Zum 80. Geburtstag von Günther Beelitz Einmal Theater, immer Theater

Düsseldorf · Günther Beelitz bringt seit Jahrzehnten Menschen und Theater zusammen. Nun feiert er seinen 80. Geburtstag.

 Zuhause bei Günther Beelitz: Der frühere Intendant des Schauspielhauses lebt mit seiner Frau Christine in Oberkassel.

Zuhause bei Günther Beelitz: Der frühere Intendant des Schauspielhauses lebt mit seiner Frau Christine in Oberkassel.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

„Aufhören kann es in unserem Beruf nicht geben“, sagt Günther Beelitz. „Man steckt zu sehr drin, es erfüllt einen.“ Einmal Theater, immer Theater. So ist es dem gebürtigen Berliner, der schwäbisch schwätzt und mehr österreichischen Zungenschlag als rheinische Färbung hat, in seinem Leben ergangen. „Mit dem ersten Schritt war das klar.“ Und hält noch an. Aktivität, Kreativität. 34 Jahre lang war er ohne Unterbrechung Intendant an einem großen deutschen Theater. Rekordverdächtig. Nachdem er als Pensionär das am Boden liegende Düsseldorfer Schauspiel wieder aufgepäppelt hatte (2014 – 2016), würde er aktuell kein Regieangebot ausschlagen. Wenn ihm das Stück zusagt, wenn es für ihn Sinn macht. Außerdem treiben ihn zahlreiche ehrenamtliche Aktivitäten um, beim Theaterpreis „Faust“ etwa oder bei der Unesco.

Familie, Freunde, Schauspieler und Künstler feiern an diesem Samstag mit ihm seinen 80. Geburtstag, danach sitzt er gleich wieder im Flieger nach Klagenfurt, um seine Kulturgastspiele im Luxushotel zu betreuen. Nahe Klagenfurt liegt die Basis, die Außenstation seines unruhigen Lebens mit mehr als 14 Umzügen und wechselnden Wohnorten. Als er einmal schwer krank gewesen war, als junger Mann, spürte er, wie gut die Luft in Bad Kleinkirchheim seiner Lunge tat. So blieb er dem Ort treu, schuf sich ein Zuhause neben Düsseldorf, das Zentrum seines Lebens geworden ist. Ins Hotel des Luftkurortes bittet er alljährlich Bühnenstars, von denen die meisten Freunde geworden sind im langen Theaterleben. „Das ist mein Pensionshobby“, sagt er.

Kurz vorm runden Geburtstag ein Besuch bei Beelitz in Oberkassel: Wir reden über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Titan des Theaters ist heute rot gestimmt, Brille und V-Ausschnitt-Pullover sind gedämpft rostrot getönt, Schuhe und Uhrarmband mehr poppig-orangefarben, die enge Hose dazu ist grau-schwarz gestreift. Er mag Düfte, trägt stets Extravagantes auf. Sein Gang verrät das Alter nicht, fast tänzelnd bewegt sich der Bewegungsmensch durch die künstlerisch und literarisch geprägte Wohnung. Stets dabei und sehr aufmerksam ist Ehefrau Christine, seit mehr als 50 Jahren an seiner Seite. Sie spielt in seinem Leben die tragende Rolle. „Sie ist der Star“, sagt Beelitz, der die Krankengymnastin 1964 als Patient kennenlernen durfte. Das Paar hat eine Tochter. Gerade erst waren die beiden drei Wochen in Madagaskar unterwegs. Reisen ist neben Kino eines der großen Hobbys von Familie Beelitz.

Auf Reisen fängt man neue Bilder und Fantasie – unabdingbar für Theaterschaffende. Beelitz blieb stets seinen Grundsätzen treu, etwa als Intendant nicht selbst zu inszenieren. Er weiß um die Wichtigkeit, dass ein Theaterchef den Humus der Stadt erspürt, für deren Bürger er Kunst anbietet. Jede Stadt ist anders. In Düsseldorf macht Beelitz ein großbürgerliches, nicht allzu wagemutiges Publikum aus. In seinen zehn Chef-Jahren hat er offenbar den Nerv der Zeit getroffen. Er gründete 1976 das erste Kindertheater an einem deutschen Haus gegen den Willen des damaligen Stadtdirektors („. . . für Kinder haben wir kein Geld . . .“), er hat das Ensemble mit Stars durchsetzt, Regisseure verpflichtet, die in jener Zeit Garanten des Erfolges waren. Düsseldorf wurde unter Beelitz 1982 zum „Theater des Jahres“ gekürt und etliche Mal zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

Besonders stolz ist er heute noch auf die Erweiterung der Aktionsachse. Gastspiele im In- und Ausland haben den Ruf Düsseldorfs gemehrt, lange vor Glasnost gab es Kooperationen mit der DDR und der UDSSR, auch mit Israel. In zehn Jahren erreichte das Schauspielhaus 4,5 Millionen Menschen. Später in Weimar hatte Beelitz nicht den vergleichbaren Erfolg, und doch empfand er die Aufgabe als das Spannendste überhaupt. Er musste vor allem sparen und Stellen streichen. Ost-West-Gräben taten sich auf, auf Plakaten in Protestdemonstrationen stand zu lesen: „Wessi-Beelitz killt Ossi-Ballette.“

An keinem Ort soll man länger als zehn Jahre bleiben, „denn das Theater lebt wesentlich vom Wechsel“, sagt Beelitz. Er hat als Regisseur seine Lieblingsautoren, Arthur Schnitzler etwa. Ganz besonders mag er Thomas Bernhard. „Mit Shakespeare ist es nicht so leicht“, gibt er zu. Die Universaldramen seien schwer zu fassen. Beelitz findet keine Superlative für Lieblingsrollen oder -stücke. Da Wichtigste: dass Wahrhaftigkeit drinsteckt. Figuren wie Wallenstein oder Effi Briest berühren ihn jedoch tief.

Dortmund ist aktuell für ihn die beste Bühne in NRW, das Düsseldorfer Schauspielhaus, in dem er als Ex-Intendant Gratisplätze erhält, sieht er mit Wilfried Schulz auf einem sehr guten Weg. „Jede Zeit hat das Theater, das sie verdient, Theater ereignet und bewährt sich nie unabhängig von den Verhältnissen“, sagt Beelitz.

Herr und Frau Beelitz haben beide schon vor der Fernsehkamera gestanden, er in der Rolle des Herrn Herstatt, sie einmal mit Karl-Heinz Böhm als Liebhaber. Frau Beelitz sagt über ihn, dass er am besten Rollen kann, die ihm nahe sind. Und dass er die Psyche der Frauen im Theater besser versteht als im Leben. Eine kleine Spitze und ein Beweis für Kritikfähigkeit unter Partnern, die lebenswichtig für ein so langes Miteinander ist. Vielleicht sogar ein Garant für den Erfolg.

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