Bluttaten in Düsseldorf und Erkrath Nachbarn hatten Angst vor Amokläufer

Düsseldorf · Er müsse sein Verhalten bei Konflikten ändern, schrieb ein Richter Yanqing T. vor einem halben Jahr ins Urteil. Da hatte er einen Nachbarn mit einer Hacke niedergeschlagen. Nun soll er drei Menschen getötet haben.

 Die Derfflinger Straße in Rath: Seit vier Jahren lebt Yanqing T. mit seiner Familie dort. Seit Samstag ist er nach den Morden in der Düsseldorfer und einer Erkrather Anwaltskanzlei in Untersuchungshaft.

Die Derfflinger Straße in Rath: Seit vier Jahren lebt Yanqing T. mit seiner Familie dort. Seit Samstag ist er nach den Morden in der Düsseldorfer und einer Erkrather Anwaltskanzlei in Untersuchungshaft.

Foto: Andreas Endermann

Die Namensschilder an Briefkasten und Klingel sind abgerissen. Trotzdem finden immer wieder Kamerateams und Reporter den Weg zu der kleinen Zweizimmer-Wohnung in Rath, in der der Mann wohnte, der am Freitag drei Menschen getötet hat. Zeng T. öffnet keinem. Seit die Polizei sie und ihre Kinder am späten Freitagabend nach Hause gebracht hat, öffnet sie die Tür nur selten, durch die wenige Stunden zuvor ein Spezialeinsatzkommando der Polizei gestürmt war.

Seit vier Jahren lebt Yanqing T., ein aus Shanghai stammender Deutscher, mit seiner Familie in dem Mietshaus, einem hellhörigen Vorkriegsbau mit dünnen Wänden und einer knarrenden Holztreppe. Da kriegt man vom Leben der Nachbarn unweigerlich mehr mit, als man will. Anfangs, sagt Günter Franzke, der für die Wohnungsgenossenschaft nach dem Rechten sieht und mit seiner Frau unter den T.s wohnt, sei man gut miteinander ausgekommen.

Als das Auto des Kochs, der erzählt hatte, in China sei er Meisterkoch gewesen, einmal kaputt war, hat der Rentner den Nachbarn sogar zur Arbeit in einem Pempelforter Restaurant gefahren. Ein paar Monate später schlug T. einem Kollegen vor dem Lokal eine Flasche auf den Kopf, brachte ihm einen tiefen Schnitt im Gesicht bei. "Wenn mir das damals jemand erzählt hätte — ich hätte es wohl nicht geglaubt", sagt Franzke.

Doch zwei Jahre später, als sein Nachbar begann, in seiner Wohnung einen Versand von Babynahrung nach China aufzuziehen, änderte sich Franzkes Wahrnehmung. Zuerst war es der zunehmende Lärm von oben, wenn nach T.s Restaurantschicht Dosen mit Milchpulver aus großen Gebinden gefüllt, lautstark verschlossen und schwere Kisten über den Boden geschoben wurden.

In China war die Nachfrage groß, nachdem dort ein Skandal um quecksilberverseuchte Babynahrung die Eltern verunsichert hatte. Bald schon wurden es immer mehr Kisten, und irgendwann gab T. sogar seinen Koch-Job auf, um sich ganz dem Versandgeschäft zu widmen.

"Tag und Nacht wurde da oben gepackt, sämtliche Lieferdienste standen mehrmals täglich vor der Haustür", sagt Franzke. Einmal bat er den Nachbarn um Ruhe. "Da hat er mich beschimpft." Franzke schrieb an die Wohnungsgenossenschaft, beschwerte sich. Kurz danach lauerte der 48-Jährige, der zwar klein, aber ein trainierter Kampfsportler sein soll, dem Rentner im Keller auf. "Ich spürte einen Luftzug, drehte mich um — da traf mich seine Faust, und er brüllte: ,Ich habe dich gewarnt'."

Danach schlug T. mit einer Hacke auf ihn ein. Erst als Franzkes Frau den Keller betrat, schleuderte er das Werkzeug in eine Ecke und verschwand. "Danach hatte ich Angst vor ihm, zuckte beim kleinsten Geräusch zusammen, wenn ich im Keller war."

Franzke zeigte T. an. Wegen gefährlicher Körperverletzung kam der gebürtige Chinese vor Gericht, wo auch wegen der Flaschenattacke auf den Kollegen verhandelt wurde. Am Ende setzte das Amtsgericht die zehnmonatige Freiheitsstrafe zur Bewährung aus. Der Angeklagte, der in gesicherten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen lebe, möge "in sich gehen und überlegen, welches Sozialverhalten er seinen Kindern zu vermitteln gedenkt", heiß es im Urteil. Und: "Er muss sein Verhalten bei Konflikten ändern."

(RP)
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