Düsseldorf Zwillinge auf dem Sprung nach Singapur
Düsseldorf · Irina und Marina Fabrizius zeigen ihre Gemälde im Kulturbahnhof Eller. Ihr ganzes Leben lang waren die eineiigen Zwillinge aus Kasachstan nicht getrennt. Und so soll es auch bleiben. Düsseldorf ist die Stadt ihrer Träume.
Irina hatte Probleme mit den Schatten, zwei Monate laborierte sie an einem Bildsockel herum, und immer noch gefiel es ihr nicht. Damals waren die Zwillinge noch Studentinnen an der Düsseldorfer Kunstakademie und malten realistisch. Marina sprang ein. Ehe ihre Schwester die Leinwand in ihrer Verzweiflung einfach abgesägt hätte, wollte sie die Schattenmalerei übernehmen. Dafür ist Irina besser, wenn es um feine Lichtlinien geht.
"Im Schatten haben wir uns gefunden, im Licht vereint." So lautet eine der Erfolgsformeln des Zwillingspaares. Es ist nur eine Formel einer hohen doppelten Begabung, die sich glücklich fügt und die Gemälde von heute möglich macht: Große, vor Licht schimmernde, durchscheinende Leinwände sind es, die ihre bildnerische Tiefe durch bis zu 18 übereinandergeschichtete Lasuren gewinnen.
Im Kulturbahnhof Eller hängen die Großformate. Vor dem blauen Quadrat Mangan Ceolin stellt sich das Duo zum Foto. 26.000 Euro ist dieses Bild wert. Die meisten Werke sind schon verkauft, eines wird demnächst nach Singapur verschifft, wo im Sommer eine Galerieausstellung läuft. Die Freude darüber ist riesig. Irina und Marina sind entwaffnend ehrlich und charmant. Die eine, Marina, ist etwas größer und einen Wimpernschlag älter. Einen Leberfleck nennt sie als besonderes Kennzeichen. Beide sehen sich zum Verwechseln ähnlich, sind 36 Jahre alt, in Kasachstan geboren, mit ihren Eltern 1990 ausgewandert. Sie waren in ihrem Leben noch nie getrennt, und so wollen sie es halten, zusammen leben und arbeiten in Düsseldorf, in der Stadt, die sie lieben und nie verlassen wollen. Würden jemals Männer ernsthaft in ihr Leben treten, worauf sie hoffen, müssten die sich mit der Zwillingskonstruktion arrangieren.
Sie sind Absolventinnen der Meisterklasse Herbert Brandls. Anfangs hatten sie während des Studiums noch jede eigene Werke gemalt. Auch die Bewerbungsmappen mussten noch zwei Handschriften tragen. Da diese sich immer schon ähnelten, haben sie in die Mappen jeweils Bilder der Schwester mit hineingeschmuggelt. Sie wollten verhindern, dass die eine genommen werden würde ohne die andere. Ihre Mappen wollten sie mit Handschellen aneinanderketten - was nicht ging. Stattdessen schrieben sie auf das eine Deckblatt "Unzer-" und auf das andere "-trennlich" - ihr Zwillingstrick. Was wie eine Masche klingt, entspringt einem tiefem Zusammengehörigkeitsgefühl. Von klein auf hatte die Mutter ihre Kinder mit Buntstiften beschäftigt, sie angeleitet, präzise mit Farben, Formen und Motiven umzugehen. "Wir wollten immer besser werden", sagt Irina. Marina ergänzt: "Und jede wollte besser sein als die andere." Es wurde ihnen nichts geschenkt in der Jugend, die Eltern arbeiteten schwer, der Neuanfang in Deutschland war geprägt von wenig Mitteln und mühsamer Anpassung an Sprache und Kultur. Dass sie nach dem Abitur etwas mit Kunst machen wollten, war für die Mädchen klar. Dass sie es im ersten Anlauf an die Akademie schafften, "ein Sechser im Lotto".
"Wir haben nur uns", sagen sie wie aus einem Munde. Im Laufe der jungen Karriere brachte ihnen diese Zweisamkeit einen Zwillingsbonus ein. Künstlerisch waren sie schon während des Studiums, das sie 2015 abschlossen, erfolgreich. In einer Tankstelle in Benrath hatten sie 2011 ausgestellt, es gab wohlwollende Zeitungsberichte, ohne dass man die Künstlerinnen persönlich getroffen hätte. Dann wurden die Zwillinge in der ZDF-Sendung "Volle Kanne" vorgestellt, im Nachgang folgten mediale Kettenreaktionen.
Jetzt, mit 36 Jahren, zählen nur noch ihre Bilder, die abstrakt sind und von dem Schichten und Leuchten der Linien leben. Lasurmalerei kennt man als altmeisterliche Technik. In solch großen Formaten und feinen flächigen Farbkompositionen lässt sie sich fast nur bei parallelem Malprozess zweier Menschen herstellen. Ein Bild braucht wegen der vielen Schichten übereinander lange Zeit, bis zu acht Monaten. "Wo kann man das Licht am besten sehen?" Das fragen die perfektionistischen Malerinnen. Und freuen sich, wenn sich im Verlauf des Tageslichts alles verändert. "Am Abend glüht das Rot, am Morgen das Orange", sagen sie. Von einem Licht, das sich in die Netzhaut brennt, sprach Professor Brandl einmal anerkennend.