Kolumne: Mein Düsseldorf O du einsame

Düsseldorf · Ein Lob auf den späten Geschenkekauf, wenn die meisten schon zuhause sind. Doch diese Idee wird leider beliebter.

 Erst wenn die Masse der anderen längst zuhause ist, wird sich unser Autor Hans Onkelbach heute ins Einkaufsleben stürzen.

Erst wenn die Masse der anderen längst zuhause ist, wird sich unser Autor Hans Onkelbach heute ins Einkaufsleben stürzen.

Foto: Andreas Bretz

Zugegeben - es braucht starke Nerven. Man darf nicht zart besaitet sein und muss ans rheinische Grundgesetz glauben, das da sagt "et hätt noch immer jot jejange". Dennoch sollte es eine klare Planung geben.

Ist alles das erfüllt, steht ihm nichts im Wege: dem entspannten Einkaufen ab heute Mittag. Heute? Heiligabend? Mittag?

Ja - wir sprechen vom heutigen Tag. Vom Ende der mehrwöchigen Shopping-Rallye, von der der deutsche Einzelhandel sagt, sie sei die beste aller Zeiten gewesen. Vermutlich auch die stressigste, jedenfalls für Kunden und Verkäufer/innen.

Aber nicht für uns. Als (leider wachsende) Minderheit pirschen wir erst dann durchs feindliche Einkaufsleben, wenn die Masse der anderen längst zuhause ist und mit dem letzten Rest ihrer Energie die Beute verpackt, den Braten in die Röhre schiebt, sich überzeugt, den Schampus kalt gestellt und den Kartoffelsalat angerührt zu haben. Sich also die Hektik von Kö und Co. nach Hause verlagert und auf das große Finale zusteuert, das in einigen Stunden - zuerst furios und dann hoffentlich besinnlich - diesen alljährlichen Irrsinn beendet. (Bis am kommenden Dienstag der Umtausch- und Gutschein-Einlöse-Wahnsinn einsetzt!).

Zwar wird laut Handelsverband NRW der Last-Minute-Einkauf beliebter, auch wenn es zur Bedeutung von Heiligabend keine verlässlichen Zahlen gibt. Am Mittag wird es aber schon ruhiger, und die Atmosphäre ist eine andere. Jetzt sind wir (und einige andere!) dran. Denn wir haben entschieden, uns den über mehrere Wochen dauernden Konsumkrieg zu ersparen. Also hören wir frühzeitig auf die geschickt gestreuten Hinweise der Gattin und erwerben ein paar Geschenke bereits vor Mitte November, bevor der Knopf von "alles ok" auf "totale Hektik" umgelegt wird. Oder wir warten. Und warten. Bis heute!

Irgendwann, nach 11 Uhr, starten wir und fahren in die Stadt. Locker, denn wir wissen, was wir wollen. Es gibt für noch nicht gekaufte Geschenke eine konkrete Idee. Und einen Plan B. Denn selbst eine so perfekt ausgestattete Stadt wie Düsseldorf kennt den Mangel. Da ist die Rolex GMT in Stahl halt aus, und es gibt nur noch das 2000 Euro teurere Modell. Oder Wolford muss beim schwarzen Spitzenbody passen, hat aber noch den in coolem Anthrazit. Im Kaufhaus hat man zu wählen zwischen sechs statt zehn Playmobil-Burgen, die Auswahl bei Lego tendiert von "erschlagend" zu "übersichtlich" - aber unterm Strich ist nirgendwo wirklicher Engpass. Alles noch da. Ausreichend.

Vor allem gilt das für Speis und Trank. Dieser Tag, nämlich der Heiligabend, heißt bei den Lebensmittelhändlern der Frische-Tag. Denn der Deutsche frönt der irrigen Annahme, der heute da liegende Seebarsch auf dem Eis der Auslage sei bis Mitternacht noch arglos durchs Eismeer geschwommen, das Rinderfilet am Abend zuvor noch Teil einer glücklichen Kuh im Allgäuer Stall gewesen und die Riesengarnele just in time wenige Stunden zuvor ins Netz gekrochen. Alles Blödsinn! Ob ich das Zeug heute kaufe oder gestern gekauft hätte - das macht nur einen marginalen Unterschied. Bis auf den Stressfaktor: Gestern wäre es der pure Nahkampf mit erbarmungslosen Gegnern gewesen, heute stehe ich fast allein im Laden, in die müden Augen abgekämpfter Verkäufer blickend.

Also kaufe ich fröhlich ein, erst den Fisch, dann die Wurst, am Ende das Brot oder was auch immer. Schlimmstenfalls kaue ich auf der harten Nachricht, statt 25 Salami-Sorten nur noch 15 vor mir zu haben, und statt Seezunge nehme ich Scholle, statt Lachs womöglich Thunfisch oder Hering: Egal - bedrohlich scheint mir das nicht.

Bei den Geschenken für die Chefin daheim ist das Ganze natürlich etwas riskanter - da muss es die qualitativ gleichrangigen Pläne B und C geben, falls A nicht klappt. War bisher nie ein Problem - noch immer haben wir alles bekommen, was wir wollten. Oder adäquate Alternativen.

Für die anderen Jungs jeden Alters, die um diese Zeit bar jeder Vorstellung ein Geschenk suchen, gibt es bei den Verkäufern/-innen einen schönen Begriff: Panikkäufer nennt man die. Denn die brauchen den Erfolg um jeden Preis, buchstäblich. Beim Einzelhandel sind diese Kunden sehr beliebt - Torschlusspanik (13 oder 14 Uhr ist Schluss!) killt jeden Igel in der Tasche.

Hans Onkelbach

(RP)
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