Kolumne Auf Ein Wort Natur ist nicht nur Rohstofflieferant

Düsseldorf · Als ich vor Kurzem eine Pressemeldung der Evangelischen Kirche im Rheinland las, musste ich stutzen. War ich aus Versehen auf eine Internetseite von Naturfreunden oder einem Kleingartenverein geraten? "Johannisbeeren und Stachelbeerstauden gepflanzt", hieß es da in der Überschrift.

Damit würde die bienenfreundliche und nachhaltige Anbaupolitik auf dem Gelände des Landeskirchenamts in Düsseldorf an der Hans-Böckler-Straße fortgesetzt, war dort zu lesen.

Szenenwechsel: Ich arbeite unter anderem auch auf der Palliativstation unseres Krankenhauses. Im Gespräch mit einer Patientin, die erkennbar in den letzten Tagen lebt, kommen wir auf die Dinge, die sie zurücklassen muss. Als ich sie frage, was sie am meisten dabei beschäftigt, worum sie sich die meisten Sorgen macht, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen: "Um meine beiden Katzen!" Anschließend erklärt sie mir, wie wichtig die Tiere für sie waren und sind. Wie sehr sie sich wünscht, dass es ihnen gut geht.

"Was für Zeiten, in denen ein Gespräch über Bäume ein Verbrechen ist", formulierte Bertolt Brecht in Zeiten, in denen wir noch nichts von Ed Sheeran und seinen Konzertwünschen in Düsseldorf wussten. Dass der Wald in der deutschen Seele tief verankert ist, wussten wir ja schon länger, aber dass der Kampf um einzelne Bäume eine ganze Stadt erregen kann, ist bezeichnend. Offensichtlich ist es eben ein Zeichen unserer Zeit, dass Bücher zu Bienen zu Bestsellern werden können. Und wir uns gleichzeitig so schwertun, mit Themen wie dem Klimawandel angemessen umzugehen. Wir leben, egal ob in der Vorstadt oder im Zentrum davon, dass die uns umgebende Natur nicht nur Rohstofflieferant, sondern wichtige Atempause ist. Wir können zu Tieren eine Bindung aufbauen, die der zu Menschen zumindest ähnelt. Tröstlich, dass es doch immer wieder gelingt, daraus ein bisschen Hoffnung zu schöpfen. Dass wir die Schöpfung bewahren können. Dass wir mit ihr kommunizieren können. Dass wir Atempausen haben, wenn wir uns auf sie einlassen.

(RP)
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