Düsseldorf Messe setzt auf Multimedia

Düsseldorf · Zur Drupa 1995 gab es erstmals ein Internetangebot. Die Begeisterung für das weltweite Netz hielt sich anfangs in Grenzen, heute beschäftigt sich das ganze Unternehmen mit der Digitalisierung. Mitarbeiter schlugen 270 Projekte vor.

 Der Social-Media-Preis namens "Klaus" war bei der Druckmesse heiß begehrt: Hier überreicht ihn Marc Langenstein, Senior Marketing Manager der Drupa, an den Social-Media-Experten James Matthew-Paul.

Der Social-Media-Preis namens "Klaus" war bei der Druckmesse heiß begehrt: Hier überreicht ihn Marc Langenstein, Senior Marketing Manager der Drupa, an den Social-Media-Experten James Matthew-Paul.

Foto: Messe Düsseldorf

Es sieht aus wie bei Wimbledon. James Matthew-Paul drückt seine Lippen auf einen Pokal, danach geht es zum Siegerfoto. Der Social-Media-Experte hat den "Klaus" gewonnen, der bei der jüngsten Drupa zunächst als namenloser Tagespreis für den "Social Media Champion of the Day" vergeben wurde. Eine der Ersten, die ihn bekommen hatte, war Deborah Corn gewesen, die für die Firma HP als Bloggerin auf der Messe unterwegs war. Sie taufte den Pokal - und die Sache nahm Fahrt auf. Es entwickelte sich ein regelrechter Klaus-Hype.

Wenn Bernhard Wagner, Director Marketing Services der Messe, von der Jagd auf den Pokal erzählt, muss er schmunzeln. Denn die Geschichte aus der crossmedialen Gegenwart steht am Ende eines Zeitstrahls, der seinen Beginn Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hat. Für die "Digital Natives" unserer Tage gefühlte Steinzeit: die Zeit, in der es noch kein Internet gab. Theoretisch ist das Netz rund 50 Jahre alt, aber lebenspraktisch war es noch Anfang der neunziger Jahre in deutschen Firmen nicht existent. Die Düsseldorfer Messe war als international ausgerichtetes Unternehmen jedoch früh an innovativen Möglichkeiten der Kundeninformation interessiert, und so kam 1989 Wagner nach Stockum. Er hatte für die Düsseldorfer Firma Vicorp das neue Besucherinformationssystem bei der Messe eingeführt, und das hatte augenscheinlich so gut geklappt, dass er gleich abgeworben wurde.

In den fast 30 Jahren ist viel passiert. Der Anspruch der Messe, multimedial und möglichst perfekt ihre Aussteller und Besucher zu informieren und zu leiten, ist unverändert hoch. Die Möglichkeiten, um dieses Ziel zu erreichen, aber sind radikal besser geworden. Das Besucherinformationssystem, das der umgeschulte Lehrer damals implementierte, basierte auf Bildschirmtext. "Das war gar nicht schlecht, wir konnten über die BTX-Seiten und das Kabelnetz unsere Themen auf den Seiten aussteuern", erinnert sich Wagner. Aber BTX war eben ein nationales System, "und deswegen sind wir 1994 gleich auf das Internet aufgesprungen". Die Vorteile lagen auf der Hand: "Ein neues Medium, keine Beschränkungen, für alle international gleich."

Noch heute steht auf dem Flur von Wagners Abteilung ein Papp-Schild. "Drupa goes Internet" steht darauf, das wirkt ein bisschen putzig, war damals aber hochmodern. Im Mai 1995 kündigte sich so, von vielen unbeachtet, die Informationsrevolution an; ein Angebot auf Deutsch und Englisch, nur die Cebit im März war schneller gewesen.

Während heute die Kunden Unternehmen mit ihren Wünschen unter kreativen Druck setzen und so zu Innovationen treiben - der Prozess heißt "Consumerization" - , hielt sich damals die Reaktionsintensität in Grenzen. Nach der Drupa '95 war das Internet im Messegeschäft nicht automatisch ein Selbstläufer. Man habe kämpfen müssen, sagt Wagner, und erst 1996 zur Interpack gab es wieder eine Internetseite, dann aber für jede der folgenden Messen.

Um das Jahr 2000 herum gab es dann den großen Schnitt. Der ganzjährige Netzauftritt der Messen im Rahmen eigener Portale wurde etabliert, mehr als 30 sind es heute. Hinzu kommen Auftritte in sozialen Medien, Web- und Mobilversionen, die zunehmend genutzt werden. "Vor drei Jahren hatten wir 20 Prozent, die das Smartphone bei unseren Angeboten nutzten, heute sind es 40 Prozent", sagt Wagner.

Die Digitalisierung hat das Unternehmen mittlerweile in der ganzen Breite erfasst. Ein Aufruf erbrachte 270 Projekte, die bei der digitalen Transformation helfen können. Neun Arbeitsgruppen gibt es zum Megatrend "Digitale Transformation", darunter Themen wie "Customer Journey" und "Infrastruktur". Kernidee: Die gegenseitig ermittelten bzw. gelieferten und verarbeiteten Kenntnisse zwischen Messe, Ausstellern und Besuchern nehmen zu. Der Messeauftritt wird für alle Seiten gewinnender, wenn man die Interessen voneinander kennt. Der Weg des Kunden von der Anmeldung bis zum Gang auf dem Gelände wird organisiert, E-Voucher, E-Tickets und Wegeführungen und -Informationen eingesetzt, auch über Beacons (Bluetooth-Sender).

Die Teams fragen aber auch: Wo ist der Erstkontakt zu einer Messe - auf einer Messe-Seite, beim Anschauen eines Videos im Netz? Die Daten können für das Einladungs- und weitere Betreuungsmanagement wichtig sein. Und wenn bei der Caravan die ankommenden Reisemobilisten mit ihren Gefährten nicht bis zur Autobahn im Stau stehen, weil sie eine Ankunftszeit und einen Parkplatz zugewiesen bekommen haben, ist das ein Vorteil auch für andere.

Stefan Schlinger, Director Inhouse-Service-Center, arbeitet an Lösungen bei der Auftragsabwicklung. Ziel ist ein neuer virtueller Shop für Aussteller, die darin sämtliche Messe- und andere Dienstleistungen von der Standplanung über die Hotel- bis zur Party-Buchung abwickeln können. Parallel haben sie den Status ihrer Einkäufe permanent im Blick. Bei der Rehacare soll im Herbst mit einigen Kunden ein Probelauf dazu gestartet werden.

Dass das Messegeschäft durch die Digitalisierung bedroht ist, glauben die Messe-Manager nicht. "Der Face-to-Face-Moment, das Vertrauen bei der Entscheidungsfindung und der Blick auf das echte Produkt sind unersetzbar", sagt Wagner. Messen seien ein knappes und somit wertvolles Gut, das umso bedeutender werde, wenn es um Investitionsgüter gehe - und die sind der Schwerpunkt in Düsseldorf.

(ujr)
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