Mundart in Düsseldorf Von Mäuzkesverzällern und Föttchesföhlern

Düsseldorf · Wie in Köln, Schwaben, Sachsen oder Frankfurt gibt es auch in Düsseldorf eine eigene Sprache, von einigen wird sie Platt genannt. Weit verbreitet ist sie nicht, viele fürchten ihr Aussterben. Dagegen kämpft ein Verein: die Mundartfreunde Düsseldorf. 1969 wurde er gegründet. Also vor 50 Jahren.

 Heinrich Spohr, Susanne Anna und Wolfgang Rolshoven beim Sommerfest der Mundartfreunde.

Heinrich Spohr, Susanne Anna und Wolfgang Rolshoven beim Sommerfest der Mundartfreunde.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Reden wir doch mal über die Düsseldorfer Mundart, auch Platt genannt. Es gibt da einen Verein, der tut das seit nunmehr 50 Jahren – deshalb nennt er sich Mundartfreunde. Und sein heutiger Chef ist eine Mundartfreundin: Gisela Piltz, FDP-Politikerin, mit Erfahrungen aus Rat und Bundestag, Düsseldorferin durch und durch. Als sie jedoch neulich im Rosengarten des Stadtmuseums anlässlich der 50-Jahr-Feier ihres Vereins ein paar Sätze in dieser Sprache, eben der Sprache Düsseldorfs, sagt, da hört auch der Nicht-Kenner – geläufig ist ihr das nicht. Sie muss sich bemühen, kennt zwar das Idiom seit ihrer Kindheit, aber sie spricht es halt selten. Und damit sind wir beim Problem dieses Dialekts: Er droht auszusterben. Wer die Gäste bei der Jubiläumsparty sah, dürfte ähnlich gedacht haben. Die meisten weit jenseits der 70, junge Leute kaum dabei, Jugendliche gar nicht.

Löblich also, dass das Stadtmuseum unter Leitung von Susanne Anna eine Ausstellung organisiert hat, die sich mit der besonderen Eigenart der Düsseldorfer Kommunikation beschäftigt. Eckhard Kranz , Vorsitzender des Freundeskreis Stadtmuseum, war maßgeblich beteiligt am Zusammenstellen der Exponate – das Ergebnis ist auf jeden Fall sehenswert. Zahlreiche Fotos gehören dazu, Dokumente, Gemälde und Akten. Verblüffend, was es da alles einst gab – auf Tonträgern (Schallplatten, unter anderem mit Aufnahmen der Kom(m)ödchen-Chefin Lore Lorentz!) festgehalten die Wörter, die die alten Düsseldorfer einst in ihrem Alltag sprachen, weil sie sich ausdrückten, wie ihnen der rheinische Schnabel gewachsen war.

Heute tut das im normalen Leben kaum noch jemand, weil dieser Klang wohl schlicht nicht cool ist. Die Kölner sprechen ihr Kölsch aus tiefer Überzeugung und es ihnen ejaal, wie er in den Ohren anderer klingt, die Bayern, Schwaben und Sachsen sehen das genau so. In Düsseldorf ist das anders. Um es provokativ simpel zu formulieren: Düsseldorfer Platt hat zwar eine Lobby, ist aber in einem großen und wachsenden Teil der Bevölkerung nicht wirklich verwurzelt. Viele, vor allem Neuzugezogene meinen, Platt klingt so, wie der Name klingt – platt. Manche finden es vulgär, bestenfalls kurios. Auf keinen Fall ist es, anders als in der Domstadt, gesellschaftsfähig. Da mögen sich die Mundartfreunde noch so viel Mühe geben – wer Platt spricht, tut das nur zu besonderen Anlässen, kaum im Alltag. Als tatsächlich genutzte Familiensprache dürfte es längst tot so gut wie tot sein.

An diesem Niedergang sind auch manche beteiligt, die immer wieder betonen, wie heimatverbunden sie ihrer Stadt und dieser Sprache sind. Denn: Wer Platt – wie viele dieser Leute – immer nur dann spricht, wenn es um Karneval geht (Platt = lustig!), missbraucht es. Weil er es nicht ernst nimmt. Fast alle Kommunalpolitiker haben das getan, in vermeintlich guter Absicht, aber mit verheerenden Folgen. Unter anderem, weil es mit unbegabter Zunge und gezwungen nur peinlich klingt. Wer soll eine Sprache goutieren, die als Synonym für Jux und Dollerlei genutzt wird? In Köln ist das anders: Kölsch ist immer präsent. Düsseldorfer Platt nicht.

Die Bewahrer der Mundart wie Heinrich Spohr, Monika Voss, Engelbert Oxenfort und andere mögen daran verzweifeln. Sie kämpfen dennoch um den Erhalt, wollen das Düsseldorferische wieder im Alltag implementieren, aber es gelingt nur wenig. Unter anderem auch, weil sie untereinander nicht einig sind. Legendär die Streitigkeiten um die Schreibweise. Schreibt man Föttchesföhler nun so, oder doch anders? Schwierig, weil es echte, überlieferte und verbindliche Regelungen für eine Rechtschreibung nicht gibt.

So oder so – das Image der Düsseldorfer Mundart ist, gelinde gesagt, ausbaufähig. Nachbarstädte gehen mit diesem Thema weitaus lockerer um. Am Niederrhein ist der dortige Dialekt lebendiger, auch Mönchengladbach ist in seiner althergebrachten Kommunikation selbstbewußter. Die Schützen in Korschenbroich sprechen einmal im Jahr von „Onges Pengste“ und meinen ihr Schützenfest zum Pfingstfest, Aachen spricht Ööcher Platt, weiter im Norden am Niederrhein ist die Grenze zum Holländischen fließend.

Und in Düsseldorf? Fehlanzeige. Der größte Verein Deutschlands, die Düsseldorer Jonges, hat zwar ein Wort der Mundart (Jonges = Jungen, also halbwüchsige Männer) im Namen, und die einzelnen Tische tragen Namen in der hiesigen Sprache (Braseler – Arbeiter, Ham’mer nit – haben wir nicht, de schwatte Düwel – schwarzer Teufel), aber sonst kommt von dort eher Sympathiebekundung.

Seit einigen Jahren gibt es eine Schule für die Mundart, seinerzeit von Engelbert Oxenfort auf den Weg gebracht, ebenso wie seine Messe auf Platt – „Mer bäde und senge op Platt“ (= Wir beten und singen auf Platt) in der Andreaskirche. Monika Voss schreibt wöchentlich eine Kolumne auf Platt in der Rheinischen Post, Heinrich Spohr, Mundart-Hardcore-Verteidiger, hat einige Bücher herausgebracht.. Hoffnung macht die Karnevals-Initiative „Pänz en de Bütt“, wo der Nachwuchs reden kann, und dies oft auf Platt. Aber es geht, siehe oben, wieder um den Karneval.

Die Legenden der Brauchtumspflege Theo „Döres“ Lücker, Jupp Kels und Marion Tranti sind leider nicht mehr dabei, immerhin haben sie damals und in den Jahren danach diese Sprache liebevoll gepflegt. Auch Hans Müller-Schlösser, legendärer Autor des „Schneider Wibbel“, half der Mundart seiner Heimatstadt. Und vor allem er hat gezeigt, dass diese Sprache viel mit freien Gedanken und dem Bewusstsein für Humor, Offenheit und Toleranz zu tun hat. Die Gestapo verfolgte ihn, er war den Nazis suspekt. Auch wegen Sätzen wie diesem: „Ich bin jetzt über 50 Jahre alt und habe bisher eine Weltanschauung nicht gehabt und auch nicht gebraucht. Wenn ich 80 Jahre alt sein werde, dann werde ich mir vielleicht auch eine Weltanschauung zulegen.“ Zu lesen in einem Vermerk seiner Gestapo-Akte vom 26. November 1940, die bei der Ausstellung zu sehen ist. Susanne Anna hat sie in den Tiefen des Stadtarchivs entdeckt. Ein berührendes Dokument.

Wer sich jedoch auf diese Mundart einlässt, wird erkennen, wie präzise diese Sprache ist. Sie enthält viele Wörter, für die es in anderen Idiomen ganze Sätze brauchte. Beispiele: Der Föttchesföhler ist ein Mann, der seine Finger bei Frauen nicht bei sich behalten kann, uselig eine eher ungemütliche, unschöne Wetterlage und der Mäuzkesverzäller jemand, der gerne mehr oder wenige glaubhafte Anekdoten erzählt. Von denen gibt es reichlich in Düsseldorf. Unter anderem auch die Story vom Muggel, einem stadtbekannten Wilddieb von – Achtung, Platt!“ – anno Pief. Nach ihm benannt wurde die berühmte Kneipe in Oberkassel. Aber deren Gäste, vor allem die jüngeren, dürften den Namen eher mit Harry Potter in Verbindung bringen – in dessen Welt heißen so die Nicht-Zauberer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort