Landgericht Düsseldorf Prozess um Millionentransfers bei „Hawala-Banking“

Düsseldorf · Das sogenannte Hawala-Banking um das internationale Verschieben von Millionensummen wird in einem großen Strafprozess in Düsseldorf unter die Lupe genommen. Sieben Angeklagte müssen sich vor dem Landgericht verantworten. Es geht um 210 Millionen Euro.

Die Angeklagten sitzen im Gerichtssaal neben ihren Anwälten im Landgericht Düsseldorf.

Die Angeklagten sitzen im Gerichtssaal neben ihren Anwälten im Landgericht Düsseldorf.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Mehr als 2500 Transaktionen, sieben Beschuldigte, rund tausend Seiten Anklageschrift und ein angebliches Gesamtvolumen von mehr als 210 Millionen Euro: Nach absoluten Superlativen klingen die Rahmendaten eines Prozesses, der am Mittwoch beim Landgericht Düsseldorf gestartet wurde.

Im Zusammenhang mit sogenanntem Hawala-Banking soll ein Düsseldorfer Kaufmann (52) als Drahtzieher mit sechs Komplizen (33-53 Jahre alt) Anfang 2018 eine kriminelle Vereinigung gebildet und klammheimlich gegen Provision internationale Geldtransaktionen in großem Stil an der deutschen Finanzaufsicht vorbei durchgeführt haben.

Doch geriet das Gerichtsverfahren schon vor Verlesung dieser Anklagevorwürfe wegen eines Corona-Befunds bei einem der Laienrichter ins Straucheln. Am 5. Mai geht der Prozess weiter.

Mit Hawala-Banking werden Geldtransfers bezeichnet, die in vielen Teilen der Welt angeblich seit Jahrhunderten tradiert sind. So bilden die Teilnehmer diverse Geldtöpfe in diversen Ländern – und dadurch können Kunden zum Beispiel in Deutschland auch hohe Bargeldbeträge einzahlen, danach zum Beispiel in die Türkei einreisen und sich das Geld aus dem dortigen Geldtopf wieder auszahlen lassen.

In der Praxis wird das Geld allerdings nicht bewegt, nur in gewissen Abständen rechnen die Hawala-Organisatoren in den beteiligten Ländern ihre Forderungen gegeneinander auf – und gleichen Fehlbeträge untereinander dann wirklich in bar wieder aus. Dieses System bringt es mit sich, dass Geldtransaktionen der Kunden nicht für offizielle Stellen sichtbar werden, sogar Geldwäsche als Gewinn aus illegalen Geschäften wie dem Rotlicht-Milieu oder dem Drogenhandel ließe sich dadurch mühelos verschleiern.

In der aktuellen Anklage gegen den vermeintlichen Rädelsführer aus Düsseldorf und dessen sechs Mitangeklagte geht die Anklage aber nicht von Geldwäsche aus – weil es dafür im hiesigen Fall keine Beweise gibt. Staatsanwalt Stefan Willkomm erklärte vor Prozessbeginn, dass für die Ermittler zwar „eine Reihe von Kunden nachvollziehbar“ sei, die über die Angeklagten das angeblich illegale Geldtransfersystem genutzt haben. Doch ob die eingezahlten Beträge jener Kunden aus kriminellen Geschäften stammten – und ob die Angeklagten davon wussten – sei völlig nebulös.

Fakt ist dagegen: Ende 2019 waren die Behörden bei einer bundesweiten Groß-Razzia mit bis zu 800 Beamten gegen angebliche Drahtzieher des Hawala-Bankings vorgerückt, hatten dabei Vermögenswerte im Gesamtwert von rund 22 Millionen Euro beschlagnahmt, darunter Bargeld, Edelmetalle, Gold, Schmuck und einen ganzen Fuhrpark von Luxusautos. Doch ob die jetzt angeklagten sieben Männer, die laut Anklage über 210 Millionen Euro aus Deutschland vorwiegend in die Türkei transferiert haben sollen, der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, gilt als umstritten.

Einer der Verteidiger zeigte sich am Mittwoch vor dem Prozessauftakt zuversichtlich, dass sich ein „Großteil der Anklagevorwürfe in Luft auflösen“ werde – und verglich die monströs klingende Anklage mit einem Scheinriesen aus einem Kinderbuch von 1960. Damals ließ Autor Michael Ende seinen Titelhelden Jim Knopf in einer Wüste auf „Herrn Tur Tur“ treffen, der aus der Ferne gewaltig und Furcht einflößend aussah – der aber doch immer kleiner wurde, je näher man ihm kam.

Das Landgericht hat für den in Deutschland in dieser Dimension bisher einmaligen Prozess rund zwanzig Verhandlungstermine bis Juli angesetzt.

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