Freilicht-Wohnzimmer vor dem Rathaus Obdachlose fordern bezahlbaren Wohnraum

Düsseldorf · Ludwig Marchlewitz sieht man die Brüche in seinem Leben an. Vor allem seine Augen verraten, dass er vom Schicksal nicht verwöhnt wurde. "Mehrere Monate war ich auf Platte, hab' in Kaiserswerth mitten im Winter draußen im Schlafsack gelegen. Das war schlimm,", sagt der gelernte Bergmann.

 Mit einem improvisierten Wohnzimmer unter freiem Himmel protestierten Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben oder hatten, am Rathaus für bezahlbare Wohnungen.

Mit einem improvisierten Wohnzimmer unter freiem Himmel protestierten Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben oder hatten, am Rathaus für bezahlbare Wohnungen.

Foto: Bretz, Andreas

Alkohol, Scheidung, Jobverlust ließen ihn auf der Straße landen. Für ein paar Monate. Heute hat er wieder ein Dach über dem Kopf. Gerade deshalb sitzt er gestern Vormittag gegen 11 Uhr vor dem Rathaus in der Altstadt, demonstriert in einem provisorisch aufgebauten Freilicht-Wohnzimmer (Sofa, Sessel, Tisch und Deckenfluter) gemeinsam mit Freunden von der Obdachlosenzeitschrift "fiftyfifty" für bezahlbaren Wohnraum in Düsseldorf.

"Die Stadt zieht Menschen an, die Mieten steigen rasant. Selbst für Niedriglöhner gibt es kaum noch bezahlbare Wohnungen, dafür stehen fast eine Million Quadratmeter Büroraum leer", sagt Oliver Ongaro, der als Sozialarbeiter die fiftyfifty-Verkäufer betreut. Seine Furcht: Obdachlose — zurzeit sind es in der Stadt geschätzt 300 bis 400 — fallen komplett durch den Rost eines überhitzten Wohnungsmarktes. "Die Sozialbehörden übernehmen nur Mieten bis etwa sieben Euro pro Quadratmeter. Wo soll es künftig in Düsseldorf solche Wohnungen noch geben?" fragt er.

Nur wenige Passanten werfen einen kurzen Blick ins Freiluft-Zimmer. "Bezahlbarer Wohnraum, das wird in dieser Stadt ein großes Problem", sagt Stefano Masi. Der 73-Jährige lebt seit kurzem im St. Anna-Stift, hat sein eigenes Heim vor kurzem aus gesundheitlichen Gründen verkaufen müssen. Mehr Interesse bekundet die Polizei. Sie moniert, ein solcher Aufbau direkt am Rathaus hätte angemeldet werden müssen.

Von der Politik lässt sich SPD-Parteichef Andreas Rimkus blicken. Er fordert ein kommunales Programm für bezahlbaren Wohnraum. "Es gibt Modelle, bei denen in einem Haus ein Drittel der Wohnungen gefördert wird, ein Drittel Eigentümern gehört und ein weiteres Drittel frei vermietet wird." Auch könne der Erwerb von Bauland durch Wohnungsgenossenschaften subventioniert werden.

(RP/jco)
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