Marlies Smeets Mit weniger Geld gut leben lernen

Düsseldorf · Ehren-Oberbürgermeisterin Marlies Smeets über künftige Herausforderungen für Düsseldorf, die Konkurrenz der Städte um Ansiedlung von Unternehmen, die Notwendigkeit es sozialen Ausgleichs und die Chancen für Fortuna und die DEG.

 Ehren-Oberbürgermeisterin Marlies Smeets verfolgt die Entwicklungen in Düsseldorf mit Interesse.

Ehren-Oberbürgermeisterin Marlies Smeets verfolgt die Entwicklungen in Düsseldorf mit Interesse.

Foto: Bretz, Andreas

Frau Smeets, Sie waren von 1994 bis 1999 Oberbürgermeisterin von Düsseldorf, sind Ehren-Oberbürgermeisterin. Kribbelt es Ihnen manchmal in den Fingern, noch einmal in die Politik einzugreifen?

Smeets An der Entwicklung der Stadt nehme ich natürlich Anteil, bewerte auch für mich Entscheidungen und Trends. Aber ich mische mich nicht in die aktuelle Politik ein. Das halte ich für unangebracht.

Wenn Sie Entwicklungen bewerten — vor welchen Herausforderungen steht Ihrer Meinung nach Düsseldorf?

Smeets Düsseldorf hat als Großstadt immer vor Herausforderungen gestanden. Künftig haben diese, so denke ich, aber eine neue Qualität, die neue Überlegungen verlangen. Es geht um die Konsolidierung der städtischen Finanzen und der Infrastruktur der Stadt. Es kann nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden, dass die Einnahmen hoch bleiben. Sie werden wahrscheinlich sinken. Düsseldorf muss mit weniger Geld auskommen und sich zugleich auf eine immer härtere Konkurrenz mit anderen Städten einstellen.

Worin besteht die Konkurrenz?

Smeets Firmen sind eisenhart, wenn sie über Standortbedingungen verhandeln. Sie lassen sich nicht mehr einfach ansiedeln. Die Stadt kann nicht so tun, als ob alles wie von selbst läuft. Sie muss alles tun, um Unternehmen nach Düsseldorf zu bekommen. Nur so können Arbeitsplätze erhalten werden. Bisher hat die Stadt Krisen auch gemeistert, weil der Mix der Branchen gut war. Auch das ist nicht mehr selbstverständlich. Banken beispielsweise haben Schwierigkeiten. Wenn ein Unternehmen wie die WestLB zerschlagen wird, leidet auch die Infrastruktur in Düsseldorf.

Inwiefern?

Smeets Die Geschäfte im Viertel rund um die Bank haben weniger Umsatz und damit Schwierigkeiten. Das Angebot in den Straßen kann sich verändern. Das bringt auch Nachteile für die Bewohner.

Trotz des Werbens um Firmen wird aber befürchtet, dass die Einnahmen sinken.

Smeets Deshalb muss die Stadt sparsam sein. Sie muss überdenken, wie der Standard und die Infrastruktur mit sozialen Einrichtungen, mit lebenswerten Stadtteilen erhalten werden können. Es müssen neue Bewertungen für den Einsatz des Geldes vorgenommen werden, wo Entwicklungen unterstützt werden. Viertel, die sich zu ihrem Nachteil entwickeln, brauchen mehr Hilfe als Stadtteile, in denen die Menschen gut zurechtkommen.

Gehört bezahlbarer Wohnraum zu solchen Hilfen?

Smeets Die Stadt muss für preiswerten Wohnraum sorgen, damit die Menschen gut in Düsseldorf leben können. Dafür sind auch Gespräche und Verhandlungen mit Investoren wichtig. Viele, die hier investiert haben, sitzen nicht in Düsseldorf. Ihnen sind die Mieter und die Stadt ziemlich gleichgültig. Die Stadt muss sich für ihre Bürger einsetzen.

Brauchen Düsseldorfer, die langzeit-arbeitslos sind und kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, zusätzliche Unterstützung?

Smeets Die Zahl der Menschen, die kaum das Nötigste haben, wächst offensichtlich. Ich beobachte beim Einkaufen, dass vor allem Rentnerinnen sich sehr genau überlegen, was sie in ihren Einkaufswagen legen. Sie scheinen mehr und mehr von Armut bedroht zu sein. Für arme Menschen ist es beispielsweise wichtig, dass die Wohnung erschwinglich bleibt. Die Stadt kann natürlich keine direkten Zuschüsse zahlen, aber sie kann die Rahmenbedingungen verbessern.

Welche Rolle spielen für diese Rahmenbedingungen soziale Netzwerke, Hilfe von Verbänden und Kirchen?

Smeets Sie sind sehr wichtig, weil sie am Ort den Menschen helfen. Der Staat kann nicht überall einspringen. Aber die Stadt könnte Kampagnen für die Aufforderung zum Helfen starten, ähnlich wie die neue Image-Kampagne. Mit solchen Aktionen könnten Einrichtungen wie die Tafel bekannter werden. Oder in Stadtteilen könnte darauf hingewiesen werden, dass an manchen Schulen Kinder unterstützt werden müssen. Natürlich gibt es solche Kampagnen schon. Aber die Stadt könnte sie bündeln und damit ihren Stellenwert erhöhen.

Sehen Sie Herausforderungen auch für den Einzelhandel?

Smeets Ich hatte Sorge, dass Kunden vor allen aus anderen Städten durch die Baustellen für die U-Bahn und den Kö-Bogen abgeschreckt werden. Aber sie kommen offensichtlich trotz der Hindernisse. Düsseldorf ist eine interessante Einkaufsstadt. Damit das so bleibt, muss die Qualität der Einkaufserlebnisse verbessert werden, wenn die Baustellen endlich verschwinden.

Was kann der Kö-Bogen oder eine Schadowstraße als Fußgängerzone dazu beitragen?

Smeets Das Umfeld für das Shopping kann schöner werden. Nach den Einkäufen kann es Möglichkeit zur Entspannung und zum Genießen geben. Die Besucher wollen auch durch die Stadt flanieren. Ich hoffe, dass das alles so aufgeht, wie man sich das vorstellt. Aber die Stadt darf das Augenmerk nicht nur auf das neue Viertel richten. Die südliche Kö oder Zentren wie die Friedrichstraße müssen aufgewertet werden. Zurzeit ist es dort entsetzlich unangenehm, einzukaufen. Die Stadt muss zudem darauf achten, dass die gute Infrastruktur wie bei den Einkaufszentren Nordstraße oder Lorettostraße erhalten bleibt und gestützt wird.

Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Auseinandersetzung um den Tausendfüßler?

Smeets Die Stadt muss jetzt die Entscheidung abwarten. Sie kann und muss dann auch mit der einen Lösung, dem Abriss, oder der anderen Lösung, dem Erhalt, leben. Es muss immer eine übergeordnete Institution geben, die Streitfälle entscheidet. Allerdings hätte man vorher mehr miteinander über die Planung reden können.

Worauf kann Düsseldorf für die Zukunft aufbauen?

Smeets Die Stadt hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten sehr gut entwickelt. Der Umzug der Messe nach Stockum hat beispielsweise dazu beigetragen ebenso wie das Stützen des Flughafens. In den Jahren, in denen Schuldenabbau und Haushaltskonsolidierung verlangt wurden, haben wir die soziale Infrastruktur erhalten. Es wurden bis auf eine Stadtteilbibliothek keine Einrichtungen geschlossen. Das alles ging nur, weil bei Sachfragen die Fraktionen miteinander Lösungen gesucht haben.

Wie schätzen Sie das politische Klima in Düsseldorf ein?

Smeets Das Verhältnis zwischen den Fraktionen der unterschiedlichen politischen Lager ist nicht gut. Vielleicht ist es anders, aber dann ist es jedenfalls nach außen hin nicht bemerkbar. Dinge, die für die Entwicklung Düsseldorfs wichtig sind und die Stadt stützen, werden nicht zusammen diskutiert. Dabei hat es sich früher gezeigt, dass man gemeinsam für eine Sache eintreten kann, ohne dass dabei eine Partei ihre grundsätzliche Linie aufgeben musste.

Noch eine sportliche Einschätzung: Steigt Fortuna in die erste Liga auf?

Smeets Ich bin mir nicht so sicher, ob Fortuna das schafft. Aber es wäre schön, denn die Stadt hat Fortuna immer unterstützt. Zusammen mit OB Erwin bin ich zu Firmen gegangen, um um finanzielle Unterstützung zu bitten — in einer Phase, als Fortuna kaum Erfolg hatte. Früher hat man sich deshalb fast entschuldigt, Fortuna zu unterstützen. Das hat sich erfreulicherweise gewandelt. Zum ersten Mal bekennen sich die Düsseldorfer zur Fortuna. Das kann Auftrieb geben.

Dafür wendet man sich von der DEG ab.

Smeets Es wäre gut, sich für die DEG einzusetzen. Denn Düsseldorf ist eine Sportstadt. Aber auch eine schwierige, wie sich auch bei der DEG zeigt. Das alte Stadion war zwar beliebt, aber total veraltet und nicht mehr tragbar. Aber das jahrelange Hickhack um die Straßenbahn-Anbindung des neuen Stadions ist tödlich für eine Spielstätte. Hinzu kommt noch der Spielmodus der DEL mit den 52 Vorrundenspielen, die langweilig sein müssen. Durch Änderungen muss den Vereinen geholfen werden.

Was wünschen Sie Ihrer Heimatstadt Düsseldorf?

Smeets Die richtige Balance, um auch mit weniger Einnahmen die Lebensqualität zu fördern.

Michael Brockerhoff führte das Gespräch.

(RP/jco)
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