Notfallseelsorge Düsseldorf Wenn Helfer Hilfe brauchen

Düsseldorf · In Düsseldorf leisten 37 ehrenamtliche Notfallseelsorger einmal im Monat einen 24-Stunden-Dienst. Sie sind auf der Suche nach Verstärkung.

 Pfarrer und Notfallseelsorger Olaf Schaper (l.) mit den ehrenamtlichen Notfallseelsorgern Sharon Majhen und Christian Helbig.

Pfarrer und Notfallseelsorger Olaf Schaper (l.) mit den ehrenamtlichen Notfallseelsorgern Sharon Majhen und Christian Helbig.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Sie hatte in jener Nacht längst geschlafen, ihr Mann war arbeiten. Als es plötzlich an der Haustür klingelte. Die Polizei stand da und ein Mann in schwarzer Jacke, der mit ihr sprach. Die Nachricht war kaum zu verstehen, schon gar nicht zu verkraften: Ihr 19-jähriger Sohn war tot, ein Unfall. Der Mann, der mit Doris Babczynski in jener Augustnacht 2015 redete, war Olaf Schaper, evangelischer Pfarrer und Leiter der Düsseldorf Notfallseelsorge, der zufällig Dienst hatte. Nun wendet er sich an die Öffentlichkeit, weil sein Team selbst Hilfe braucht: „Wir suchen dringend ehrenamtliche Kräfte.“

Wenn irgendwo eine Katastrophe geschieht, wenn Menschen traumatisiert sind, werden die Notfallseelsorger alarmiert. Sie waren bei der Love-Parade 2010 in Duisburg im Einsatz. Und nach dem Flugzeugabsturz von Germanwings 2015. Und nach dem Brand im Marienhospital 2019. Sie sind meist die ersten, die Menschen in Krisensituationen, nach Unfällen und Anschlägen beistehen. Aber vor allem sind es die stillen, die alltäglichen Einsätze jenseits der Katastrophen, wenn plötzlich jemand tot im Bett liegt und die Angehörigen fassungslos sind, wenn sich ein Mensch das Leben genommen hat, wenn Eltern den Albtraum erleben, den man „plötzlicher Kindstod“ nennt. Rund 300 Mal wird das Team von Polizei, Feuerwehr, Notärzten im Jahr gerufen. Immer, wenn ein Mensch gebraucht wird, der eine Weile bleibt, der den Schmerz mit aushält, tröstet.

Bei Doris und Bartosch Bab­czynski übernahm Notfallseelsorger Schaper die Aufgabe, der schockierten Mutter genau zu erklären, was passiert war. Bis sie die Nachricht irgendwann verstanden hatte. „Er hat meine Hand gehalten und mir zugehört“, erinnert sie sich viereinhalb Jahre später. Und er hat die Eltern einen Tag später in die Rechtsmedizin begleitet, damit sie Abschied nehmen konnten von ihrem Sohn – und hat den Toten gesegnet. „Das hat uns sehr geholfen“, sagt das Paar.

In Düsseldorf leisten 37 ehrenamtliche Kräfte ein Mal im Monat einen 24-Stunden-Dienst. „Wir brauchen dringend Verstärkung, zumal einige gerade ausgeschieden sind, weil sie krank geworden oder weggezogen sind.“ Und zumal die Welt unruhiger geworden sei, häufig werden auch aus anderen Städten Helfer  angefordert. Die Neulinge werden von Psychologen in intensiven Schulungen auf ihren Einsatz vorbereitet, bekommen auch Einblicke in die Arbeit der Rechtsmedizin und der Trauma- und Kinderschutzambulanz. „Leicht ist diese Arbeit nie“, sagen erfahrene Notfallseelsorger. Aber das Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles zu leisten, das haben sie wohl alle. Wie Sharon Majhen, mit 29 Jahren die jüngste im Team. Sie ist Elektronikern, kam über ihren Bruder dazu und berichtet von Einsätzen, bei denen sie immer wieder eine große Dankbarkeit von Hinterbliebenen erlebt. Was das in ihr auslöst? „Eine starke Lebensenergie.“

In den Schulungen lernen künftige Notfallseelsorger auch, die Balance zu erlernen zwischen Empathie und Distanz, einerseits mitzufühlen, aber das Leid anderer nicht zu nah an sich heranzulassen. Und zu erspüren, was in einem Moment gerade gebraucht wird. „Jeder Einsatz ist anders“, berichtet Christian Helbig (40), Vollzugsbeamter, der seit zwei Jahren als Notfallseelsorger im Einsatz ist. Oft seien viele fremde Menschen um einen Trauernden, der Notarzt, Polizeibeamte, der Bestatter. Dann ginge es darum, Ruhe zu schaffen und jemandem beizustehen im schlimmsten Moment seines Lebens. Und manchmal bleibt der Kontakt. Doris und Bartosch Babczynski treffen heute noch den Notfallseelsorger aus jener Sommernacht. Sie haben durch seine Anregung Kontakt zu anderen Eltern aufgenommen, die ein Kind verloren haben und die Initiative „Echo“ gegründet, die sich nun regelmäßig trifft.

Ausbildung Die Schulung für Notfallseelsorger beginnt am 27. Juni und wird nach den Sommerferien an zehn Samstagen fortgesetzt. Gesucht werden Menschen mit Einfühlungsvermögen, zwischen 30 und (ca.) 65 Jahren, die im christlichen Glauben verankert sind und einer Kirche angehören. Bewerbungen bis 1. Mai an: Notfallseelsorge@evdus.de

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