Düsseldorf Lustige Schlammschlacht im Klassenzimmer

Düsseldorf · Mit "Frau Müller muss weg" von Lutz Hübner hatte eines der meistgespielten Stücke Premiere im Theater an der Kö.

 Schulstreit auf der Bühne in dem Stück "Frau Müller muss weg" (v.l.): Jeannine Burch, Simone Pfennig, Stefan Gebelhoff, Oliver Dupont, Claudia Scarpatetti und Angela Schmid-Burgk.

Schulstreit auf der Bühne in dem Stück "Frau Müller muss weg" (v.l.): Jeannine Burch, Simone Pfennig, Stefan Gebelhoff, Oliver Dupont, Claudia Scarpatetti und Angela Schmid-Burgk.

Foto: Nicole Brühl

Einen fairen Prozess gegen die Lehrerin der 4b gab es nicht. Wohl aber ein Urteil, einstimmig gefällt von der aufgebrachten Elternschaft: Frau Müller muss das Feld räumen. Sofort, noch bevor sie ihre Empfehlungen fürs Gymnasium dokumentieren kann. Weil die Noten sich dramatisch verschlechtert haben, bangen die Eltern um die Schulkarriere ihrer Sprösslinge. Mütter und Väter treten als Vollstrecker im Klassenzimmer an. Sie hocken auf den kleinen Stühlen, wollen die Lehrerin verjagen. "Keine Diskussion um das eigene Kind, keine Gefühlsausbrüche" verordnet die zackige Elternsprecherin Jessica (Jeannine Burch) und nimmt resolut das Heft in die Hand. Es dauert nicht lange, bis die Vorgaben bröckeln. Eine Schlammschlacht beginnt.

Mit "Frau Müller muss weg" schrieb Lutz Hübner eines der meistgespielten Bühnenstücke der letzten Jahre. Im "Theater an der Kö" inszenierte Hausherr René Heinersdorff unterhaltsam die Chronik eines misslungenen Elternabends. Die unscheinbare Frau Müller (Simone Pfennig) knickt nämlich keineswegs ein. Tapfer bietet sie den Attacken Paroli. Munition ist reichlich vorhanden, schonungslos teilt sie aus und führt den Eltern vor Augen, dass sie keine hochbegabten Engel, sondern kleine Monster heranziehen. "Ich bin in dieser Schule das beste Pferd im Stall", trumpft die Lehrerin auf und macht sich aus dem Staub.

Ihrer Gegnerin beraubt, geraten sich die frustrierten Eltern in die Haare. Die Masken sind gefallen, man ist genötigt, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Karrierefrau Jessica erfährt, dass ihre abgebrühte Laura Entschuldigungen fälscht. Perfektionist Wolf (Stefan Gebelhoff) erledigt für Tochter Elena die Schularbeiten. Zappelphilipp Lukas wird als hinterhältiger Schläger enttarnt, was bei dieser hysterischen Gutmenschen-Glucke (Angela Schmid-Burgk) einen Gewaltausbruch gegen ihren Mann (Oliver Dupont) auslöst. Selbst Klassenprimus Fritz bereitet seiner Mutter Sorgen: "Er ist mir fremd", klagt Katja (Claudia Scarpatetti).

Meisterhaft und bissig spießt Lutz Hübner gesellschaftliche Strömungen auf. Muss wirklich jedes Kind aufs Gymnasium? Hängt von den Noten sein ganzes Schicksal ab? Und sind die Lehrer schuld, wenn es nicht klappt? Der Autor skizziert ein Kaleidoskop von sattsam vertrauten Charakteren. Schon weil jeder Zuschauer zumindest einen davon zu kennen glaubt, bereitet der Abend großes Vergnügen. Man hat seinen Spaß daran, wenn einer nach dem anderen sein Fett wegkriegt. Wer jemals an einem Elternabend teilgenommen hat, muss erst recht schmunzeln — er kennt die Prinzipienreiter, Besserwisser und von ihrem Kind Verblendeten.

Die Kehrtwenden in "Frau Müller muss weg" sind raffiniert gestrickt. Wie es kommt, dass die Lehrerin bei ihrer Rückkehr mit offenen Armen empfangen wird und warum die Eltern sich bei ihr einschleimen, um beim bösen Erwachen in Schockstarre zu verfallen — das alles ist es wert, im "Theater an der Kö" erlebt zu werden. Eine gute Empfehlung für Eltern, Pädagogen und Freunde von treffsicher geschriebenen Dialogen. Das bestens geölte Ensemble wurde bei der Premiere heftig beklatscht.

Bis Regisseur Heinersdorff den Applaus stoppte und mit feiner Ironie die Schlusspointe setzte: "Es dürfte Sie interessieren, dass mein Sohn heute seine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen hat."

(RP)
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