Düsseldorf Neue Software soll häusliche Gewalt verhindern

Düsseldorf · Frauenhäuser und Frauenberatungsstelle können die Gefährdung potenzieller Opfer jetzt besser einschätzen.

Silvia Röck steht noch unter dem Eindruck ihrer letzten Beratung im Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt. Die Frau, die in dieser Woche vor ihr saß, hat Schreckliches erlebt. In panischer Angst war sie aus dem 8. Stock ihres Wohnhauses auf die Straße gerannt. Ihr Mann hatte sie auch an diesem Tag geschlagen, Zigaretten auf ihrer Schulter ausgedrückt, gedroht, den gemeinsamen sechs Monate alten Sohn aus dem Fenster zu werfen. Die Polizei fand die Frau, wies ihr den Weg in das mehrere hundert Kilometer entfernt liegende Düsseldorfer Frauenhaus. Dort arbeiten Röck und ihre Mitarbeiter seit kurzem mit einem neuen Computer-Programm zur besseren Einschätzung von Hochrisikofällen. "Bislang lief das über Papierbögen, die anschließende Auswertung war kompliziert und zeitaufwendig", sagt Luzia Kleene von der Frauenberatungsstelle, die die neue Software mit entwickelt hat.

Nach der Beantwortung standardisierter Fragen signalisiert das System mit Hilfe einer Ampel (rot-gelb-grün) wie hoch die Gefährdung ist. "Rot heißt nicht automatisch, dass die Frauen ihr Zuhause verlassen müssen. Das entscheiden sie am Ende selbst. Aber wir können klar machen, dass sie stark gefährdet sind und zumindest darüber nachdenken sollten", meint Kleene. Gefragt wird beispielsweise nach Waffen im Haus, nach einer kriminellen Vergangenheit oder psychischen Vorerkrankung des Partners. "Manchen Frauen wird erst im Verlauf des längeren und vertraulichen Gesprächs klar, wie gefährlich beispielsweise ein Würgegriff am Hals sein kann", sagt Röck.

Umgesetzt hat das neue EDV-basierte Gefährdungseinschätzungsverfahren die Firma Rheinfabrik in Friedrichstadt, ein noch junges Unternehmen, das unter anderem "Apps" für Mobiltelefone produziert. Rund 8000 Euro Zuschuss gab es dafür vom NRW-Gesundheitsministerium. Probleme in Sachen Datenschutz fürchten weder die beteiligten Frauenhäuser der Awo und des Vereins "Frauen helfen Frauen" noch die Programmierer. "Selbst Hacker, die kurzfristig auf den Computer zugreifen, können das doppelt geschützte Programm nicht einfach öffnen", sagt Farhoud Cheraghi, der das Programm mitentwickelt hat.

Etwa 80 Frauen werden im Jahr in den beiden Frauenhäusern (jeweils acht Plätze) betreut. Im Awo-Haus hatten 97 Prozent einen Migrationshintergrund. "Die deutschen Opfer häuslicher Gewalt finden oft Zuflucht in Familien oder bei Freunden. Bei Migrantinnen bleibt häufig nur unsere Adresse", erklärt Röck. Weit höher liegt der Beratungsbedarf. Allein Kleenes Beratungsstelle spricht jährlich mit rund 350 Opfern häuslicher Gewalt.

(RP)
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