Kampf um Chef-Sessel im Rathaus OB-Wahl in Düsseldorf: David gegen Goliath

Düsseldorf · Das Rennen um den Chef-Sessel im Rathaus der Landeshauptstadt wird wohl zwischen zwei Männern entschieden, die kaum unterschiedlicher sein könnten: Hier Amtsinhaber Dirk Elbers (CDU), dort Herausforderer Thomas Geisel (SPD).

 Amtsinhaber Dirk Elbers (CDU, rechts) und Herausforderer Thomas Geisel (SPD).

Amtsinhaber Dirk Elbers (CDU, rechts) und Herausforderer Thomas Geisel (SPD).

Foto: Bretz

Es gibt Politiker, die sind froh, wenn sie unterschätzt werden. Weil sie wissen, dass man von dieser Position aus besser beobachten, den Gegner analysieren kann, um dann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, gezielt anzugreifen. Dirk Elbers, seit 2008 Oberbürgermeister in Düsseldorf, sollte man nicht unterschätzen.

Das wissen die klugen Strategen im und ums Rathaus — selbst wenn sie nicht zu den Freunden des Christdemokraten zählen. Dass er ein Machtmensch und hart im Nehmen ist, wenn es drauf ankommt, hat Elbers in den vergangenen Wochen wieder einmal bewiesen: Einen Hüftbruch steckte er verblüffend rasch weg, absolvierte dienstliche Termine im Akkord, legte die Krücken weg und blieb stehen beim einzigen direkten Duell, das er sich mit seinem Herausforderer Thomas Geisel von der SPD lieferte. Wohl wissend um die Wucht der telegenen Wirkung seiner 1,97 Meter gegen den deutlich kleineren Sozialdemokraten.

Und während Geisel sachlich, durchdacht - aber nach dem Geschmack nicht weniger (vor allem Männer) zu milde - entlang der wichtigen Themen der Stadt argumentierte, schaltete Elbers auf volle Konfrontation. Ließ eine Flut von Sätzen über Geisel nieder, schimpfte, lächelte herablassend, schüttelte den Kopf, nannte ihn "Mein Lieber". Ob er damit Sympathien sammelte? Spielte keine Rolle. Da stand einer, der kämpfen konnte.

Das kann Geisel auch. Dass der leidenschaftliche Marathonläufer einen langen Atem hat, beweist sein Wahlkampf. Der begann vor etwas mehr als einem Jahr, als die Düsseldorfer SPD den damals 49-Jährigen überraschend als ihren Kandidaten für die OB-Wahl präsentierte.

Der Schachzug, an dem Ministerpräsidentin Hannelore Kraft laut parteiinternen Kreisen maßgeblich mitgewirkt haben soll, schien klug: ein Mann, der in unterschiedlichen Management-Positionen gearbeitet hat, zuletzt in der Energiewirtschaft, mit reichlich internationaler Erfahrung, der ein halbes Dutzend Sprachen fließend spricht, Durchsetzungskraft hat, sich kirchlich engagiert und dazu noch mit einer Familie lebt, die dem Bilderbuch entsprungen scheint. Mit so einem Kandidaten sollte sich in einer urbanen Metropole wie Düsseldorf die schwarze Hochburg schleifen lassen.

Geisel, ganz Vollblutsportler, machte von Beginn an Tempo. Kammerempfänge, Schützenfeste, Sportereignisse, Karneval - kaum ein Termin in der Stadt, bei dem er nicht anzutreffen war. Er spielte Querflöte für das Projekt "Gemeinsam gegen Kälte" von Thomas Beckmann, er schlug Rad bei der Karnevalsgesellschaft Radschläger, er wurde Mitglied des Heimatvereins Düsseldorfer Jonges, zeigte bei den Karnevalskostümen Kreativität und Humor, führte Gespräche mit den Entscheidern in der Stadt, auch mit den Chefs der städtischen Töchter, um klarzumachen, wie er als OB führen würde, besuchte Betriebe, Vereine, Verbände, diskutierte auf Podien und mit einfachen Bürgern. Fühlte vor, wo der Kultur der Schuh drückt. Machte die Stadtteile zu seinem Thema. Oft dabei an seiner Seite: Ehefrau Vera, die trotz der vier gemeinsamen Kinder, ebenfalls in einer Führungsposition arbeitet.

Und Elbers? War Oberbürgermeister, leitete Sitzungen, eröffnete Feste, sprach Grußworte, setzte mit der seit 1999 regierenden schwarz-gelben Mehrheit Großprojekte wie Kö-Bogen und Wehrhahn-Linie um, schiffte das Unternehmen Rathaus durch eine globale Finanzkrise, ohne die wirtschaftliche Schuldenfreiheit aufzugeben und die Reserven gänzlich aufzubrauchen. Er pendelte zwischen Schützenfest im Stadtteil und First-Class-Dienstreise nach Asien.

Er holte selbstbewusste Frauen in Führungspositionen, mit Verkehrsdezernent Stephan Keller und Kämmerer Manfred Abrahams auch Beigeordnete, die bei SPD und Grünen geachtet sind. Dennoch ist der Ton in der Stadtverwaltung mit immerhin fast 10.000 Mitarbeitern im Laufe der sechs Jahre unter Elbers rauer geworden, es herrscht Misstrauen. Dabei hatte die Belegschaft Entspannung erwartet, als er 2008 das Amt übernahm.

Unter seinem nach schwerer Krankheit verstorbenen Vorgänger Joachim Erwin (CDU) war Elbers Chef der größten Ratsfraktion und als Bürgermeister erster Stellvertreter des OB gewesen. Mächtige Positionen, die Erwin jedoch in einem sehr engen Korsett zu halten wusste. Elbers galt, auch bei vielen in den Reihen der Opposition, in dieser Konstellation als Sympathieträger. Als humorvoller Repräsentant, der auch mal ein offenes Ohr für die Argumente der Anderen hatte. Liberal, mit einem Hang zu den Grünen. Offen und weich, wo Erwin konservativ und knallhart war. Bei Erwin lief Bloomberg im Fernsehen, bei Elbers Lindenstraße und Rosamunde Pilcher. Immer fest an Elbers‘ Seite: die FDP mit den führenden Köpfen Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Manfred Neuenhaus. Daran hat sich bis heute nichts geändert, Strack-Zimmermann verzichtete für ihn sogar auf eine eigene OB-Kandidatur. Dass Elbers der Kronprinz war, stand schon zu Erwins Lebzeiten fest. Gerade deshalb war auch er oft unter Beschuss des Rathaus-Chefs.

Des Wertes von dessen Erbe war sich Elbers dennoch bewusst, machte im OB-Wahlkampf 2008 "Weiter so" zu seinem Motto und siegte mit fast 60 Prozent gegen die Sozialdemokratin Karin Kortmann, die auch als Kandidatin der Grünen antrat. Die Erwartungen waren hoch, als der Betriebswirt, der zuvor die Immobilien des Grafen von Spee verwaltet hatte, das Amt übernahm. Und viele unterschätzten ihn.

Sein Misstrauen, sein Pochen auf absolute Loyalität. Mancher musste im Streit das Rathaus oder Tochterunternehmen verlassen, weil Elbers sein Vertrauen missbraucht sah. Eskaliert ist dieser Prozess bei der so genannten Feuerwehr-Affäre.

Im Streit um nicht bezahlte Überstunden hatte ein Feuerwehrmann bei Facebook einen Kommentar gepostet, der mit dem Gedanken spielte, nicht zu löschen, wenn es bei Elbers mal brennen würde. Zehn weitere Feuerwehrmänner zeigten offen ihre Sympathien - die Folge waren vorläufige Suspendierungen. Eine harte Entscheidung , die bundesweit Wellen schlug. Elbers hatte, aus seiner Sicht tief im Vertrauen verletzt, impulsiv reagiert, nicht auf die klugen Ratgeber, die es in seinem Umfeld gab, gehört. Am Ende nahm er die Suspendierung zurück, nicht ohne die medienwirksame Entschuldigung der Feuerwehrmänner.

Geisel war es im Wahlkampf ein Vergnügen, die von Elbers Verschmähten in seinem Unterstützer-Lager zu versammeln. Seine Fettnäpfchen und vermeintlichen Skandale zu thematisieren — von der IDR-Affäre, bis zur Aussage, im (verschuldeten) Ruhrgebiet nicht tot über dem Zaun hängen zu wollen. Elbers skizzierte er als schlechten "Verwalter" von Erwins Werk, verkündete diese Botschaft auch an Erwins sechstem Todestag per Internet-Video.

Die Hinterbliebenen waren empört. Geisels Kernnachricht ist aber klar: Mit ihm als OB kehren Entspannung und ein offener Umgang ins Rathaus ein, auch in die gesamte Stadt. Weltoffenheit und Weltläufigkeit demonstriert Geisel mit einem Wahlaufruf in 15 Sprachen. Er will Wohnen in Düsseldorf für alle erschwinglich machen und sieht das als guten Grund, um Schulden aufzunehmen.

Die wirtschaftliche Schuldenfreiheit der Stadt ist für ihn ohnehin ein "Märchen" aus schwarz-gelben Zeiten. Provokation gehört auch für ihn zum Konzept, besonders in den letzten Tagen des Wahlkampfs — so lädt er seine Unterstützer (darunter manche Promis aus der Düsseldorfer Gesellschaft) zur Schifffahrt mit Rathaus-Blick ein, lässt sein Konterfei auf Elbers-Projekte wie den Kö-Bogen projizieren, rechnet noch mal vor, dass verschuldete (und SPD-regierte) Städte wie Bochum oder Köln deutlich mehr Geld pro Schüler ausgeben als das reiche Düsseldorf.

Elbers wird sich darüber sicherlich ärgern, offen anmerken lässt er sich das nicht. Der gebürtige Düsseldorfer hat nicht so ein Fremdsprachtalent, ist sein Leben lang der Heimatstadt treu geblieben. Dafür spürt er, dass die Masse der Düsseldorfer Wähler sich nicht allzu tief in politische Feinheiten begibt. Dass viel wichtiger ist, ob das Kind einen Kita-Platz hat und der vielleicht noch gebührenfrei ist. Dass sie sich freuen, über den neuen sommerlichen Aufenthaltsort, der am Rande des Hofgartens entstanden ist, weil die Autos nun durch Tunnel fahren. Dass sie stolz sind auf ihre attraktive und wohlhabende Stadt.

Und er weiß auch um Geisels politische Fettnäpfchen: Dass der frühere Energiemanager mitten im Wahlkampf dafür plädierte, die umstrittene Erdgasförderung Fracking nicht zu tabuisieren, war mutig und ehrlich — sorgte aber nicht nur in seiner Partei für Verärgerung. Auch mit der Idee von neuen Schulden können sich viele, auch die Grünen als Wunschpartner der SPD, nicht anfreunden.

Welches Konzept am Ende aufgeht, wird sich am Wahlabend zeigen. Gegen 21 Uhr steht fest, ob Elbers oder Geisel im ersten Wahlgang siegt. Oder ob es zur Stichwahl und erst am 15. Juni zum endgültigen Showdown kommt.

(rp)
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