Geschichte „Im Namen des Volkes...“: Neues Buch über die Justiz in der NS-Zeit

Düsseldorf · Der neunte Band in der Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte beleuchtet die Rechtsprechung in Düsseldorf von 1933 bis 1945. Gewidmet ist er Anne-José Paulsen.

 Stellten das Buch vor (v. l.):  Bastian Fleermann, Anne-José Paulsen, Jürgen Kron, Hildegard Jakobs und Peter Henkel.

Stellten das Buch vor (v. l.):  Bastian Fleermann, Anne-José Paulsen, Jürgen Kron, Hildegard Jakobs und Peter Henkel.

Foto: Foto Michael Gstettenbauer Stadt Düsseldorf

Mindestens 88 Todesurteile haben Düsseldorfer Gerichte während der NS-Zeit gefällt. Düsseldorfer Richter entschieden über Zwangssterilisationen, sie urteilten über politische Gegner der Nationalsozialisten und verhängten Zuchthausstrafen gegen sie. Einen Überblick über die Rechtsprechung im nationalsozialistischen Düsseldorf gibt jetzt der neue Band in der „Kleinen Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte“, der seit Mittwoch im Buchhandel erhältlich ist.

„,Im Namen des Volkes…‘: Das Düsseldorfer Oberlandesgericht und die Justiz im Nationalsozialismus“ heißt das im Droste-Verlag erschienene Buch, dessen Mitherausgeber das NRW-Justizministerium ist. „Wir haben uns entschieden, die gesamte Rechtsprechung in Düsseldorf in der NS-Zeit zu betrachten“, sagte der Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, Bastian Fleermann. Er ist auch einer der Autoren des Werks, ebenso seine Stellvertreterin Hildegard Jakobs und Peter Henkel von der Planungsgruppe Haus der Landesgeschichte NRW.

Die Ordentliche Gerichtsbarkeit in Düsseldorf – Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht – wurde in dem Band ebenso in den Blick genommen wie etwa das Gefängnis Ulmer Höh’, die Anklagebehörden und jene Gerichte, die es nur in der NS-Zeit gab. Dazu gehören das 1933 gegründete und am Martin-Luther-Platz untergebrachte Sondergericht für politische Straftaten, das Anerbengericht, das sich mit Erbfragen bei landwirtschaftlichen Betrieben befasste, und das 1934 gegründete Erbgesundheitsgericht. Hier wurden allein im ersten Jahr fast 500 Sterilisationen in Düsseldorf angeordnet. „Ein Verbrechen, das bis heute etwas im Verborgenen mitschwingt“, so Fleermann: „Es war uns wichtig, auch das zu beleuchten.“ Auch auf die Akteure der Justiz zwischen 1933 und 1945 schauen die Autoren: die regimetreuen, die Karriere machten, und diejenigen, die entlassen oder in die Emigration gedrängt wurden.

Zum Konzept der Reihe gehört, existierende Forschungsergebnisse auszuwählen, zusammenzustellen und aufzubereiten. „Manchmal brechen wir aber dieses Konzept und gehen doch in die Archive und betreiben Grundlagenforschung“, so Fleermann. Optisch ist das Buch ansprechend gehalten, mit vielen großen Abbildungen. „Geschichte wird hier nicht im großen Überflug vermittelt, sondern an Menschen und an bekannten Gebäuden festgemacht, die man wiedererkennt“, sagt der Geschäftsführer des Droste-Verlags, Jürgen Kron.

Der Band ist der langjährigen Präsidentin des Oberlandesgerichts, Anne-José Paulsen, gewidmet. Sie hatte sich um die Aufarbeitung der Justizgeschichte in Düsseldorf während der NS-Zeit verdient gemacht und, so Fleermann, „eindrucksvoll gezeigt, wie eine Behördenleitung souverän und offen mit der eigenen NS-Vergangenheit umgehen kann“.

Paulsen sagte, die Beschäftigung mit dem Thema sei „belastend, aber augenöffnend“: „Es ist für Juristen wichtig zu sehen, was wir mit dem, was wir lernen, alles anrichten können“, sagte Paulsen. Juristen könnten mit ihren Werkzeugen und ihrer Sprache wohl abgewogene Entscheidungen treffen – mit der Verwendung der gleichen Technik aber auch erschreckende Urteile fällen. Es sei wichtig, auch heutige Richtergenerationen zu mahnen: „Seid vorsichtig. Seid demütig mit euren Werkzeugen.“

Das Buch „Im Namen des Volkes...“, Band 9 der Kleinen Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte, 90 S., 7 Euro

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