Kriminalität in Düsseldorf Die Ellerstraße — ein Besuch im Maghreb-Viertel nach der Razzia

Düsseldorf · 40 Personen wurden bei der Razzia im sogenannten Maghreb-Viertel in Düsseldorf-Oberbilk festgenommen. Die Anwohner sind beunruhigt. Nicht wegen der Razzia, sondern weil alle Verhafteten wieder auf freiem Fuß sind.

Blick auf die Ellerstraße an der Ecke Linienstraße. "An der Stelle beginnt das Problemviertel mit Gewalt und Diebstählen", sagt Anwohner Ismail Akyol, der nicht fotografiert werden möchte.

Foto: jürgen Bauer

Ismail Akyol ist fassungslos. Es ist Sonntagnachmittag an der Ellerstraße. Er ist in einem türkischen Brotladen, um einzukaufen. Mit dem Finger zeigt er durch die Scheibe auf einen jungen Mann. "Der ist gestern bei der Großrazzia der Polizei festgenommen worden. Keine 24 Stunden später läuft er wieder frei herum", sagt der gebürtige Türke. Er ist wie viele Anrainer der Ellerstraße von der Entwicklung dort schwer irritiert. Seit vier Jahren lebt er dort.

Die Straße sei seit einigen Jahren zweigeteilt. Akyol zeigt die Stelle, an der es problematisch wird, ungefähr auf Höhe des Hauses Ellerstraße 58. Von dort Richtung Bahnhof gebe es Probleme. "Hier stehen oft 20, 30 nordafrikanische Jugendliche, sie stehlen, rauben, drohen", sagt Akyol. Mustafa O., Händler an der Ellerstraße, stimmt dem zu. "Einer der jungen Männer hat versucht, mir das Portemonnnaie aus der Hosentasche zu stehlen. Und das, obwohl genau gegenüber auf der anderen Straßenseite ein besetzter Polizeiwagen stand, sagt der Mann, der aus der Türkei stammt und seit 33 Jahren an der Ellerstraße wohnt.

"Wir haben hier unter den alten Anwohnern eine lebhafte Debatte, wie es weitergehen soll. Wir haben auch schon eine Unterschriftenaktion gestartet, um auf die zunehmende Gewalt und Kriminalität aufmerksam zu machen. Bislang geschah wenig", sagt Mustafa O. "Meine Kinder haben Angst, auf dem Weg zur Schule diese Stelle zu passieren, weil ihnen Schläge drohen. Deshalb laufen sie einen großen Umweg um diesen Brennpunkt", sagt Ismail Akyol. Die Männer sind sich einig, dass die problematischsten Figuren im Viertel aus Nordafrika stammen. "Diese jungen Männer sind deprimiert, haben alle keinen Job", sagt O.. Wegziehen wollen die beiden aber nicht, sie besitzen Eigentumswohnungen an der Ellerstraße.

Das ist bei Yil Soylu anders. Er wohnt an der Lessingstraße, einer Nebenstraße der Ellerstraße. "Bei mir wurde schon viele Male eingebrochen. Zuletzt in der Nacht zu Sonntag", sagt Soylu, ebenfalls Türke. Er zeigt auf die Einbruchsspuren, zeigt, wie jemand die Haustür aufgebrochen hat, die immer noch nicht richtig verschlossen werden kann. "Ich fühle mich hier nicht mehr sicher. Ich habe mich entschieden, hier wegzuziehen", sagt Soylu. Seine Töchter trauten sich nicht mehr, ihn in seiner Wohnung zu besuchen, weil sie Angst hätten, über die Straßen zu gehen.

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Foto: Gerhard Berger

Es gibt auch Kritik an der Razzia. Der Sozialpädagoge Samy Charchira, Sachverständiger bei der Deutschen Islamkonferenz, sieht ein ganzes Viertel stigmatisiert, "unbescholtene Bürger unserer Stadt" würden "frei nach ihrem Aussehen kontrolliert", schreibt er im sozialen Netzwerk Facebook, spricht von blindem Aktionismus der Polizei: "Die gestrandeten Jugendlichen sind der Düsseldorfer Polizei seit vielen Jahren bekannt. Ihr Krisenmanagement in diesem Zusammenhang darf angezweifelt werden." Durch die Razzia werde das Problem nicht gelöst. Ähnlich argumentiert Düsseldorfs Grünen-Chefin Paula Elsholz: "Es stellt sich doch die Frage der Sinnhaftigkeit. Was wird getan, um die Situation zu ändern?" Sie spricht sich für ein Konzept mit mehr Sozialarbeitern und Sprachkursen aus.

Wohnungen kommen kaum auf den freien Markt

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Foto: Bundespolizei

All das wird heute auch Thema sein bei der Sondersitzung des Düsseldorfer Polizeibeirats, in dem Ratspolitiker und Vertreter der Polizei sitzen. Auf der Tagesordnung steht die Vorbereitung auf den Straßenkarneval vor dem Hintergrund der Silvester-Übergriffe, aber auch das Projekt "Casablanca", das die nordafrikanischen Kriminellen im Bahnhofsumfeld im Visier hat. "Das Problem ist seit längerem erkannt", sagt der Vorsitzende des Gremiums, Martin Volkenrath. "Es wird aber auch daran gearbeitet." So habe erst kürzlich ein Runder Tisch zu dem Thema getagt, und die Polizei habe das Viertel ebenfalls im Blick.

Ein Problem der Umgebung der Ellerstraße ist offenbar auch, dass leer werdende Wohnungen und Geschäfte kaum auf den freien Markt gelangen, sondern direkt an Mitglieder der nordafrikanischen Gemeinschaft weitervermittelt werden. Aus der Immobilienszene ist zu hören, dass dies in problematischen Gebieten ein immer wieder zu beobachtendes Phänomen sei: Weil die Eigentümer einerseits freie Immobilien anders kaum belegt bekommen, bestimmte Gruppen andererseits gerne unter ihresgleichen bleiben - und bereit sind dafür Preise weit über dem Marktwert zu zahlen. Das sei einst im Rotlichtmilieu an der Rethelstraße so gewesen und an der Erkrather Straße mit türkischstämmigen Mitbürgern.

(RP)