Düsseldorf Lesen macht Freunde

Düsseldorf · Seit 2010 gibt es die "Leselernhelfer" in der Stadt. Aus den ersten Teilnehmern des Projekts sind selbstbewusste Jugendliche geworden.

 Simone (16) war das erste "Lesekind" von Anita Friedrich (hinten). Heute erinnern sich die beiden gerne an die gemeinsamen Lesestunden.

Simone (16) war das erste "Lesekind" von Anita Friedrich (hinten). Heute erinnern sich die beiden gerne an die gemeinsamen Lesestunden.

Foto: Andreas Bretz

Es ist ein grauer Nachmittag, draußen dämmert es, doch aus dem Raum der Leselernhelfer an der Ackerstraße strahlt warmes Licht. Dort treffen Carla Meurer und Carmen Winterberg auf zwei ehemalige Mentorenpaare. Es war Ende 2009, als die beiden Frauen den Verein "Mentor - die Leselernhelfer Düsseldorf" gegründet haben, eine Initiative von Freiwilligen, die bei Kindern die Freude am Lesen wecken möchten - besonders bei jenen, denen dies schwer fällt. Dafür kooperieren die Mitglieder mit Eltern, Schulen und Ehrenamtlern. Mehr als 400 Erwachsene sind es, die sich mit Kindern zum wöchentlichen Lesen treffen.

Nun, sieben Jahre später, sind die ersten Teilnehmer längst keine Kinder mehr. Francesco und Simone sind 17 und 16 Jahre alt. Als sie auf ihre ehemaligen Mentoren treffen, wird gelacht und geplaudert - ein Wiedersehen unter Menschen, die Freunde geworden sind. Vereinsvorsitzende Carla Meurer holt ein Fotoalbum: Eines der Bilder zeigt Francesco als Grundschüler mit seinem Lesementor Georg Otterbeck, ein anderes Simone mit Anita Friedrich. "Das hängt heute sogar noch in meinem Zimmer", sagt die 16-jährige Simone und lacht. Als sie ihre Mentorin kennenlernte, war sie neun Jahre alt.

Ein Mal in der Woche hat sie sich mit Anita Friedrich in der Schule zum Lesen verabredet. "Mir ist aufgefallen, dass Simone sich sprachlich sehr gut ausdrücken konnte, nur beim Lesen haperte es", erinnert Mentorin Anita Friedrich sich. Simone war damals ihre erstes "Lesekind", mittlerweile schmökert Friedrich mit drei Schülern. "Als Erstes haben wir Conni-Bücher gelesen", sagt Simone. Meistens sei sie es gewesen, die von den Abenteuern eines kleinen Mädchens vorgelesen hat. "Dann kam immer der Punkt, an dem sie gesagt hat ,So, jetzt liest du auch mal'", erzählt ihre Mentorin. "Wir haben nicht nur stur durchgelesen, sondern auch mal erzählt." Auch das gehört zum Konzept der Leselernhelfer: Ohne Druck und Zwang soll der Spaß am Lesen geweckt werden. So gibt es auch keinen festen Lehrplan, der eingehalten werden muss, keine Prüfungen: Welche Bücher gelesen werden, suchen sich die Kinder oder Mentoren selbst aus. In der achten Klasse endete für Simone die Lesebetreuung. Kontakt halten die beiden heute noch.

 Georg Otterbeck und sein ehemaliges "Lesekind" Francesco (17). Die beiden waren die Ersten, die die Lesestunden nach der Grundschule fortführten.

Georg Otterbeck und sein ehemaliges "Lesekind" Francesco (17). Die beiden waren die Ersten, die die Lesestunden nach der Grundschule fortführten.

Foto: Bretz Andreas

Auch Francesco und Georg Otterbeck können viele Anekdoten erzählen: "Ich habe im Leben viel Glück und immer einen Mentor an meiner Seite gehabt", sagt Otterbeck. Francesco ging in die Grundschule, stand kurz vor dem Wechsel auf die Realschule, als er mit seinem Mentor das Lesen begann. Schnell haben sie sich aneinander gewöhnt und wollten die Lesestunden auf der weiterführenden Schule fortführen. "Das war damals noch nicht üblich, wir waren das erste Paar, das auch nach der Grundschule weitergelesen hat", erzählt Otterbeck. Seitdem hat sich viel getan: Der Verein kooperiert derzeit mit 62 Schulen, darunter zwölf weiterführende.

"Mir haben ,Die wilden Fußballkerle' und ,Die drei Fragezeichen' immer am besten gefallen", sagt Francesco. Georg Otterbeck erklärte ihm kompliziertere Begriffe, nicht selten griff er dafür auch zu Zettel und Stift: "Wir soll man einem Kind zum Beispiel ,verbarrikadiert' oder ,Eisblume' erklären?" Bald intensivierte sich der Kontakt, Georg Otterbeck gab Francesco außerhalb des Programms Nachhilfe in Englisch. "Ohne ihn wäre ich heute sicher nicht da, wo ich bin", sagt Francesco, der die Fachoberschule besucht.

Simone und Francesco sind sich einig: Auf die Frage, ob sie die Teilnahme anderen Schülern empfehlen würden, kommt die Antwort einstimmig: "Auf jeden Fall", und Francesco fügt hinzu: "Es bringt einen in jeder Form weiter."

(ubg)
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