Lerntherapie in der Stadtbücherei Düsseldorf-Bilk Hund Quedo hilft beim Vorlesen

Düsseldorf · Grundschüler mit Leseproblemen entwickeln oft Ängste und werden scheu. Therapiehund Quedo soll helfen. Ihm können die Kinder vorlesen, er verbessert und kritisiert nicht, sondern hört einfach nur zu - und lässt sich kuscheln.

 So entspannt kann Lesen sein: Der achtjährige Zweitklässler Oskar stellt Lesehund Quedo sein Lieblingsbuch vor. Auch Herrchen und Therapeut Stefan Knobel hört zu.

So entspannt kann Lesen sein: Der achtjährige Zweitklässler Oskar stellt Lesehund Quedo sein Lieblingsbuch vor. Auch Herrchen und Therapeut Stefan Knobel hört zu.

Foto: Anne Orthen (ort)

Oskar liest vor, Quedo hört zu. Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches. Quedo ist acht und damit in etwa so wie alt wie Oskar, der die zweite Klasse besucht. Doch Quedo ist ein Hund, kein gewöhnlicher, sondern ein Therapiehund, genauer ein Lesehund. Das heißt: Kinder lesen ihm vor, er hört zu. Jedenfalls sieht es so aus. Ob Quedo etwas von dem versteht, was ihm da so vorgetragen wird, ist fraglich. Doch das ist auch nicht das Ziel.

Allein Quedos Anwesenheit genügt zumeist, damit sich Kinder beim lauten Vorlesen entspannen – und damit besser lesen können. Warum? Womöglich weil Quedo nicht seine treubraunen Hundeaugen genervt verdreht, wenn es beim Bilden der Wörter stockt oder  missbilligend seufzt. Natürlich nicht. Doch Kinder mit Leseproblemen kennen all das aus dem Schulalltag – und entwickeln Ängste und Scheu. Diese soll der lesehund abbauen helfen.

In den USA und Schweden ist dieses Modell bereits mit viel Erfolg getestet worden. Hunde wie Quedo machen offenbar das einzig Richtige. Sie hören einfach nur zu. Nicht mehr, nicht weniger.

Gleichwohl haben die vier Kinder, die sich an diesem Samstagmorgen in der Stadtteilbücherei Bilk für je eine halbe Stunde mit Quedo treffen, keinen Therapiebedarf. Oskar, zum Beispiel, sei einfach nur ein „Hundefan“ und deshalb dabei, sagt Papa Bernd. Der hatte das Angebot „Vorlesen mit Hund“ für Grundschüler gesehen und sofort gebucht – für den älteren Bruder Emil gleich mit. Die beiden Brüder lesen Quedo dann auch das Gleiche vor, je eine Episode aus den Olchis. Und Quedo kuschelt sich dabei an Oskar, macht manchmal die Augen zu. Weil die Bücherei extra für diese Lesestunde öffnet, ist es mucksmäuschenstill. Zu hören ist nur Oskar – und hin und wieder ein kaum merkliches Schnaufen von Quedo.

Quedo ist ein Golden-Retriever-Rüde. Er ist maßgeblicher Teil des „Therapeutischen Teams Mensch und Hund“. Der zweite Part ist Stefan Knobel, Diplom-Sozialpädagoge, Herrchen, Trainer und gewissermaßen Berufskollege. Zuhause sind beide in Kaiserswerth.

Wie Herrchen hat auch Quedo eine umfassende Ausbildung hinter sich. Zwei Jahre lang hat er gelernt, sich sicher in Gegenwart von zurückhaltenden und, wie es Knobel ausdrückt, weniger „standfesten und schüchternen Menschen“ zu bewegen. Und natürlich hört er – nicht nur aufs Wort. Ein Schnippen, ein kleines, kaum merkliches Handzeichen von Stefan Knobel, Quedo reagiert sofort. Was aber kann Quedo, wo der Mensch versagt? Der Rüde sei sehr ausgeglichen, habe ein sanftes Wesen, sagt Knobel. Deshalb vertrauen ihm demente Bewohner in Altenheimen ebenso wie Kinder.

Die Kinder suchen sich die Lektüre selbst aus, die sie vorlesen möchten. Die Freundinnen Sophie und Elina, ebenfalls Zweitklässlerinnen, die an diesem Morgen den Jungs noch nachfolgen, entscheiden sich beide für ein Buch mit dem Titel „Reiterhofgeschichten“. Und auch sie sind begeistert von dem vierbeinigen, verkuschelten Zuhörer. Auch wenn die Kinder an diesem Morgen keine Probleme mit dem lauten Lesen haben, etwas fällt doch auf. Je länger sie dem Hund vorlesen, desto flüssiger kommen die Wörter, die Stimmlage sinkt, der Ton wird gelassener. Da ist er, der Quedo-Effekt.

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