren mit ihrem Unternehmen „Koch dich türkisch“ gemacht haben. Sie begannen in einem 40 Quadratmeter großen Ladenlokal in Flingern damit, zu zeigen, dass die türkische Küche nicht nur aus Döner besteht. Inzwischen arbeiten die Tançgils auf 500 Quadratmetern, bieten Kochkurse, Lebensmittel, Weine und Kochbücher an der Flurstraße an. Orhan Tançgil ist nach eigener Aussage einer von nur sechs türkischen Weinhändlern in Deutschland, hat fünf Kochbücher geschrieben und drei davon im eigenen Verlag auf den Markt gebracht.
Die Gründungsbegeisterung bei Menschen mit Migrationshintergrund fiel auch dem Bundestagsabgeordneten Thomas Jarzombek auf. Der 49-Jährige ist Leiter der CDU-Arbeitsgruppe „Aufstieg durch Gründung“ und hatte kürzlich zu einem Informationsgespräch in die Räume von „Koch dich türkisch“ eingeladen. „Die Gründungsquote der migrantischen Bevölkerung in Deutschland ist doppelt so hoch wie die der nicht-migrantischen Bevölkerung“, sagt Jarzombek. Diese Gründerszene sei gut ausgebildet, risikobereit und stärke den Standort Deutschland und Düsseldorf. „Was wir von anderen Kulturen lernen können, ist, dass man nicht immer alles bis zum letzten durchdenkt, sondern einfach mal macht“, sagte der Politiker.
Sein Blick auf die Start-up-Szene habe ihn gelehrt, dass viele von den erfolgreichen Firmenneugründern ursprünglich mit etwas ganz anderem anfingen und auf dem Weg dahin merkten, dass das nicht funktioniere. Einige haben den ursprünglichen Plan zwei-, dreimal geändert, bis sie das Modell gefunden haben, mit dem sie erfolgreich sind.
So wie Orhan Tançgil. Er ist eigentlich Ingenieur und entwickelte und implemtierte schon Softwareprogramme, obwohl noch nicht alle Fehlerquellen ausgeräumt waren. „Man muss akzeptieren, dass ein Lernprozess dazugehört, auch im laufenden Prozess. Man kann einfach nicht im Vorhinein, selbst wenn man meint, alles durchdacht zu haben, wirklich an alles gedacht haben.“ Die Praxis sei eben etwas anderes als die Theorie.
Für Firmengründungen in Deutschland seien vor allem die mangelnde Risikobereitschaft der Banken und damit die Finanzierung neuer Ideen hinderlich. „Um einen Kredit zu bekommen, muss ich mich komplett ‚ausziehen‘ und oft wird die Finanzierung dennoch verwehrt“, ärgert sich Tançgil. „Es gibt aber andere Finanzierungsmöglichkeiten, wie Paypal. Die gucken auf mein Konto und 20.000 Euro kann ich mit drei Klicks bekommen.“ Bürokratische Hemmnisse müssten abgebaut werden, Integrationsarbeit in der Gründerszene müsse in beide Richtungen laufen, weil man gegenseitig voneinander lernen kann, und die gesellschaftliche Einstellung, dass Scheitern keine Option ist, müsse sich ändern. Vielmehr sollte der Mut, sich selbstständig zu machen, anerkannt werden, so Tançgil. Dazu zähle auch der Mut, Geschäftsmodelle zu verändern. „Die Änderung der Null-Fehler-Kultur ist wichtig. Dafür müssen auch die unterschiedlichen Mentalitäten miteinander verzahnt werden“, sagt Jarzombek. „Um etwas zu verändern, braucht man irgendwo einen Startpunkt. Vielleicht braucht man dafür mal eine Person in der Verwaltung, die sich damit im Sinne eines ‚Change Agents‘ beschäftigt.“