Sport-Mentoring für Talente Lebenshilfe für junge Fußball-Stars

Düsseldorf · Als Kicker können sie alles. Jenseits des Stadions haben sie Probleme - mit dem Druck, den Finanzen, der Familie. Viele Karrieren scheitern daran. Ein Düsseldorfer Sozialarbeiter bietet Sport-Mentoring als Hilfe. Manager und Trainer halten viel von dem Konzept, das Talenten Sicherheit gibt.

 Michael Delura - früher Schalke, Hannover und Mönchengladbach, nun Athen - mit Mentor Klaus Kotzan (rechts) in der LTU-Arena Düsseldorf.

Michael Delura - früher Schalke, Hannover und Mönchengladbach, nun Athen - mit Mentor Klaus Kotzan (rechts) in der LTU-Arena Düsseldorf.

Foto: RP/Christoph Göttert

Von 1994 bis 2006 war Andreas "Zecke" Neuendorf Profi in der Fußball-Bundesliga bei Bayer Leverkusen und Hertha BSC. Finanzielle Sorgen brauchte sich der Berliner nicht zu machen - eigentlich. Doch vor drei, vier Jahren stand er vor der Pleite. "Mir war einfach alles über den Kopf gewachsen", sagte der heute 32-Jährige, der inzwischen für den Drittligisten FCIngolstadt kickt. Jahrelang hatte der Profi einfach seine Post nicht mehr geöffnet. Rechnungen, Mahnungen - alles blieb unbeachtet.

In dieser kritischen Phase erinnerte sich der Profi an Klaus Kotzan (51), einen Diplom-Sozialarbeiter aus Düsseldorf. Der Kicker hatte ihn zu Beginn seiner Karriere in Leverkusen kennengelernt. Klaus Kotzan leitete seit Jahren den Verein "Outback", der sich als freier Träger der Jugendhilfe um verhaltensauffällige Jugendliche kümmerte. Als er im Auftrag des Kölner Jugendamtes einen B-Jugend-Nationalspieler betreute, sah er Parallelen bei den Schwierigkeiten, die Jung-Profis haben, und denen "seiner" Jugendlichen. Die Idee zu einer "Laufbahn-Betreuung" von Fußballspielern entstand. Andreas Neuendorf wollte davon damals eigentlich nichts wissen: "Ich bin doch selbst clever genug - dachte ich", erinnert sich der Berliner.

"Sport-Mentoring" nennt Klaus Kotzan das Konzept, das im Laufe der Jahre entstand. Eine erfahrene Person (Mentor) berät den Sportler kontinuierlich: Wie finde ich mich im Dschungel des Profi-Fußballs (Verein, Manager, Presse und Fans) zurecht? Wie erhalte ich mir soziale Kontakte - trotz Profi-Daseins? Wie gelingt die Abnabelung vom Elternhaus? Was tue ich in meiner Freizeit? Wie bewahre ich bei Misserfolgen mein Selbstvertrauen? Ratschläge, die Michael Delura gerade derzeit zu schätzen weiß. Der U-20-Nationalspieler, der in Schalke, Hannover und Mönchengladbach stürmte, ist 2007 zum von Ewald Lienen trainierten griechischen Erstligisten Panionios Athen gewechselt. Zur schwierigen Eingewöhnungszeit im fremden Land kam eine schwere Verletzung, die er derzeit auskuriert. Klaus Kotzan gibt dem 22-Jährigen nicht nur Tipps, wie er mit diesem Rückschlag fertigwerden kann. Seit vier Jahren betreut der Düsseldorfer den Jung-Profi. "Viele seiner Ratschläge waren für mich sehr hilfreich. Sie haben meine persönliche Entwicklung gefördert", sagt Michael Delura, der bis zum 19.Lebensjahr bei seinen Eltern lebte. "Jetzt plane ich mein Leben selber."

Delura und Neuendorf sind sich einig: Wenn es außerhalb des Stadions Probleme gibt, klappt's auch mit dem Ball nicht. Michael Delura schätzt, dass mentale Ausgeglichenheit 50, wenn nicht gar 80 Prozent seines Leistungsverögens als Fußballer ausmacht. Andreas Neuendorf kennt zwar Spieler, "bei denen alles so klappt". Aber "Straßenkicker" und "ausgeflipptere Typen" wie er bräuchten außerhalb des Stadions Hilfe.

Klaus Kotzan hat sein Konzept bei einigen Vereinen vorgestellt. Hertha-Manager Dieter Hoeneß wollte ihn engagieren - unter der Bedingung, dass er seinen beruflichen Schwerpunkt nach Berlin verlegt. Das wollte der Düsseldorfer nicht. Gespräche gab es auch mit Bayer Leverkusen und - zu Berti Vogts' Trainerzeit - mit dem DFB. "Die Unterlagen sind aber in irgendwelchen Schubladen verschwunden", sagt Klaus Kotzan.

Immer noch ist die Scheu vor dem Thema "Laufbahn-Betreuung" bei Klubs und Spielern groß. Doch im harten Männersport Profi-Fußball ist ein Wandel erkennbar. Arthur Preuß, Koordinator an der Schalker Gesamtschule Berger Feld ("Elite-Schule des Fußballs"), meint: "In vielen Fällen wäre ein Sport-Mentoring dringend erforderlich." Bei Hertha gibt es ein "Persönlichkeitstraining für Perspektivspieler". "Wille, Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Respekt sind Werte, die im realen Leben zählen und die im Fußball eben auch von elementarer Bedeutung sind", meint Dieter Hoeneß.

Neue Wege geht auch der ehemalige Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters, den Klinsmann und Löw in ihr Trainerteam holen wollten und der nun zum Kompetenz-Team des DFB gehört und bei Zweitligist TSG Hoffenheim die Nachwuchsarbeit leitet. Der Klub hat einen "Nachwuchsmentor" für "Elitespieler" zwischen 17 und 23 Jahren eingestellt. Demnächst soll ein Laufbahnbegleiter für die Spieler an der Schwelle zum Profitum hinzukommen. "Wenn nur eine Orientierung auf das Profi-Dasein erfolgt, kommt es zur totalen Verkrampfung auf ein Ziel. Eine kreative Spielleistung ist dann nicht möglich." Eine fehlende "außersportliche Betreuung" ist für Bernhard Peters eine Hauptursache dafür, dass viele Talente den Durchbruch nicht schaffen. Für die TSG Hoffenheim sei es zudem Teil der sozialen Verantwortung gegenüber den Spielern, ihnen eine ganzheitliche Laufbahnbetreuung zu bieten.

Nicht nur im Profi-Bereich setzt sich die Idee durch. Dank einer Stiftung der Düsseldorfer Euroweb Internet bietet auch Regionalligist Fortuna Düsseldorf seinen Jugendlichen in Zusammenarbeit mit Klaus Kotzans "Outback-Sportmentoring" Unterstützung an.

Andreas Neuendorf hat sein Leben wieder in geordnetere Bahnen gelenkt. Heute sagt der 32-Jährige: "Ich wünschte, ich hätte mit 19, als ich Klaus Kotzan kennenlernte, so eine Form der Betreuung gehabt. Es ist das Beste, was mir in meiner Laufbahn passiert ist."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort