NRW-Akademie Margot Käßmann über Multikulti

Düsseldorf · Zum Abschluss des Symposiums über das transkulturelle Erbe Europas sprach die frühere Bischöfin Margot Käßmann über die gelungene Integration von Zugewanderten in Deutschland. Die populäre Protestantin lockte viele Besucher in die NRW-Akademie der Wissenschaften und Künste.

Das erlebt man eher selten: eine Tagung, die am Ende besser besucht ist als zu Beginn. So geschehen in der NRW-Akademie der Wissenschaften und der Künste. Dort war es gelungen, als Schlussrednerin eines Symposiums im großen Saal an der Palmenstraße über das "Transkulturelle Erbe" unserer Gesellschaft Margot Käßmann zu gewinnen. Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche kam aus Bochum, wo sie derzeit als Professorin tätig ist.

Mehr als das Neue in Käßmanns Ausführungen waren es die positive Art ihres Ansatzes und die Eindringlichkeit der Darstellung, die beeindruckten. Als Rednerin und im Gespräch mit RP-Kulturredakteur Lothar Schröder machte sie deutlich, dass Deutschland genügend Gründe hätte, seine erfolgreiche Entwicklung zum Einwanderungsland zu feiern.

Das gesamte christliche Abendland sei, so lehrten es Altes und Neues Testament, ein Ergebnis von Migration. Es beginnt also schon bei Adam und Eva und mit deren Suche nach einer neuen Heimat. Ohne den kämpferisch-klugen Migranten Paulus gäbe es schließlich in Europa nicht jene Werte, deren scheinbare Verteidigung häufig zur Abwehr andersartiger Religiosität führe.

Verstehen, so Käßmann, erfordert Geduld und die Erfahrung von Fremdheit. In einem Land, dessen Bewohner als Weltmeister des Reisens gelten, sollte Unvoreingenommenheit zur Leitkultur gehören. Es passt der selbst vielgereisten und weltgewandten Pastorin nicht, wie der Begriff "multikulturelle Gesellschaft" in der öffentlichen Debatte behandelt wird.

Als die Bundeskanzlerin vor einem Jahr das Scheitern des "Multikulti" verkündete, lehrte Margot Käßmann gerade an einer amerikanischen Universität und beobachtete die überwiegend negative Reaktion auf diese Regierungstöne. Sie erzählte eine historische Anekdote aus Niedersachsen, wo sich im 19. Jahrhundert Ludwig Harms, Begründer der weltweit erfolgreichen Hermannsburger Mission, in seinem Heimatort gegen die Errichtung eines Bahnhofs sperrte: aus Angst vor Überfremdung. Von Lothar Schröder auf den möglicherweise offensiven Charakter heutiger christlicher Missionsarbeit angesprochen, entgegnete Käßmann mit einer bekannten Devise des erfolgreichen "Seelenfangs": Du sollst so leben, dass andere sich fragen, warum du so lebst. Im Hinblick auf die Integration zugewanderter Volksgruppen fordert sie nicht deren völlige Assimilation. Oktoberfeste und anderes Brauchtum seien gerade in den USA mit viel Stolz präsentierte und sehr populäre Tradition deutschstämmiger Bürger.

Unabdingbar für das erfolgreiche Einfügen in unsere Gesellschaft seien aber drei Faktoren: die Beachtung der allgemeinen Menschenrechte und der bundesrepublikanischen Verfassung, das Erlernen und gute Beherrschen der Sprache, sowie ein kenntnisreiches und differenziertes Verhältnis zur Geschichte. All dies, so freute sich die prominente Gastrednerin der Akademie anhand vieler Beispiele aus ihrem Bekanntenkreis, sei weitgehend geglückt.

(RP)
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