Andreas Schmitz "Olympia kann für NRW große Chance sein"

Düsseldorf · Der neue IHK-Präsident spricht über China, die Ausschüttungen der Messe, mehr Starts und Landungen sowie eine Olympiabewerbung.

 IHK-Präsident Andreas Schmitz in seinem Büro: "Ich befürworte eine Ausweitung der Starts und Landungen pro Stunde in Düsseldorf."

IHK-Präsident Andreas Schmitz in seinem Büro: "Ich befürworte eine Ausweitung der Starts und Landungen pro Stunde in Düsseldorf."

Foto: Antje Andreas Bretz

Andreas Schmitz ist ein China-Kenner. Als Chef der Bank HSBC Trinkaus hat er dort Geschäfte gemacht. Seit Jahren sammelt er chinesische Kunst. In seinem Büro, das er als Aufsichtsratschef an der Kö hat, ist ein Gemälde des Künstlers Zhang da Zhong aus den 1990er Jahren. Es ist Schmitz' erstes Bild aus China und ihm daher besonders lieb. Etwas für den zweiten Blick ist ein Berg Steine des Künstlers LI Hongbo. Steine? Schmitz freut sich stets, wenn Besucher ratlos schauen, und klärt auf: Es sind Papierkugeln, die sich wie ein Leporello auseinanderziehen lassen, gefertigt aus chinesischen Zeitungen. "Kritik kann schlagend sein wie Steine", sagt er. China mit seinen Widersprüchen wird für ihn auch als neuer Präsident der IHK Düsseldorf ein Thema bleiben.

Sie haben angekündigt, dass Sie die Beziehungen in den asiatischen Raum ausbauen wollen. Welche Bedeutung hat China für Düsseldorf?

Schmitz Das Rheinland ist für China die wichtigste Region in Deutschland, wichtiger als Hamburg, wo der Austausch begann, und viel wichtiger als Berlin. Düsseldorf ist als Mittelpunkt eines Ballungsraums mit 25 Millionen Menschen für viele chinesische Unternehmen attraktiv. Von den rund 900 chinesischen Unternehmen, die sich in NRW angesiedelt haben, haben rund 400 ihren Sitz in unserem Kammerbezirk.

Wirtschaftsminister Gabriel steht dagegen auf der Bremse. Er will nun mit einem Investitionsschutzgesetz chinesische Investoren stoppen . . .

Schmitz Deutschland hat wie Frankreich, Großbritannien, den USA und auch China das Recht einzuschreiten, wenn durch Übernahmen Sicherheitsinteressen berührt werden. Deshalb prüft der Minister die Übernahme des Aachener Maschinenbauers Aixtron. Grundsätzlich aber müssen die Märkte offen sein. Wir dürfen nicht vergessen, welche Fortschritte China gemacht hat. Das Land hat gegenüber Maos Zeiten 500 Millionen Menschen aus der Armut geholt. Es wandelt es sich zu einer modernen Industriegesellschaft mit einer Mittelschicht, die auch politisch selbstbewusster wird.

Wächst China zulasten anderer Länder, wie Donald Trump meint?

Schmitz Seit der Finanzkrise ist das Gewicht Europas an der Weltwirtschaft von 30 auf 22 Prozent gesunken, das von China von 7,5 auf 15 Prozent gestiegen. Die USA haben ihren Anteil in dieser Zeit etwa bei 24 Prozent gehalten. Daraus folgt, dass das Wachstum Chinas zu Lasten Europas, weniger zu Lasten Deutschlands, erfolgt ist.

Sie waren jetzt mit Gabriel in China. Was können wir von China lernen?

Schmitz Anders als Europa hat China eine Strategie, die es auch umsetzen wird. Hierzu gehört die technologische Modernisierung, eine forcierte Industriepolitik. Beispiel: Förderung der Elektromobilität) und die Ausdehnung seines wirtschaftspolitischen Einflussbereichs wie Neue Seidenstraße oder "One belt, one road"-Strategie. Was bei uns Industrie 4.0 heißt, heißt dort "China 2025" und wird mit mehr Einsatz verfolgt. Eine analoge europäische Strategie oder wenigstens ein abgestimmtes europäisches Vorgehen ist demgegenüber kaum vorhanden.

Hochpolitisch ist auch der Handel mit Russland. Soll der Westen die Sanktionen aufheben?

Schmitz Wir akzeptieren den Primat der Politik, auf die Ukraine-Krise mit Sanktionen zu reagieren. Wer hätte sich vor zehn Jahren vorstellen können, dass in Europa Grenzen gewaltsam verschoben werden? Doch die deutsche Politik sollte - sobald es diese gibt - erste Anzeichen für eine Deeskalation auf russischer Seite auch honorieren. Gerade deutsche Mittelständler leiden unter den westlichen Sanktionen und russischen Gegenmaßnahmen. Zug um Zug kann man die Lage verbessern.

Sie haben angekündigt, dass Sie ein "konstruktiv-kritischer Partner" der Politik sein wollen. Wo sehen Sie den größten Nachholbedarf?

Schmitz Entscheidungen müssen schneller gehen, die Bürokratie vereinfacht werden. Der Staat muss mehr in Infrastruktur und Breitbandausbau investieren. Der Dauerstau im Land wird zum Wachstumshemmnis, für diese Entwicklung ist die A1-Brücke nur ein Fanal. Bis dahin war mir nicht wirklich bewusst, dass Infrastrukturvorhaben auf die lange Bank geschoben werden müssen, weil es dem Land an Planungskapazitäten fehlt. Mein Vorschlag lautet daher, dass Nordrhein-Westfalen in der nächsten Bundesregierung den neuen Bundesverkehrsminister stellen sollte.

Wieso das?

Schmitz Bayern ist mit Blick auf die Verteilung der Bundesmittel sehr gut damit gefahren, dass es über Jahre den Minister gestellt hat.

2017 ist Landtagswahl in NRW. Was erwarten Sie hier?

Schmitz Wir müssen die wohltemperierte Mutlosigkeit angesichts des deutlicher und dringlicher werdenden Veränderungsbedarfs im Land stoppen. Wir brauchen ein Miteinander von Industrie, Wirtschaft und Politik, um weiter an einer modernen Industriegesellschaft zu bauen. Wirtschaftsminister Garrelt Duin sieht das genauso, konnte sich in seiner Regierung aber nicht immer durchsetzen. NRW darf nicht länger Schlusslicht bleiben.

Ein großes Projekt des Landes könnte eine Olympiabewerbung sein. Was halten Sie davon?

Schmitz Olympia kann für jedes Land eine große Chance sein, auch für NRW. Zumal man inzwischen erkannt hat, dass die Zeit der teuren Superlative vorbei ist. Gerade für NRW wäre es die Gelegenheit, seine marode Infrastruktur zu verbessern und damit auch einen Impuls für die Wirtschaft zu geben. Das Beispiel Hamburg aber zeigt, dass man die Bevölkerung frühzeitig mitnehmen muss.

Die IHK hält einen Anteil an der Messe Düsseldorf. Dort ist kürzlich kontrovers über die von OB Thomas Geisel geforderte Ausschüttung debattiert worden. Wie stehen Sie dazu?

Schmitz Messechef Werner Dornscheidt macht einen hervorragenden Job und hat eine der ganz wenigen profitablen Messegesellschaften in Deutschland geschaffen. Der Wunsch der Eigentümer zu einer Dividende ist zwar verständlich. Allerdings dürfen diese auf keinen Fall den Investitionsplan der Messe beeinträchtigen, um damit Haushaltslöcher zu stopfen.

Welche Wünsche haben Sie als neuer IHK-Präsident an Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD)?

Schmitz Herr Geisel sollte die vielen Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung in einem Konsolidierungskonzept bündeln und dieses dann auch konsequent umsetzen. Auch der Ausbau des E-Governments kann einen Beitrag leisten, um die Verwaltung bürgernah und effizient zu gestalten.

Sie sind Banker. Wie stehen Sie zu der Debatte um die schwindende Schuldenfreiheit Düsseldorfs?

Schmitz Die Schuldenfreiheit war ja keine Null-Kredit-Politik, sondern das Synonym für eine gut wirtschaftende Stadt. Ob da nun plus oder minus eins vor steht, ist unerheblich. Die Rückkehr zu soliden Stadtfinanzen bedeutet nicht nur für die Stadt einen größeren Spielraum bei künftigen Projekten, um ihre Attraktivität zu halten, sondern wäre auch ein klares Signal verlässlicher Rahmenbedingungen an ansässige und ansiedlungsinteressierte Unternehmen. Angesichts des sehr hohen Steueraufkommens und der größten Zuweisungen des Bundes seit Jahrzehnten muss man attestieren, dass Düsseldorf kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem hat.

Ihr Vorgänger Ulrich Lehner gilt als Verfechter einer Kapazitätserweiterung am Airport. Dagegen regt sich Widerstand. Was ist Ihr Kurs?

Schmitz Alle wollen fliegen, argumentieren aber bei Infrastrukturprojekten wie Flughafen oder dem Ausbau des Reisholzer Industriehafens nach dem Motto "not in my backyard". Daran krankt unsere Gesellschaft. Ich befürworte eine Ausweitung der Starts und Landungen pro Stunde in Düsseldorf. Grundsätzlich dauern unsere Entscheidungsprozesse bei Infrastrukturprojekten einfach zu lange.

THORSTEN BREITKOPF UND ANTJE HÖNING FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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