Die Finanzkrise und die Region Neubeginn für Spanier und Griechen

Düsseldorf · Die Finanzkrise in ihren Ländern zwingt junge Spanier und Griechen dazu auszuwandern. Viele hoffen in der Landeshauptstadt auf eine neue Existenz. In der Düsseldorfer Volkshochschule lernen sie nun erst einmal Deutsch.

Junge Auswanderer in Düsseldorf
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Er hat jeden Tag bis zu 16 Stunden gearbeitet, morgens ab 7 Uhr in der Baufirma seines Vaters, abends in einer Käserei. "Gereicht hat es trotzdem kaum." Schließlich entschied sich Georgios Mavinis (34), seine griechische Heimat zu verlassen. Er nahm Abschied von seiner Familie, seinen Freunden und stieg in ein Flugzeug Richtung Norden — mit großen Hoffnungen im Gepäck. Wie alle jungen Griechen und Spanier, die vor der wirtschaftlichen Krise in ihren Ländern fliehen.

Der Unterricht im Kursus der Volkshochschule "Deutsch als Fremdsprache" ist soeben vorbei, drei Stunden haben sich junge Ausländer mal wieder mit der deutschen Sprache und ihren vielen Konsonanten geplagt. Aber so unterschiedlich ihre Herkunft sein mag, ein Ziel eint sie alle: einen guten Job zu finden. Davon träumt Patricia Gonzalez Calero (23), die in Barcelona Jura studiert hat und trotz ihrer Jugend schon als Anwältin in einer Kanzlei arbeitete. "Ich habe nur 600 Euro verdient — bei einer 40-Sundenwoche, ohne Vertrag und ohne Krankenkasse." Einen Job in einer anderen Kanzlei fand sie nicht. Nun hofft sie auf bessere Chancen, wenn sie neben Englisch auch fließend Deutsch spricht.

Darauf setzt auch Michail Evangelopoulos (21), der — wie viele Griechen — Deutsch schon auf der Schule lernte und in seiner Heimat ein Studium begann. Sein Vater, der ein Ausrüstungsgeschäft für die Gastronomie betreibt, konnte seinem Sohn nur 50 Euro in der Woche geben — 30 Euro für die Miete, 20 Euro fürs Leben. "Es gibt keine staatliche Unterstützung und mehr war einfach nicht möglich." Im letzten November landete er in Düsseldorf, fand sofort einen Job als Barkeeper in der Altstadt, mit dem er genug zum Leben verdient und sich ein Wirtschaftsstudium finanzieren will. Möchte er hierbleiben? "Vielleicht ein paar Jahre, aber mein Traum ist Kanada."

In Deutschland bleiben oder nach Hause zurückkehren, ist für die Spanierin Sabrina Domenech (25) keine Frage. "Das Leben in Barcelona ist wunderbar, das Wetter, das Meer, die Atmosphäre. Wir haben dort alles — nur keine Arbeit." Die junge Frau hat ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium, fand danach einen Job im Qualitätsmanagement eines Unternehmens. Als sie sich verändern wollte, mehr Geld verdienen wollte, stellte sie fest: keine Chance! "Kein Wunder bei einer Jugendarbeitslosenquote von über 40 Prozent."

Stolpersteine im Alltag

Ihr Vater, der als Ingenieur schon häufig Messen in Düsseldorf besucht hatte, riet ihr hierher zu kommen: "Die Stadt gefällt mir sehr", bestätigt sie. Außerdem hat sie ein Zimmer gefunden in einer Wohngemeinschaft in Bilk — mit Mitbewohnern aus Italien, Brasilien und Deutschland. Wovon lebt sie? "Von meinem gesparten Geld." Sie sagt, sie sei glücklich hier, hofft auf einen guten Job, wenn sie den Deutschkursus abgeschlossen hat. Aber eines Tages möchte sie doch wieder nach Barcelona — "wenn die Zeiten wieder besser sind".

"Ich könnte mir auch vorstellen, langfristig in Düsseldorf zu leben", meint die junge Anwältin Patricia Gonzalez Calero. Denn mit dem Abstand sieht sie die Situation in Spanien "kritischer als vorher". Sie weiß, dass sie hier kaum in einer Kanzlei Arbeit finden wird, "aber ich will auch nicht kellnern." Auch Georgios Mavinis aus Griechenland denkt vorläufig nicht an eine Rückkehr. "Zumal ich eigentlich ein Emigrant der Liebe wegen bin." Seine Freundin, Tochter von Griechen, wurde in Düsseldorf geboren. Als sie in Griechenland ihre Ferien verbrachte, verliebten sich die beiden. Zurzeit arbeitet er als Küchenhilfe in einem Bistro, möchte sich aber zum Computer-Spezialisten ausbilden lassen, "das ist schwierig, aber ich will das schaffen".

Der Alltag in der Fremde verläuft nicht ohne Stolpersteine. An die deutsche Pünktlichkeit mussten sie sich alle erst gewöhnen. "Und dann das Wetter", seufzt einer — und alle nicken. "Die Menschen sind sehr zurückhaltend", findet Patricia Gonzalez Calero, "es ist nicht leicht, hier Freundschaften zu schließen". "Das Gemüse schmeckt lange nicht so gut wie zu Hause", witzelt Georgios Mavinis. Um gleich wieder ernst zu werden: "Ich finde es verletzend, wenn ich hier in den Zeitungen von den 'faulen Griechen' lese. Wir wollen doch alle arbeiten. Ich bin bestimmt nicht faul."

(RP/top)
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